Radeln in toller Gemeinschaft
Die Radtour zur Michelstädter Musiknacht – eine persönliche Betrachtung
Die Musiknacht ist über ein Vierteljahrhundert Musik auf höchstem Niveau in einer historischen Kleinstadt. Obendrein ist eine Fahrt mit dem starken Radtourenplaner und -leiter Rainer Griga zusammen mit seiner Frau Eva immer ein besonderes Event.
Am letzten Samstag im Juni strömt die 11 Personen starke Gruppe zum Meeting Point am Darmstädter Hauptbahnhof. Auf die gute Vorbereitung von Tourenleiter Rainer im ADFC-Tourenangebot hin werden sie diesmal durch den Odenwald nach Erbach starten zum Besuch der Musiknacht, am zweiten Tag durch den hinteren Odenwald nach Miltenberg fahren, am dritten Tag im Maintal bis Alzenau und schließlich über den Spessart bis nach Lohr. Mit immer wechselnden An- und Abfahrten von und zum Veranstaltungsort Michelstadt ist diese Mehrtagesreise „Michelstädter Musiknacht“ im Frankfurter Tourenprogram eine Attraktion für die treuen Mitradler.
Erst einmal am Bahnhof eine kleine Vorstellung der 11 Mitfahrer miteinander: zuerst die langjährig hocherfahrene und liebenswerte Radlerin Gertrud, dann der etwas stille und allseits beliebte Peter und auch Uli, der hier in der Gruppe der Fahrer mit den meisten Eigenschaften eines Rennradlers ist, dann die engagierte Anette und ihr Partner Matthias, erfahrener GPS Nutzer und der vielleicht langjährigste Begleiter bei dieser Musikradtour. Auch mal wieder dabei ist die stets freundliche Doris mit ihrem ebenso freundlichen Mitfahrer Reiner. Neu bei Michelstadt ist diesmal Rainer (der 2.), der erfahrenste Rundum-Radexperte in der Gruppe, der eigenständigste Mitfahrer im Team und seinerseits erfahrener Radtourenleiter auch im Odenwald und Spessart. Bereits eine Woche später wird er Tourenleiter einer Tagestour Bayerischer Spessart mit 135 Streckenkilometern und 1100 Höhenmetern sein. Neu unter Rainers Tourenleitung sind auch Angelika und Carsten, die gute Stimmung und Power mitbringen. Bald wird mir bedeutet, der Senior zu sein, aber da ist ja zum Glück auch eine starke ältere Teilnehmerin schon bestens ins Team eingegliedert.
Die größte Herausforderung gleich am ersten Tag
Eva und Rainer stoßen zuletzt dazu und pünktlich um 9:15 Uhr startet Rainer mit all diesen erwartungsvollen Menschen zunächst eine kurze, aber feine Darmstadtbesichtigung über den Luisenplatz und via Hintereingang des Stadtparks zur Mathildenhöhe und dem Rosengarten. Die nachfolgende Strecke in den Odenwald kennt der noch nicht lange pensionierte Tourenleiter bestens. Die Strecke ist attraktiv und bei diesem tollen Start kommt jetzt bereits die erste Begeisterung für das Radeln auf. Aber der erste Tag soll auch noch die größte Herausforderung der gesamten Tour bieten bei mehr als 60 Tageskilometern mit insgesamt 700 tatsächlich gefahrenen Höhenmetern hinauf nach Erbach. Odenwald und Spessart sind nicht flach, sondern werden eben zu den Mittelgebirgen Deutschlands gezählt.
Unter sengender Sonne schwächeln wir im kleinen Kreise einiger in Bergfahrten ungeübten Radler ohne Pedelec und müssen uns bei den Anstiegen anstrengen. Auch die fünf Pedelecfahrer in der Gruppe finden – allerdings mit entschieden weniger Anstrengung – ebenfalls Gelegenheit, sich im Gelände einzufahren. Für mich rächt sich hier mein geringes Hügeltraining und bei einem Anstieg nach dem anderen entwickelt mein linkes Bein Krämpfe. Das hatte ich noch nie und nach vorangehender Magnesiumeinnahme war das meinem Bein eigentlich verboten. Während ich mit dem rechten Bein auszugleichen versuche, wartet die Gruppe geduldig. In Erbach dann wird nicht eilig die Hotelanfahrt, sondern die sofortige Einkehr am Schloss abgestimmt, denn mancher Mitfahrer braucht jetzt dringend Nasses mit Mineralien.
Als wir gut eine Stunde später in letzter Minute noch den Bus von Erbach nach Michelstadt erreichen, ist auch die Sonne schon kein großes Problem mehr und anschließend macht die Musik in Michelstadt alle Radelqualen vergessen und wandelt sie in puren Musikgenuss. Zumeist sucht jeder Teilnehmer sich sein Programm aus evtl. in kleiner Gemeinschaft und besucht im Laufe des Abends etwa vier Veranstaltungen à 35 Minuten, wobei auch noch der Besuch eines schönen Restaurants von den meisten eingebaut wird. Musikalisch werden die unterschiedlichen Vorlieben bedient. Mir hat die russische Emigrationsfamilie des Exprompt Quartetts mit ihren Musikrichtungen bis hin zum Klezmer am besten gefallen.
Rechtzeitig kommen wir zur Bierverkostung der Brauerei
Geräumige Zimmer und das hervorragende Frühstück in Erbach tragen bei zur besten Laune für den zweiten, kürzeren Fahrtag nach Miltenberg. Nach mäßigen Anstiegen erleben wir heute eine lange Abfahrt durchs Otterbachtal, sodass an diesem Abend alle Teilnehmer, ob mit Tourenrädern oder auch schweren Pedelecs, mit Bravour als „sturzsicher auf Schotterwegen“ getestet sind. Vorbei an den Schönheiten der Miltenberger Altstadt mit ihrer Burg, ihren Gassen und einer sehenswerten Radausstellung – als Vorbereitung auf die bayerische Radrundfahrt – eilen wir alsbald zum zweiten Übernachtungshof. Ein Stündchen später kommen wir rechtzeitig zur Bierverkostung in die Brauerei Faust, die übrigens vom Frankfurter ADFC auch bereits vom beliebten Bieradlon ebenso wie der vielseitigen Gruppe der Radfreunde (Teams von Frankfurt und Erfurt) angesteuert worden sein soll. Bei der Brauerei bietet Roswitha in ihrer Führung („wir sagen Du zueinander“) statt Saufen ohne Ende ein sehr persönliches, faires Besichtigungsangebot zu Gärung und Bierherstellung und der eine oder andere Biergenuss ist eine echte Geschmacksentdeckung. Dabei erscheint im kurzen Video Brauereileiter Faust in strahlendem Glanz mit seinen erfolgreichen Unternehmensentscheidungen und der im Werbefilm gezeigten großen Wertschätzung des Radelns. Gibt es wohl einen anderen Videofilm für Autofahrer mit anderer Werbewertschätzung?
Alle unsere Tourenteilnehmer treffen sich alsbald im Restaurant neben der Brauerei beim herrlichen Blick auf den Main und wir bleiben bis zum Sonnenuntergang. Im teilweise schön erneuerten Miltenberg scheint inzwischen sogar Bier vor Wein zu gehen, was bis in die Umgebung Miltenbergs in viele Restaurants ausstrahlt. Am nächsten Morgen wird unsere bereits gute Laune durch ein sehr vielseitiges, leckeres Frühstück nochmals gefördert.
Bei der Weiterfahrt über Klingenberg mit Abstecher ins Seltenbachtal zu einer kleinen Wanderung – eine tolle Idee von Rainer ! – nimmt uns das Radeln wieder langsam in Anspruch und eine abwechslungsreiche Streckensuche am Main bestimmt den weiteren Tag bis Aschaffenburg mit anschließendem Anstieg nach Alzenau zur dritten Übernachtung in der „Krone“. Das etwas luxuriöse Hotel hilft über die Strapazen, aber die teilweise nicht klimatisierten Zimmer konnten auch zur neuen Herausforderung werden. Und schon wieder sorgt ein prächtiges Frühstück auf der Terrasse des schicken Hotels für gute Laune!
Die vielleicht längste Abfahrt in meinen Erinnerungen
Der letzte, dieser vierte Tag, soll ja für uns Radler ein ganz harter Brocken werden. Kaum mag Rainer darüber ein Wort verlieren, aber wir NormalfahrerInnen kämpfen uns mit aller Kraft den ewigen Anstieg im Spessart über Schotterwege weit hinauf bis zur hochgelegenen Autostraße, um uns von dort in sofort wieder genussvoller Abfahrt bis hinab an den Main fallen zu lassen – die vielleicht längste Abfahrt in meinen Erinnerungen durchs Aubachtal und über Wiesthal nach Krommenthal. Nach weiteren 10 Kilometern unten am Main ist das schöne Lohr erreicht und wir genießen – etwas erleichtert und hoch erfreut – die Abschlusseinkehr, bevor uns die Deutsche Bahn nach Hause trägt.
Bei dieser erlebenswerten Radtour liegen Hitze, Anstiegsqualen und Genuss, ebenso wie Problemchen und tolle Gemeinschaft nahe beieinander und zusammen mit dem engagiert-angestrengten Tourenleiter und seiner entspannten Partnerin sowie mit dem vielfältigen Musik- wie Radstreckenprogramm haben wir eine bleibende schöne Erinnerung gewonnen.