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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Frankfurt 2030
Albert Speer will das Fahrrad in Frankfurt zur Mobilitätsoption Nr. 1 machen


"Expressrouten" sollen den Radverkehr attraktiver machen. Grafik: AS&P

Erinnert sich noch jemand an Bernhard Winkler, den „Zauberer von Bologna“, an die Winkler-Studie „Mobilität und Stadtraum“, die er im Auftrag des rot-grünen Magistrats Anfang der 90er-Jahre vorgelegt hat?

Der Radverkehr spielte darin so gut wie keine Rolle und in seinen Äußerungen mokierte Winkler sich über „Fahrradautobähnchen“, die zunehmend in Mode kämen.
Der ADFC schrieb anlässlich der Vorstellung des ersten Teils seines Gutachtens im September 1991 (ADFC Frankfurt aktuell Heft 9/1991):

„Warum sind wir trotz allem der Meinung, dass Prof. Winklers Konzept den Radfahrer/ innen nützt?
Winklers Gutachten hat schon jetzt eine Diskussion angestoßen, die so bisher nicht möglich war. Es wird nicht mehr gefragt, ob der Autoverkehr in der Stadt reduziert werden muß, sondern nur noch wie. Selbst die Gralsritter des Automobilismus können es sich nicht erlauben, Prof. Winkler nach altbewährtem Muster der Verteufelung des Autos zu beschuldigen. Unversehens sind sie eingebunden in die Diskussion. Darin liegt die Chance, die das Gutachten eröffnet.“
Zur selben Zeit wurde in gemeinsamer Arbeit des ADFC Frankfurt und des Bonner „Büros für integrierte Stadt- und Verkehrsplanung“ auch die Frankfurter Radverkehrskonzeption erarbeitet, die Ende 1992 vom Stadtparlament beschlossen wurde und seitdem die Leitplanung für den Radverkehr in Frankfurt ist.
Winkler ist heute vergessen, auch wenn einige seiner damaligen Vorschläge Eingang gefunden haben in die Frankfurter Stadtplanung oder – wie der Autotunnel unter dem nördlichen Mainufer – als Untoter noch immer durch die verkehrspolitische Debatte geistert.

Die Radverkehrskonzeption aber ist höchst lebendig, auch wenn 16 Jahre nach dem Start des Projekts ganz sicher ein „Facelifting“ nötig ist und das Tempo der Umsetzung noch immer Wünsche offen lässt.

Nun also „Frankfurt für alle“
Schon ein oberflächlicher Vergleich der beiden Studien zeigt die Riesenfortschritte in der Diskussion über den Beitrag des Radverkehrs zur Lösung der Mobilitätsprobleme in Frankfurt. Bei Winkler musste man noch mühsam nach den wenigen, noch dazu wenig ergiebigen „Stellen“ suchen, wo der Radverkehr zumindest erwähnt wurde. Konzeptionell spielte er keine Rolle. Ganz anders bei Speer. Die „Fahrradstadt Frankfurt“ ist nun ein eigenständiges Handlungsfeld, welches immerhin ein Drittel der Seiten zum „Kernthema Mobilität“ einnimmt.
Der eigentliche Verdienst der Studie liegt aber woanders. Hier werden – meines Wissens erstmals – die verschiedenen Diskussionen über Umwelt, Städtebau, Verkehr und Freiraumgestaltung in Frankfurt zusammengeführt, zueinander in Beziehung gesetzt. Angesichts noch immer bestehender Gräben zwischen Städtebauern, Verkehrsplanern und Umweltschützern auch in der Frankfurter Verwaltung kann man diesen Aspekt nicht hoch genug bewerten.
In der öffentlichen Wahrnehmung waren es vor allem die „Expressrouten“ für Radfahrer, die die Zeitungsspalten füllten. Noch interessanter vielleicht als die Ausführungen zum Radverkehr sind die Schwerpunkte, die die Speer-Studie bei anderen Themen setzt, etwa

  • im „Fokus 1 – Lebensqualität“ mit den Kernthemen „Wohnen“ oder „Straßen, Plätze, Öffentlicher Raum“.
  • Im Fokus 4 – Umwelteffizienz, der neben dem Kernthema „Mobilität“ auch die Kernthemen „Nachhaltiger Städtebau“ und „Freiraum“

Dabei findet sich in dem Papier nichts, was nicht von Anderen schon oft und immer wieder gesagt wurde. Aber es kommt halt auch darauf an, wann etwas gesagt wird und wer es sagt. Albert Speer findet Gehör, auch wenn er Sachen sagt, die anderen postwendend um die Ohren gehauen würden.
Beispiele gefällig?

  • Tempo 30 stadtweit, auf Grundnetzstraßen auch, wenn dort eine Buslinie verläuft.
  • Shared Space als Leitprojekt, auch für Straßen in der Innenstadt.
  • Konsequente Parkraumbewirtschaftung in der Innenstadt und allen innenstadtnahen Wohnvierteln.
  • In den Stadtteilen Bau von Quartiersgaragen bei gleichzeitiger Reduzierung der Parkflächen im Straßenraum.
  • Expressrouten“ für den Radverkehr, die ein schnelles Vorankommen auch über größere Entfernungen möglich machen.

Winklers Studie kostete die Stadt Frankfurt damals sehr viel Geld. Die Speer-Studie wurde privat finanziert. Die Liste der Sponsoren liest sich wie ein „Who is Who“ der Frankfurter Wirtschaft. Zu den Finanziers gehören die Industrie- und Handelskammer, die Handwerkskammer, Finanzdienstleister, Investoren und Börsianer.

Gerade das macht die Inhalte der Studie so interessant.
Eine Stellungnahme zu den 250 Seiten kann hier und heute nicht geleistet werden. Die größte Gefahr ist bei solchen Projekten ohnehin immer, dass ihre zukunftsorientierte Antriebskraft sofort von denen, die heute handeln (müssen) mit all dem Ballast behängt wird, der die sprichwörtlichen Mühen der Ebene so kraftraubend macht.

An einer detaillierten Analyse, gerade auch unter dem Aspekt der Hemmnisse, die den Aufbruch in die Zukunft immer wieder zum Schritttempo zwingen, führt aber kein Weg vorbei. Der ADFC wird die Ergebnisse im Rahmen eines „Neustarts“ der Internetseiten zum Thema Verkehr in den nächsten Wochen „online“ zur Verfügung stellen und mit den Beteiligten in Politik und Verwaltung diskutieren.
Ich wollte, es wäre schon fertig, seufz!

Fritz Biel

Mehr Infos zur Speerstudie unter: www.frankfurt-fuer-alle.de

8. 3. 2009 I ADFC Frankfurt am Main e. V. |