Fahrradfreundliche Nebenstraßen: Ein Zwischenfazit
Drei Jahre nach der Umgestaltung des Kettenhofwegs und des Grüneburgwegs stellte die Frankfurt University of Applied Sciences (FUAS) ihren Bericht zu den beiden Straßen vor. Wir waren dabei.
Eine größere Pressekonferenz am Mittag und am Abend direkt noch eine gut besuchte öffentliche Veranstaltung für die Bürgerinnen und Bürger zeigten Mitte Mai, wie groß die Aufmerksamkeit und auch das Interesse an den „fahrradfreundlichen Nebenstraßen“ ist. Auch wenn es viel um Lebens- und Aufenthaltsqualität ging, lag der Fokus für viele Privatpersonen wieder auf der Mobilität. Da können dank eigener Erfahrungen schließlich alle mitreden. Die Stadtverwaltung und die Politik war insbesondere bei der Abendveranstaltung personell sehr gut vertreten, was sich noch auszahlen sollte.
Auch die Umgestaltung dieser beiden Straßen ging auf die erfolgreiche Unterschriftensammlung des Radentscheid Frankfurt zurück, den über 40.000 Menschen unterschrieben hatten und deren Kernforderungen von der damaligen Römer-Koalition (SPD, CDU, Grüne) weitestgehend übernommen wurden. Die Ergebnisse zur ersten neuen Fahrradstraße, dem Oeder Weg, wurden bereits letztes Jahr vorgestellt.
Wie lief die Untersuchung ab?
Bei der wissenschaftlichen Untersuchung wurden insgesamt über 3000 Privatpersonen befragt, die Gewerbetreibenden wurden ebenfalls separat für Interviews kontaktiert und auch das Gewerberegister wurde für die genaue Anzahl der Gewerbe-Abmeldungen zur Hilfe genommen. Dazu wurden die offiziellen Unfallzahlen, Verkehrszählungen und auch eigene Videoaufnahmen untersucht.
Die Achse Kettenhofweg/ Robert-Mayer-Straße
Interessanterweise wurde der Kettenhofweg, obwohl dort diverse Parkplätze auf den Gehwegen entfielen und ähnlich viele Gewerbetreibende ansässig waren, überwiegend positiv bewertet. Auch in der abendlichen Veranstaltung ging es praktisch gar nicht um diese Straße, die Umgestaltung scheint in allen Bereichen sehr positiv aufgenommen zu werden. Der Radverkehr hat sich in allen Abschnitten deutlich erhöht, an vielen Zählstellen sogar verdoppelt. Der Kraftverkehr dagegen hat nahezu überall abgenommen, auch in den Nebenstraßen konnten keine größeren Veränderungen mit Blick auf mögliche Ausweichverkehre gemessen werden.
Die Untersuchung zeigte auch, dass trotz deutlich mehr Radverkehr die Unfallzahlen sanken. Zwar deckte der Untersuchungszeitraum nach der Umgestaltung noch kein gesamtes Jahr ab, die Tendenz war aber bereits eindeutig. Auch die gefühlte Sicherheit wurde deutlich besser bewertet.
29 Gewerbetreibende nahmen an der Umfrage teil, von denen 12 von zurückgehenden Umsätzen berichteten. Allerdings wurde nur in vier Fällen tatsächlich die Umgestaltung als Grund für den Umsatzrückgang angegeben – insbesondere der Einzelhandel steht bekanntermaßen insgesamt sehr unter Druck, auch ganz ohne Fahrradfreundlichkeit. 22 der 29 Gewerbetreibenden begrüßten das grundsätzliche Konzept der Umgestaltung, 15 fanden auch die konkrete Umsetzung vor Ort positiv und 7 bewerteten diese negativ. Insbesondere die schnelle Umsetzung und aktive Beteiligung wurde positiv gelobt, der Mangel an Parkraum und der Wunsch nach mehr Beteiligung wurden negativ bewertet. Scheinbar fühlten sich nicht alle Gewerbetreibende mitgenommen, wenn die Beteiligung gleichzeitig so positiv und negativ bewertet wird. Im Jahr 2024 wurden laut Gewerberegister im Kettenhofweg nur zwei Abmeldungen registriert, was ein erfreulich niedriger Wert ist.
Der Grüneburgweg
Etwas diverser war die Stimmung bei dieser Straße. Schon seit Beginn der Umgestaltung gab es von einer überschaubaren, aber sehr lauten Gruppe deutliche Kritik an dem Projekt. So wurde der Grüneburgweg bundesweit schnell durch die vielen aufgestellten Verkehrsschilder und die riesige Pressekampagne bekannt, wobei sehr viele nur für das Radrennen zum 1. Mai aufgestellt waren – die Strecke führte wie üblich auch durch den Grüneburgweg. Dass eine große skandalbemühte Boulevardzeitung mit vier Buchstaben ihr Frankfurter Büro direkt im Grüneburgweg hat, ist dabei sicher nur Zufall. Inzwischen wurden, ganz ohne große Aufmerksamkeit, auch viele Schilder wieder abgebaut. Dafür brauchte es aber erst eine Ausnahmegenehmigung des Regierungspräsidiums, weil die vielen Schilder für die Parkregelungen bundesweit vorgeschrieben sind.
rechts: Grüneburgweg
Abseits des Medienrummels um die Anzahl von Verkehrsschildern gibt es aber noch interessante Daten. So ist der Radverkehr seit der Umgestaltung auch im Grüneburgweg fast überall gestiegen, stellenweise konnte sogar eine Vervierfachung gemessen werden. Da der Kraftverkehr, wie geplant, weniger wurde und sich stellenweise halbierte, ist nun der Radverkehr zahlenmäßig das Hauptverkehrsmittel. An manchen Stellen konnten Kfz-Ausweichverkehre gezählt werden, die mit weiteren Maßnahmen in den Griff bekommen werden sollen.
Auch die Unfallzahlen entwickelten sich, auch hier wieder ohne vollständige Daten für den nachher-Zeitraum, positiv. Und auch das verbotene Radfahren auf dem Gehweg reduzierte sich laut Videoaufzeichnungen von 239 auf 14 Fälle im Beobachtungszeitraum. Hiervon profitiert der Fußverkehr, der nun auch mehr Raum bekommen hat.
Bei den Gewerbetreibenden war die Einstellung zunächst eher zurückhaltend und ablehnend, nach der erfolgten Umgestaltung und erneuten Befragung verbesserte sich die Stimmung aber deutlich. Die Mehrheit (23 von 31) bewerteten die Umgestaltung positiv, 5 lehnten sie ab. 13 von 38 Gewerbetreibenden berichteten von Umsatzrückgängen, aber nur 3 davon schoben dies auf die Umgestaltung. Laut Gewerberegister lag die Anzahl der Gewerbe-Abmeldungen im Durchschnitt. An Straßen wie z. B. der Berger Straße, die abschnittsweise eher an einen großen Auto-Parkplatz als eine lebenswerte Einkaufsstraße mit Aufenthaltsqualität erinnert, liegt der Anteil an Abmeldungen deutlich höher.
Diskussionskultur
Interessant war bei der Abendveranstaltung, wie beispielsweise behauptet wurde, dass durch die angebliche Reduzierung der Parkplätze direkt vor einem konkret benannten Haus Handwerksfirmen inzwischen Aufträge ablehnen würden. Die Stadtverwaltung prüfte direkt während des Redebeitrags die Zahlen und musste antworten, dass an der Adresse nun sogar ein Parkplatz mehr als vorher vorhanden ist und durch die eingeführte Bewirtschaftung die Handwerksfirmen sogar leichter und ohne Extrakosten dort parken können.
Ebenfalls versuchten einige Gegner der Umgestaltung mit dem Niederbrüllen von anderen Redebeiträgen, dem simplen Leugnen der Messergebnisse durch „Lügen!“-Zwischenrufe oder auch vielfachen Verweisen auf eine angeblich jetzt herrschende „Diktatur“ die Debatte zu zerstören. Dass sich die Bürgerinnen und Bürger bei einer öffentlichen Veranstaltung an ein Mikrofon stellen und dort frei ihre Meinung äußern können (ohne Konsequenzen befürchten zu müssen) und gleichzeitig ihr Leben als eins in einer „Diktatur“ bezeichnen, spricht Bände. Immerhin kam die Parkraumbewirtschaftung insgesamt gut an, deren Ausweitung auf das ganze Wohnviertel mehrfach gefordert und bereits angekündigt wurde.
Fazit
Auch in diesen beiden Fahrradstraßen wurden die grundlegenden Ziele mit verhältnismäßig kleinen Maßnahmen erreicht. Perfekt ist die Umsetzung aber auch nicht, es soll noch weitere Nachbesserungen geben. Das Forschungsteam hat daher für beide Straßenzüge auch noch Empfehlungen für die Weiterentwicklung erarbeitet. So soll beispielsweise die Barrierefreiheit noch weiter verbessert, weitere Querungsmöglichkeiten geschaffen und Ampelanlagen optimiert werden. Auch für die Kommunikation seitens der Politik und Verwaltung gab es weitere Tipps.
Wir werden auch den weiteren Prozess begleiten, natürlich wie gewohnt konstruktiv und sachlich.