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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

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Leserbriefe

Eher wenig Bewegung
Zum Artikel „Unfallstatistiken – und was man daraus lernen kann“ aus frankfurt aktuell 6/2004

Zu dem Gefahrenpunkt am Nibelungenplatz – Bilder 1 und 2 im Artikel – fällt mir einiges ein. Vor allem, dass die ADFC-Kritik an diesem, offensichtlich vernunftsfremd auf dem Reißbrett als solchen geplanten Unfallschwerpunkt, nicht gerade neu ist.

Während meines Fachhochschulstudiums, Anno 1989 bis '93, musste ich diesen Wie-klaut-man-Radfahrern-augenzwinkernd-die-Vorfahrt-Zickzackparcours ein paar tausendmal durchfahren. Dabei gab es mindestens ein paar hundert Beinahunfälle – jedenfalls aus Sicht der abbiegenden Autofahrer, die mit radierenden Reifen an der Fahrradfurt (viele auch erst darauf) notbremsten. Sie konnten ja nicht wissen, dass ich erstens nicht so lebensmüde bin, mich auf Radwegvorfahrt zu verlassen, sie zweitens im Augenwinkel beobachtet hatte und least not last über wirksame Bremsen verfügte, mit denen ich sogar umgehen konnte. Was damals viel ungewöhnlicher als heute war. Ich benutzte die Bremsen täglich. Nicht, um mich am Schrecken der Autofahrer zu weiden, die mich ansonsten glatt umgefahren hätten – sondern, um diesen didaktisch zu nutzen: Sie sollten begreifen, dass dort eine Zickzack-Radwegfurt für den Geradeausverkehr versteckt ist, und sie sollten sich das gut einprägen. In der Hoffnung, das es leichtsinnigeren Radfahrern (solchen, die glauben, dass auf Radwegen Verkehrsregeln eingehalten werden) nützt. Immerhin hatte ich den Eindruck, dass der Anteil der Vorfahrtmissachter im Lauf der Zeit etwas abnahm.

Anno 92'/93 (genauer weiß es nicht mehr) wurde dann ein ADFC-Aktiver umgefahren, der sich erstaunlicherweise auf seine Vorfahrt verlassen hatte. Die herbeigerufene Polizei hielt ihn zunächst für den Unfallschuldigen. Schließlich gebe es hier keinen Radweg, das sei ja wohl eine Schutzbehauptung ... auch daran merkt man: Die Planung war (und ist) ein voller Erfolg. Der Betroffene sorgte für Presse (nach meiner Erinnerung wurde auch darüber geschrieben) und ein Happening besonderer Art: Drei oder vier „Stunt-Rider“ erzeugten ein paar Dutzend Beinahunfälle (Rezept siehe oben) im Akkord, um sie rationell auf Video zu dokumentieren. Den Action-Streifen zeigten wir auf einer Konferenz (ob die sich nun KEBU nannte oder nicht, habe ich mir nicht gemerkt), an der Vertreter von diversen Ämtern, der Polizei und des ADFC teilnahmen. Man war sich einig, dass diese Verkehrsführung gefährlich ist und so nicht bleiben darf. Darum wollte sich der damalige Fahrradbeauftragte „im Rang eines Abteilungsleiters im Baudezernat“ kümmern. Als ich später telefonisch nachfasste, versprach dieser eine unverschwenkte, gerade, mit Blockmarkierungen deutlich auf der Fahrbahn gekennzeichnete Führung. Weiteres: Ich kümmerte mich nicht mehr drum, der Fahrradbeauftragte wechselte den Job, der besagte ADFC-Aktive zog aus Frankfurt weg ...

Anno 97 kam die StVO-Novelle mit Mindestanforderungen für benutzungspflichtige Radwege. Diese (u. a. „stetige Führung“) erfüllte der hausgemachte Gefahrenpunkt zwar nicht, aber die blauen Schilder blieben hängen und auch sonst blieb alles wie gehabt.

Und nun, in diesem Jahrtausend, hat man dort also einen Unfallschwerpunkt entdeckt. Ich kann nur empfehlen, da dranzubleiben und die gewöhnliche Trägheit der Zuständigen zu überwinden. Das erfordert evtl. jahrelange, kontinuierliche Arbeit. Dabei wünsche ich als Ex-Aktiver Erfolg – hoffentlich noch in diesem Jahrtausend.

Womit ich allerdings wenig anfangen kann, ist Zweckoptimismus wie „Es geht voran!“ oder „Unsere Erfahrungen mit Ämtern sind durchaus gut.“ Schließlich ist dies nur ein konkretes Beispiel unter vielen, dass sich in Frankfurt oft jahrzehntelang „eher wenig“ bewegt.

Rainer Mai

Zu „Naturfreund trotz Bodenversiegelung“, frankfurt aktuell 6/2004
Lieber Stefan Pohl, liebe Leser,

eigentlich gedachte ich ja schon diese Diskussion zu beenden, zumindest für mich, aber Dein o. a. Leserbrief drängt mich nun doch wieder zu einer Antwort.

Vermutlich wird man mir Radikalismus vorwerfen, aber ich denke, dass man in der heutigen Zeit einfach kein Naturfreund mehr sein kann, wenn man für zusätzliche Bodenversiegelung eintritt. Dazu ist bereits viel zu viel Boden versiegelt.

Obwohl es jede Menge Konversionsflächen gibt und die Bevölkerungsentwicklung stagniert, „müssen“ immer mehr neue Flächen Gewerbeansiedlungen und Wohnungsbau gewidmet werden. Gerade auch in Frankfurt finden sich dafür eine Menge Beispiele. Das betrifft auch den Bau von Verkehrswegen.

In unserem Fall (ich finde es immer gut, sich mit konkreten Beispielen zu befassen, auch wenn Du es ablehnst) wäre es leicht machbar gewesen, entweder den Radweg oben an der Straße zu sanieren und ggf. zu verbreitern. Das Fahren dort wäre auch den Radfahrern zumutbar gewesen, da sie es ohnehin nur an Tagen mit oder nach Regenwetter hätten tun müssen (und so oft regnet es hier auch nicht). Der „Nachteil“ dieser Lösung wäre natürlich gewesen, dass die Radfahrer den Autofahrern in die Augen gestochen, sie an solch umweltfreundliche Fortbewegungsarten erinnert und ihnen vielleicht ein wenig Raum genommen hätten (was in meinen Augen alles positiv gewesen wäre).

Stattdessen wird die schlimmstmögliche Lösung der Asphaltierung eines Parkweges ergriffen, weil ja all die eben angeführten Punkte in den Augen von Planern und Politikern leider durchaus nicht freundlich gesehen werden. Die Aufgabe von wahren Naturfreunden wäre es nun gewesen, gegen die Bodenversiegelung zu kämpfen und die genannten Alternativen in den Planungsprozess einzubringen. Allem Anschein nach ist das nicht geschehen. Im Gegenteil klatschen diese Pseudo-Naturfreunde auch noch Beifall und behaupten, sie seien trotzdem richtige Naturfreunde.

Dass es auch wesentlich schlimmere zusätzliche Bodenversiegelungen gibt und weiterhin welche in Planung sind (man denke nur an den neuen Bundesverkehrswegeplan), ist für mich kein Argument. Ich schrieb es schon, für jedermann ist seine Bodenversiegelung gut und unbedingt notwendig, genauso wie seine Autofahrten gut und unbedingt notwendig sind (obwohl mindestens zwei Drittel das objektiv nicht sind). Außerdem kann sich nach diesem Motto ja jeder sagen, sein jeweiliger Anteil sei so gering, der mache doch gar nichts aus. Dummerweise sagen das nur alle anderen auch – und machen damit alles kaputt.

Dein Optimismus in allen Ehren, aber es gibt Untersuchungen (z.B. Haushalte ohne Auto*), dass komfortablere Radwege, ebenso wie solche Fußwege, keinen wesentlichen Einfluss auf das Mobilitätsverhalten haben, insbesondere nicht auf das von Autofahrern. Eher findet schon ein Austausch innerhalb des  Umweltverbundes statt, was ja nicht vorrangig das Ziel sein kann. Grundlegend beim Mobilitätsverhalten sind eher Erziehung, Vorbilder und angelerntes Verhalten.

Den Autofahrern, und damit der neuerlichen großflächigen Versiegelung von Asphaltbahnen, könnte nur durch restriktive Maßnahmen zu Leibe gerückt werden (Verschwinden lassen von Park-/Stellplätzen, Nehmen des Vorrangs im Verkehr, Verteuerung usw.). Meine Hoffnung besteht dabei in einem möglichst schnellen und hohen Anstieg des Ölpreises, wobei die so genannten alternativen Kraftstoffe hoffentlich nicht, mindestens nicht im nötigen Ausmaß, zur Verfügung stehen werden, denn diese beseitigen viele Probleme auch nicht (unter anderem eben das der Bodenversiegelung).

Mit Deinem letzten Absatz hast Du übrigens fast völlig Recht. Wahrscheinlich werden wir aber kein Geld für einen Rückbau brauchen, denn wenn wir dereinst so weit sein werden, wird sich die Natur langfristig schon das Ihre zurückholen. Ist das nun eine hoffnungsvolle oder eine grauenhafte Vision? Nun, jedem die seine.

'Peter Preisendörfer/Maren Rinn: Haushalte ohne Auto - Eine empirische Untersuchung zum Sozialprofil und zur Mobilität autofreier Haushalte', Leske + Budrich, Opladen 2003, 184 Seiten.

Mit freundlichen Grüßen

Hans-Peter Heinrich

17.01.2005 I ADFC Frankfurt am Main e. V. |