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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Ausgabe 3/1999   Mai / Jun.


Die Kundschaft der Konkurrenz?

Wer schon mal eine Kleinanzeige aufgeben mußte, kennt die Preise für „1 Spalte breit x 3 Zeilen hoch". Ein hier nicht genannter Kraftfahrer-Verein zählt fast die halbe Bürgerschaft dieses Landes zu seinen Mitgliedern. Ein weltweit agierender Mineralöl-Konzern, der aus Problemen mit überflüssigen Bohrplattformen ein wenig gelernt hat, kommt über sein Tankstellennetz auf ähnliche Kundenzahlen. Was mag deren ganzseitige Anzeige in einer bundesweit gelesenen Frankfurter Tageszeitung kosten?

Gerührt nehme ich zur Kenntnis, daß sich diese Boliden der KFZ-Branche in besagter Anzeige um die Sicherheit von kindlichen Radfahrern und KFZ-Beifahrern sorgen. Fast die Hälfte aller Kinder unter sechs Jahren, die einen Verkehrsunfall erleiden, verunglücken im PKW (Kinder insgesamt ca. 16.000 pro Jahr). Es werden zahlreiche Tips gegeben, wie Eltern diese Beifahrer sicherer verstauen können. Sie brauchen viel Geld, hier nicht für den Austausch von „Out-" gegen „In -Klamotten", sondern für stets größengerechte Sicherheitssysteme.

Als überzeugte Radfahrerin lese ich heraus, daß Radfahren für Kinder weniger gefährlicher ist als das Reisen im elterlichen Auto. Immerhin werden 26 bis 44 Prozent der täglichen Wege von Kindern mit dem Fahrrad zurückgelegt.

Aber jedes der 100 getöteten und ca. 4000 schwer verletzten Kinder, die pro Jahr einen Radfahrunfall erleiden, ist eines zu viel. Daß davon die Hälfte durch das Fehlverhalten der Autofahrer verursacht wird, stellen die der Autozunft zugehörigen Autoren der Anzeige fest. Außerdem hat auch ein Mangel an kinderfreundlicher Verkehrsplanung Schuld, und, daß nicht alle Kinder Helme tragen. Kinder und Jugendliche hält man jedenfalls erst ab der 4. Schulklasse und nach Absolvieren einer Radfahrausbildung in einer Jugendverkehrsschule des Mineralölkonzerns für verkehrstauglich.

Gleichzeitig wird festgestellt, daß Kinder und Jugendliche (ahnte ich’s doch) das Radfahren erst mal psychomotorisch und geistig erlernen müssen. In Anbetracht der Tatsache, daß Menschen weder mit Gas- noch mit Klickpedalfüßen geboren werden, wirft das ein finsteres Licht auf die Lernerfolge der erwachsenen KFZ-Lenker, die zur Hälfte an den Fahrradunfällen der Jugend schuldig sind. Vielleicht ist statt Jugendverkehrsschule eher eine Erwachsenenverkehrsschule nötig, in der die Autolenker den rücksichtsvollen Umgang mit radfahrenden Verkehrsteilnehmern lernen (siehe ffa März 99, S. 12). Ob in der Jugendverkehrsschule des Mineralölkonzerns gelehrt wird, daß man mit Gefahren des Autoverkehrs am besten im KFZ zurecht kommt? („Helm auf, Fußwege benutzen, Radfahren ist sowieso gefährlich!?")

Der ADFC jedenfalls könnte mit (vielleicht sogar mehr) Kompetenz den Umgang mit dem Fahrrad und seinen Gefahren vermitteln. Vielleicht käme es bei flächendeckendem ADFC-Fahrradunterricht nicht zu dem Wunsch, sich vor den Gefahren des Individualverkehrs so-früh-wie-möglich in die Blechkarosse zu flüchten. Die Schülerinnen und Schüler würden sich statt dessen für die heißesten Bikes begeistern, mit niedriggelegtem Rahmen, Spoiler am Lenker, blinkend verchromten Kettenblättern, leise flüsterndem Tretlager, Freisprecheinrichtung fürs Handy ...

Eines Jahrzehnts wäre dann die andere Hälfte der Bevölkerung bei uns Mitglied. Dann würden wir sicher machtvoll gegen die Verkehrsgefahren zu Felde ziehen! Auch so eine ganzseitige Anzeige könnte sich der ADFC dann locker leisten.

Freya Linder

frankfurt aktuell 3/1999 (1999318)   © Copyright 1999 by ADFC Frankfurt am Main e.V.
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