Man muss sich nicht alles gefallen lassen
Wer sich mit einem Firmenfahrzeug im Straßenverkehr rücksichtslos verhält, sollte das auch den Vorgesetzten erklären können – beschweren lohnt sich!
Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass gerade die Menschen besonders umsichtig im Straßenverkehr unterwegs sind, die am Fahrzeug gut sichtbar Werbung für ihren Arbeitgeber machen und beruflich auf ihren Führerschein angewiesen sind. Auch dürfte kaum ein Unternehmen ein Interesse daran haben, dass der eigene Name in Verruf gerät oder sogar mit schweren Unfällen in Verbindung gebracht wird.
Trotzdem kann man immer wieder erleben, wie man als radfahrender Mensch aus dem Auto heraus angehupt oder beleidigt wird oder Radwege kurzerhand zu Parkplätzen erklärt werden. Manche versuchen auch, unerwünschte Radlerinnen und Radler abzudrängen, obwohl diese (völlig legal!) auf der Fahrbahn fahren. Ein zunehmendes Problem ist zudem die Smartphone-Nutzung am Steuer, was nicht selten zu Fahrten im absoluten Blindflug führt.
Während die Anzeige von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten in diesem Bereich leider vor allem für die Statistik der eingestellten Verfahren gut ist, sind Beschwerden bei den betroffenen Unternehmen erfahrungsgemäß deutlich aussichtsreicher. Insbesondere bei größeren Unternehmen ist die Erfolgsquote recht hoch. Je nach verfügbaren Kontaktdaten kann man sich über die sozialen Netzwerke, die Pressestelle, den Vorstand oder das Fuhrparkmanagement an die Firma wenden. Auch bei Behörden lohnt es sich, die Vorgesetzten zu kontaktieren. Wenn die verantwortliche Person bei dem Unternehmen nicht im Internet auffindbar ist, kann ein Anruf bei der Zentrale weiterhelfen. Erfahrungsgemäß sind die Menschen dort hilfsbereit und etwas schockiert, wenn man z. B. von Beinaheunfällen erzählt und fragt, wohin man sich bei ihnen am besten wenden soll. Wichtig ist bei Beschwerden, dass man sachlich die Vorfälle beschreibt, damit die Menschen am anderen Ende den Fall nachvollziehen können – sie waren schließlich in der Regel nicht dabei und können nicht direkt etwas dafür. Das fällt je nach Situation nicht unbedingt leicht, tief durchatmen kann aber helfen.
Positive Beispiele für Beschwerden
gesammelt von Ansgar Hegerfeld
Beleidigung aus dem Auto heraus – Fahrer von Unternehmen gesperrt
Der Fahrer eines bundesweit aktiven Lebensmittel-Lieferdienstes blockierte erst einen Radweg, um sich selbst einen Snack an einem Kiosk zu besorgen. Nachdem er bemerkte, dass ein Radfahrer ein Foto von der Situation geschossen hatte, verfolgte er diesen mit dem Auto und beleidigte ihn während der Fahrt aus dem Fenster heraus. Nach einer Anfrage an die Pressestelle seines Arbeitgebers wurde der Fahrer komplett gesperrt und wird nicht mehr für das Unternehmen fahren.
Am Steuer ins Smartphone vertieft – Personalgespräch angekündigt
In einem anderen Fall fuhr ein Mitarbeiter einer Baufirma über mehrere hundert Meter mit dem Firmentransporter auf einer Frankfurter Hauptstraße – mit dem Blick und den Gedanken vollständig ins Smartphone vertieft, das er gut sichtbar in der rechten Hand hielt. So konnte er leider weder blinken noch in die Spiegel schauen, als er ungebremst wegen des Rückstaus vor sich nach rechts auf den Fahrrad-Schutzstreifen auswich. Dass sich dort gerade ein Radfahrer befand, hatte er nicht mitbekommen. Selbst die Schläge gegen die Seitenwand seines Autos bewogen ihn nicht dazu, den Blick vom Smartphone abzuwenden. Erst an der nächsten Ampel konnte er per persönlicher Ansprache dazu gebracht werden, seinen Fokus wieder auf die Dinge außerhalb des nach wie vor fixierten Displays zu richten. Dieser Vorfall wurde vom Fahrer gegenüber seinen Vorgesetzten eingeräumt, die ihre jährlichen Schulungen in diesem Bereich ausbauen wollen. Zusätzlich gab es natürlich entsprechende Personalgespräche.
Ausweichmanöver auf Radstreifen – Video-Nachschulung durch Vorgesetzte
Dasselbe Ausweichmanöver vollzog auch ein LKW-Fahrer, der auf dieser Straße erst über 700 m einen Radfahrer in Sichtweite vor sich hatte, ihn nach einer Weile überholte und anschließend ohne zu gucken und blinken nach rechts auf den Fahrrad-Schutzstreifen auswich. Der Radfahrer war in dem Moment fast auf derselben Höhe und schlug gegen den LKW, was der Fahrer allerdings nicht hörte (siehe Foto links). An der nächsten Ampel wurde der LKW-Fahrer zur Rede gestellt und gab an, dass er den Radfahrer gar nicht bemerkt hätte – die 700 m fuhr er also im völligen Blindflug, auch beim Überholen hatte er offensichtlich nichts mitbekommen. Außerdem sei der Radfahrer schwarz gekleidet gewesen, sodass er ihn nicht hätte sehen können. Dass der Radfahrer zwei Scheinwerfer und ein großes helles Rücklicht eingeschaltet hatte, spielte auch auf Nachfrage keine Rolle, obwohl der LKW-Fahrer sich entschuldigte. Das ist nett und nicht selbstverständlich, hätte aber einen weniger geübten Radfahrer auch nicht wiederbelebt. Da der Fall komplett auf der Fahrrad-Dashcam aufgezeichnet wurde, konnte nicht nur die ebenfalls vorgebrachte Schutzbehauptung des LKW-Fahrers widerlegt werden, dass er ungeplant einem anderen Autofahrer ausweichen musste, der ihn seitlich geschnitten hätte. Der Vorgesetzte konnte auch alle seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Video im Nachgang schulen und für das Thema sensibilisieren. Ihm war spürbar bewusst, wie gefährlich das Verhalten war. Außerdem wurde ein Personalgespräch geführt.
Abdrängen durch Hupen – Personalgespräch mit Androhung von Innendienst
Gute Erfahrungen bezüglich der Aufarbeitung haben wir mit einem großen bundesweit aktiven Dienstleistungskonzern im Gebäudemanagement gemacht. In einem Fall hatte einer der Fahrer u.a. versucht einen Radfahrer absichtlich mit seinem Firmenwagen seitlich abzudrängen, weil er der Meinung war, dass dieser nicht auf der Fahrbahn fahren dürfe. In einem anderen Fall hatte ein anderer Fahrer desselben Unternehmens versucht durch Hupen einen Radfahrer an den rechten Fahrbahnrand abzudrängen, weil er nicht noch wenige Sekunden mit dem Überholen warten wollte. In beiden Fällen gab es nach den Situationen noch kurze Gespräche vor Ort mit den Fahrern. Ersterer reagiert aggressiv und warf dem Radfahrer Straftaten vor, wollte aber gleichzeitig nicht die Polizei dazu holen. Zweiterer war bei der Ansprache sehr ruhig und entschuldigte sich sofort, meldete sich selbst aber trotzdem bei seinem Vorgesetzten, um der Beschwerde des Radfahrers zuvor zu kommen. In beiden Fällen wurde das Fehlverhalten durch die Fahrer eingeräumt, die Vorgesetzten entschuldigten sich für das Verhalten ihrer Mitarbeiter. Auch wurde seitens der Firma angekündigt, dass man Fahrer bei mehreren solcher Verstöße aus dem Außendienst abziehen wird und ihnen das auch in den bereits geführten Personalgesprächen angedroht wurde.
Ohne Blaulicht mit Lautsprecher bedrängt – Branddirektion verspricht Weiterbildung
Besonders vorbildlich reagierte die Frankfurter Feuerwehr bzw. die Branddirektion. Nach der Entfernung der Radfahrstreifen auf der Schloßstraße und der Einrichtung eines Überholverbotes versuchte die Besatzung eines Notarzt-Wagens (nicht im Einsatz) per Lautsprecherdurchsage einen Radfahrer in die gefährliche Türzone zu drängen, weil dieser Bereich als Fahrrad-Schutzstreifen fehlinterpretiert wurde. Das Team wollte unbedingt überholen, obwohl es anschließend an den diversen Ampeln geduldig warteten. Die persönliche Ansprache an einer der Ampeln blieb leider erfolglos. Als Reaktion auf die eingereichte Beschwerde wurde das Thema Türzone sowohl in den Schulungen des betreffenden Krankenhauses als auch in die Weiterbildungen der Branddirektion aufgenommen. Außerdem gab es eine Nachschulung bezüglich des sachgerechten Gebrauchs der Lautsprecheranlage. Fehler passieren, der Umgang damit ist aber am Ende entscheidend!
Frei erfundene Verkehrsregeln der Polizei – Nachschulung der Beamten angekündigt
Erfreulich war auch die Reaktion der Landespolizei in Frankfurt in einem Fall, bei dem zwei Polizisten der Wachpolizei versuchten frei erfundene Verkehrsregeln gegen einen Radfahrer durchzusetzen – per Lautsprecherdurchsage und einem danach folgenden und von Anfang an sehr aggressiv geführten Gespräch. Dass die Wachpolizei gar nicht für den Straßenverkehr, sondern den Schutz von Gebäuden usw. zuständig ist, wurde dabei gerne ignoriert. Behauptet wurde, dass Radfahrende Radwege grundsätzlich nutzen müssen. Dies würde ausnahmslos immer gelten, auch wenn der Radfahrer in eine völlig andere Richtung als der Radweg abbiegen wollte und sich daher auf der Fahrbahn entsprechend einordnete. Die Polizei entschuldigte sich später für das Verhalten sowie die falsche Rechtsauslegung ihrer Polizisten und hat die Beamten u.a. im Bereich der Straßenverkehrsordnung nachschulen lassen. Die vorgebrachten „Verkehrsregeln“ waren frei erfunden.
Meldung von aggressiven Taxifahrern
Immer wieder bekommen wir Beschwerden, weil sich Taxifahrer im Straßenverkehr rücksichtslos und gefährdend verhalten. Wer von einem Taxifahrer bedrängt oder anderweitig im Straßenverkehr angegangen wird, kann solche Vorfälle zukünftig einfach per E-Mail an verwarngeld@stadt-frankfurt.de melden. Videos können bei der Bearbeitung natürlich helfen.
Auslöser war ein von uns gemeldeter Fall, bei dem ein Taxifahrer einen Radfahrer vorsätzlich und mehrfach abdrängte und ausbremste. Der Fall war komplett auf Video dokumentiert, trotzdem wollte die kontaktierte Taxi-Konzessionsstelle des Ordnungsamtes zunächst nicht aktiv werden. Es folgte eine erfolglose Diskussion bzgl. der Zuständigkeiten zwischen den Abteilungen. Erst nachdem wir den noch recht neuen Amtsleiter des Ordnungsamtes um Unterstützung baten, konnten die Zuständigkeiten zügig geklärt werden und wir bekamen die nun gültige Anlaufstelle bei der Bußgeldstelle genannt. Dort werden dann die Personalien der fahrenden Person ermittelt und weitere Maßnahmen eingeleitet.