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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Ausgabe 2/2001   März /April

Was man will, kann man - er hat es uns vorgelebt.

Ein Nachruf

Die Nidda war sein Lebensfluss. An ihrem Oberlauf wurde er am 19.05.1923 geboren. Er verbrachte dort seine Jugend und kehrte nach zwanzigjähriger Tournee durch Kriegseuropa und Nachkriegswelt zum (fast) täglichen Radfahrtraining über Uferweg und Berkersheimer Steilanstieg an ihren Unterlauf zurück.

Er hatte Naturwissenschaften und evangelische Theologie studiert. Als Pfarrer in Brasilien tätig, gründete er seine erste Familie, aus der drei Söhne hervorgingen.

Eine lebensbedrohliche Krankheit zwang ihn zur Rückkehr nach Europa und für den Rest seines Lebens zu strenger Diät. Zunächst war er im Pfarrdienst, später dann im Schuldienst tätig. Statt Religion erteilte er zunehmend Unterricht in Mathematik und Physik. Schon frühzeitig führte er mit Schulklassen Radtouren in Holland durch. Im Schuldienst lernte er seine zweite Frau kennen, die er 1978 heiratete. Sie schenkte zwei weiteren Söhnen das Leben. 1983 wurde er in den Ruhestand versetzt.

Im März 1980 gründete er mit einigen Gleichgesinnten den ADFC Rhein-Main, aus dem später der Landesverband Hessen hervorging. Diesem Verein gehörte von da an sein ganzes Engagement. Schnell wurde er eine der Leitfiguren der bundesweiten Bewegung, die dem Fahrrad seine alte Bedeutung als Verkehrsträger zurückerobern wollte. Dass er seine Ideale auch lebte, machte ihn glaubwürdig.

Zu Anfang versuchte man die Ziele mit Fahrraddemonstrationen zu erreichen, fand aber nicht die gewünschte Resonanz. Nur allmählich erkannten die städtischen Institutionen, dass es der neuen Fahrradlobby Ernst war mit ihrem Anliegen und in dem Maße, wie sich die Aktiven um konkrete Vorschläge und praktikable Lösungen bemühten, wuchsen Anerkennung und Respekt. Eine wichtige Rolle spielte Harald Braunewell von Anfang an auch beim Aufbau des hessischen Landesverbandes. Er hatte großen Anteil daran, dass Anfang der 90er-Jahre aus der losen Zusammenarbeit der beiden Regionalvereine in Frankfurt und Kassel ein schlagkräftiger ADFC Hessen wurde, dem er bis 1999 als stellvertretender Landesvorsitzender und danach bis zu seinem Tod als Beisitzer im Landesvorstand einen großen Teil seiner Schaffenskraft widmete. "Erste Klasse im Verkehr" — dass diese Kampagne des Hessischen Kultusministeriums neue Akzente in der Verkehrssicherheitsarbeit setzte, ist nicht zuletzt ihm zu verdanken.

Sein große Liebe galt der Kartografie. Er kannte die Rhein-Main-Region wie kein Zweiter, konnte jedes Detail aus dem Gedächtnis abrufen, präzise und aktuell. Bei einer ganzen Reihe von Radwanderbüchern, Stadtplänen und Landkarten führte er die Feder, organisierte und koordinierte mit großer Akribie die Recherchen seiner ehrenamtlichen Helfer vor Ort. Stellvertretend seien hier der Große Frankfurter Radfahrer-Stadtplan genannt, aber auch die Regionalausgabe der ADFC-Radtourenkarte.

Bleiben wird von dieser Arbeit vor allem der Frankfurter Grüngürtelradweg und die in großer Zahl inzwischen in der 4. Auflage vom Umweltamt der Stadt Frankfurt herausgegebene Grüngürtel-Freizeitkarte. Sie ist im wahrsten Sinn ein Kind von Harald Braunewell. Schon vor 20 Jahren hatte er die gedanklichen Grundlagen gelegt für diesen 76 km langen Rundkurs um Frankfurt. Die letzte Auflage der Frankfurter Grüngürtelkarte wurde seine letzte Aufgabe. Leider ist er nun nicht mehr mit dabei, wenn in diesem Jahr das zehnjährige Jubiläum des Grüngürtels gefeiert wird.

Unübertroffen hilfreich und zuverlässig bis zum letzten Tag war auch seine Mitarbeit im Infoladen des ADFC Frankfurt. Keine Frage war knifflig genug, dass er keine Antwort gewusst hätte.

Bei dieser Gelegenheit wird sich vielleicht manche(r) fragen: Wird "Haralds kleines ABC der großen Radfahr-Irrtümer" nun fortgesetzt? Die Antwort kann nur lauten: "Mitnichten..." — denn dies ist sein Werk. Es war ihm nicht vergönnt, es zu Ende zu führen. Sein "ABC" endet mit dem Buchstaben "S".

1999 zog er sich aus Frankfurt zurück. Seinen Lebensabend wollte er in Bad Nauheim verbringen. Am 16.02.2001 wurde er dort zu Grabe getragen. Volkmar Gerstein, der Vorsitzende des ADFC Hessen, fasste seine Verdienste um den Verein und das Mitgefühl für die Angehörigen in würdige Worte. Eine ganze Reihe von Mitgliedern des ADFC begleiteten ihn auf seinem letzten Weg.

Dr. Harald Braunewell hat über zwei Jahrzehnte glaubwürdig unsere Ideale vorgelebt und die Ziele des ADFC kompetent weit über Hessen hinaus vertreten. Mit seiner väterlichen Einflussnahme und Beharrlichkeit wird er uns ein Vorbild bleiben.

Für den Vorstand Jürgen Johann

frankfurt aktuell 1/2001 (200111)   © Copyright 1999 by ADFC Frankfurt am Main e.V.
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