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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Schwarze Finger im Kirchenkeller

Was macht eigentlich die AG Technik des ADFC Frankfurt?

Rainer Mai mit interessiertem Publikum am Felgenband
Foto: Eckehard Wolf

"Schwarze Finger sind garantiert", verspricht die AG Technik allen Rat und Hilfe suchenden Radlern, die oben, neben der Kirchentür von St. Nicolai die Klingel drücken, damit ihnen unten, im geräumigen Keller, die Fahrradwerkstatt des ADFC aufgetan wird.

An einem Samstagnachmittag im November begehren blutige Laien Einlass, die zum ersten Mal einen Schraubenschlüssel in die Hand nehmen, aber auch erfahrene Schrauber, die sich selbst an den Spezialwerkzeugen bedienen. Wir haben ihnen mal auf die schwarzen Finger geschaut, was sie da unten anstellen.

Ab drei Uhr, zur angegebenen Öffnungszeit der Werkstatt, geht die Klingel im Minutentakt. Heruntergetragen wird ein altes Fahrrad mit einer antiken Torpedo-Dreigang-Schaltung, die sich nicht mehr einstellen lässt. An einem schicken Trekkingrad ist ein Schaltzug gebrochen und der Umwerfer eingerostet. Ein geliehenes Schrottrad hat einen gewaltigen Achter im Hinterrad, zahlreiche gebrochene Speichen und ein lebensgefährlich zerfetztes Schutzblech. Ein anderes Rad hat nur zwei kaputte Speichen, aber drei Löcher im Schlauch. So füllt sich alsbald der geräumige Keller mit all dem Elend, das auf zwei Rädern vorkommt.

links: Ralf Paul (hinten) verzweifelt auch nicht bei der Montage des "Chaingliders"
Foto: AG Technik

rechts: Etwas Brauchbares findet sich immer
Foto: Eckehard Wolf

Rainer Mai und Klaus Kowoll, die sich heute zum Notdienst in der Fahrradklinik gemeldet haben, fragen die Patienten zunächst nach ihren Beschwerden und kommen dann durch Schauen und Fühlen zu ihrer Diagnose. Doch dann gibt es keine klinische Vollversorgung, sondern eine fein dosierte "Hilfe zur Selbsthilfe", je nach den Selbstheilungskräften, die in den Radsuchenden schlummert. Jeder Arbeitsschritt wird erklärt, das passende Werkzeug geholt, und dann versucht jeder, soweit er kommt, sein Rad wieder in Schuss zu bringen. Rainer und Klaus greifen immer mal wieder unterstützend ein, legen aber nur in sehr komplizierten Fällen selbst Hand an. Das alles geschieht in einer ruhigen, konzentrierten Atmosphäre. Und mit jedem Handgriff wächst der Stolz, dass man sein Rad "selbst" begriffen und repariert hat.

An diesem Samstag geht die Arbeit besonders gut von der Hand. Denn droben in St. Nicolai werden himmlische Töne geprobt. Posaunenschall und Chorgesang verbreiten sich durch dicke Lüftungsrohre auch in die Katakomben der Fahrradwerkstatt. Diese ist, vermittelt durch den AG-Sprecher Ralf Paul, mit der Kirchengemeinde durch ein Projekt zur Erwachsenenbildung verbunden. Schon seit 1994 ist der ADFC dort zu Gast und sehr dankbar für die Räume. So können die neun Schrauber der AG jeden zweiten Samstag ihre Werkstatt öffnen, also 25mal im Jahr. Dazu kommen noch vier ganztägige Reparatur-Workshops im Jahr, die immer ausgebucht sind.

Mit der Hilfe zur Selbsthilfe macht der ADFC den Fahrradgeschäften keine Konkurrenz. "Wir haben besonders im Sommer einen Reparatur-Notstand, wo man Wochen auf einen Termin warten muss, um neue Schläuche aufzuziehen", sagt Rainer Mai. Er hat die Idee zur ADFC-Werkstatt entwickelt und zunächst in seiner Garage umgesetzt. Für ihn und das Team macht das Schrauben und der Umgang mit Menschen viel Spaß: "Deshalb nehmen wir auch kein Geld." Natürlich werden die Ersatzteile zu Einkaufspreisen berechnet und es steht da auch eine Spendendose. Aber selbst der Vorstand des ADFC Frankfurt muss schon kräftig drängeln, um für die AG mal zwei neue Montageständer beschaffen zu dürfen.

"Für ein Fahrrad braucht man mehr Spezial-Werkzeuge als für ein Auto", erklärt mir der gelernte Automechaniker Rainer Mai, der später einen Dipl.-Ing. in Maschinenbau draufgesetzt hat. Davon kann man sich in den unzähligen, wohlgeordneten Schränken, Schubladen und Ersatzteillagern überzeugen. Ein gelernter Fahrradmechaniker muss man nicht sein. Die meisten Schrauber haben durch learning by doing ihr Handwerk gelernt und haben deshalb ein feines Händchen dafür, ihr Wissen an Laien weiter zu geben. Wer keine schwarzen Finger scheut, ist herzlich willkommen zur Verstärkung der AG Technik. Die hat auch kernige Seife auf Lager.

 

Wehrhart Otto