
1200 km, 20.000 hm, 13 Tage, 7 x Reifenpanne. Peter hat die GST geschafft
privat
Was ist eigentlich Trail Magic?
Ein Begriff, der ursprünglich aus der Wanderszene stammt, wurde in der Welt der Langdistanzrennen weiterentwickelt.
Um die Geburt des Ausdrucks Trail Magic zu erkunden, müssen wir viele Kilometer nach Westen und viele Dekaden in die Vergangenheit reisen. Genaugenommen in die USA des Jahres 1948. Der damals 30-jährige Earl Shaffer wanderte als erster Mensch den kompletten Appalachian Trail in einem Stück durch. Auf dem als herausfordernd geltenden Wanderweg begegneten ihm immer wieder Menschen, die ihm Hilfe und Essen oder eine Unterkunft anboten. Diese spontanen und völlig unvorhersehbaren Taten waren für ihn Teil der Magie des Pfades, Trail Magic also. In der Wanderszene zählen aber auch andere Dinge dazu: das Erspähen eines seltenen Tiers zum Beispiel oder beeindruckende Panoramen und Erlebnisse in der Natur; Dinge, die man eben nur erleben kann, wenn man sich auf den Weg macht. Ich selbst durfte auch schon mal Trail Magic in Anspruch nehmen. An einem heißen Sommertag auf dem Weser-Radweg hatte jemand einen unbemannten Stand mit Getränken und Eis aufgebaut. Eine schöne Überraschung und ich danke bis heute dem Trail Angel – wie solche Menschen inoffiziell genannt werden.
Hannah Kessler
rechts: Geburtsort der Magic Trail sind die Appalachen
Pete Unseth, Wikimedia Commens
Überraschung und Nichtplanbarkeit
sind essenziell für Trail Magic
Das Element der Überraschung, der Nicht-Planbarkeit eben, ist essenziell für Trail Magic im Rahmen von Fahrradrennen. Dabei geht es vor allem um Langdistanzrennen mit Bikepacking-Charakter. Bei diesen Selbstversorger-Wettkämpfen müssen sich die Teilnehmenden eigenständig um Verpflegung und Unterkunft kümmern, dürfen damit aber erst zu Beginn des Rennens anfangen. Ein Beispiel dafür ist die Grenzstein Trophy (GST). Im Kodex des 1.200 km langen Treks entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze steht: „Private Hilfe/Unterstützung ist lediglich zulässig, wenn sie spontan erfolgt und in ihrer Art und Weise jedem GST-Fahrer zugänglich ist (oder sein könnte … in der englischen Szene gerne als „Trail-Magic“ bezeichnet).“ Ich spreche mit Peter aus Frankfurt, der 2021 bei der Trophy mitgefahren ist. „Man muss sich unterwegs alles selbst suchen“, berichtet er, „Das ist bei der dünn besiedelten Gegend wirklich eine Herausforderung.“ Zumal die Tour im Hochsommer stattfindet. „Wenn ich dann an einem Haus vorbei kam, habe ich einfach geklingelt und nach Wasser gefragt. Die meisten Leute waren sehr nett und hilfsbereit.“ Der Zauber des Wegs hat hier also durchaus mitgespielt.
„Das Transcontinental ist ein Rennen
für einfallsreiche Menschen“
Auch beim Transcontinental Race wird ein solcher Spirit von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gefordert. Die ZDF-Reportage „Das verrückteste Radrennen der Welt“ gibt spannende Einblicke in den Wettkampf, der 2024 von Roubaix nach Istanbul führte. Zum Thema der Selbstversorgung erklärt einer der Veranstalter: „Das Transcontinental ist ein Rennen für einfallsreiche Menschen. Wir möchten, dass sie ihren eigenen Weg aus den schwierigen Situationen herausfinden.“ An diesen Ethos scheinen sich alle zu halten, auch wenn es auf der über 4.000km langen Strecke natürlich nicht kontrolliert werden kann. Der Film begleitet unter anderem die Deutsche Jana Kesenheimer. Obwohl sie kurz vor dem Finish noch mit einer Katze kollidiert und stürzt, ist sie schließlich mit einer Zeit von 11 Tagen, 3 Stunden und 57 Minuten die schnellste Frau des Rennens. Die Szenen, die sich anschließend hinter der Ziellinie abspielen versprühen eine ganz eigene Art von Magie.