Gelbes O am Baum
ADFC-Historie: Mit dem Fahrrad durch das Umland von Frankfurt
Der Artikel „Wir sind schon 45“ im letzten Frankfurt Aktuell (3/25) erwähnt einen „Radler-Stadtplan“ mit dem Titel „Mit dem Fahrrad durch Frankfurt“. Daraus sei später die Grüngürtelkarte entstanden.
Doch das ist so nicht ganz richtig, jedenfalls unvollständig. Das Werk, erstellt von Harald Braunewell und anderen, war nämlich ein Taschenbuch, das zwar viele Kartenausschnitte, aber auch viel Text enthielt.
Die Ur-Edition, nach meiner Erinnerung von 1980, ist mir leider verlorengegangen. Hier abgebildet ist die nachgekaufte zweite Auflage von 1984, mit standesgemäßen Gebrauchsspuren. Man beachte die Sprudelwerbung auf der Umschlagrückseite, die ein Klischee traf: Radfahren galt damals als Hobby asketischer Geeks, die natürlich nur Wasser trinken – Genussartikel wie Bier oder Cola hätten dazu schlecht gepasst.
Der Titel „Mit dem Fahrrad durch das Umland von Frankfurt“ zeigt bereits, dass es nicht darum ging, durch Frankfurt zu fahren, sondern aus Frankfurt heraus und drumherum. Letzteres, eine Ringstrecke, ist in der Tat die Ur-Grüngürtelroute. Die hat mich damals (und auch heute) allerdings wenig interessiert, weil ich es nicht besonders spannend finde, um die Stadt herumzurollen. Wenn schon, dann bitte weiter weg.
Diesen Wunsch erfüllte das Buch: Es beschreibt 16 Touren von verschiedenen Punkten am Stadtrand, sternförmig aus Frankfurt heraus. Jede Tour wird auf mehreren Seiten behandelt. Die linke Seite des aufgeschlagenen Buchs zeigt den Beschreibungstext zum jeweiligen Streckenabschnitt, die rechte den dazugehörigen Messtischkartenausschnitt. Diese Anordnung und das Paperbackformat sind unterwegs sehr gut handhabbar, viel praktischer als Kartenfalterei ohne (wer hatte sowas schon?) Kartentasche.
Die Route ist grün eingezeichnet, mit ihrem Markierungsbuchstaben – im gezeigten Beispiel O für Otzberg. Diesen Markierungsbuchstaben fand man, etwa 6 cm hoch, an diversen Stellen der Route, mit Abbiegepfeilen. Harald hat sie in gelber Lackfarbe auf Bäume gepinselt – und sie mindestens 10 Jahre lang, teils mehrfach, „repariert“.
Dazu wurde mir von anderen die folgende Story überliefert: Harald wurde vorher beim hessischen Forstministerium vorstellig und ließ sich die Markierungen genehmigen. Alles korrekt und richtig gemacht – aber es funktionierte nicht wirklich: Offenbar hat das Ministerium die Autorisierung nicht „nach unten“ durchgegeben. Jahrelang ärgerten sich eifrige Förster über die gelben Zeichen und kratzten sie von den Bäumen – und Harald malte sie zwischenzeitlich immer wieder neu.
Das Büchlein war in den 80er Jahren weit verbreitet. An sonnigen Sonntagen waren auf den beschriebenen Routen erstaunlich viele Radfahrer unterwegs – und gefühlt jeder zweite hatte es dabei – in der Hand, am Lenker oder auf den Gepäckträger geklemmt.
Mit dem Fahrrad durch das Umland von Frankfurt war, zumindest in dieser Region, das erste Werk dieser Art, sozusagen zukunftsweisend. Damals gab es ja nichts anderes, weder Radkarten noch Tourenbeschreibungen.
Ich schreibe diesen Beitrag, um in nostalgischen Erinnerungen zu schwelgen. Ich bin 1982 vom Outo aufs Fahrrad umgestiegen. Zunächst als Alltagsverkehrsmittel (Hauptargument: privilegierter Parkplatz direkt vor jedem Ziel), dann auch für Campingtouren, etwa in den Spessart oder Rheingau.
Aber wie kommt man aus der Stadt heraus und wieder hinein? Mangels Radkarten und sonstiger Infos bewerkstelligte ich das notgedrungen auf stark befahrenen Hauptstraßen, die teils grauenhafte, oft gefährliche „Radwege“ hatten. Eine abschreckende Hemmschwelle, die ich dank diesem Buch überwinden konnte, auf ruhigen Strecken, fast durchgehend mehr oder weniger lauschigen Wald- und Feldwegen. Ein Beispiel, wie weit man so kommen konnte: Eines Tages verließ ich die Metropole auf der Otzberg-Route – um dann zum ersten Mal über die Alpen und bis in die Sahara zu fahren.