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Bad Vilbel/Karben
Radverkehrskonzept Bad Vilbel und Radschnellweg FRM 6
Fortschritt braucht Dialog und Expertise
Das große Engagement aller an der Fortschreibung des Radverkehrskonzepts für Bad Vilbel Beteiligten wird von der lokalen CDU, die in der Koalition mit der SPD die städtische Verkehrspolitik bestimmt, durchaus gewürdigt. Besonders erfreulich, so die CDU in einer Pressemitteilung vom 4. September des Jahres, sei die konstruktive Zusammenarbeit von Fachleuten, externen Planungsexpert:innen und vielen Bürger:innen, die der Mobilitätswende neuen Schwung verleihen sollten.
Positiv sehen viele Bürger:innen beispielsweise die geplanten neuen Abstellanlagen. Gleichwohl sind die im Spätsommer vom Stadtparlament beschlossenen Änderungen an dem von der renommierten Frankfurter Planungsgesellschaft RV-K im Auftrag der Stadt erstellten Entwurf der Fortschreibung kritisch zu bewerten. Das betrifft Anpassungen von Prioritäten ebenso wie Streichungen von Maßnahmen zu verkehrsrechtlichen Verbesserungen mit der Begründung zu hoher Kosten. Aus der Sicht der Betroffenen sind nicht nur großangelegte, sondern auch kleine und schnelle Maßnahmen wie etwa Fahrradpiktogramme auf der Fahrbahn der verkehrsreichen Hauptachsen für eine sichere Radmobilität und ein gutes Miteinander sinnvoll und notwendig. Nicht zuletzt auch das Thema Schulwegesicherheit scheint in den Reihen der CDU-SPD-Koalition nicht das notwendige Gewicht zu besitzen.
Ein zentraler Punkt für Radfahrende und Expert:innen ist die Frage der Wertschätzung von Fachkompetenz: Die Empfehlungen des unabhängigen Planungsbüros und zahlreicher Bürger und Bürgerinnen sollten bei der Umsetzung weiterhin Gewicht haben. Die politischen Entscheider:innen sind eingeladen, auf das Wissen und die Erfahrungen aus der Praxis zu setzen und wissenschaftliche Erkenntnisse ernst zu nehmen und zu berücksichtigen. Eine Mobilitätswende gelingt nur gemeinsam, im Wege eines offenem Austauschs und auf einer soliden wissenschaftlichen Grundlage – für mehr Sicherheit und Lebensqualität in Bad Vilbel.
Ein weiterer bedeutender Aspekt: die geplante Führung des Radschnellwegs FRM 6 in Bad Vilbel, der bereits seit mehreren Jahren immer wieder für Diskussionen sorgt. Der FRM 6 ist als schnelle, sichere und möglichst separierte Trasse direkt für Radelnde vorgesehen, die auf der Strecke zwischen Butzbach und Frankfurt pendeln. Gerade auch hier zeigt sich, wie entscheidend eine objektive Bewertung durch Verkehrsexpert:innen ist: Der aktuell favorisierte Streckenverlauf in Bad Vilbel führt zu großen Teilen mitten durch die Stadt und weicht von den Qualitätsstandards des Landes Hessen deutlich ab. Eine echte Radschnellverbindung stellt sich als eine breite, steigungsarme und von anderen Verkehrsarten getrennte Route dar, wie es die Musterlösungen des Landes vormachen (siehe Kasten). Dermaßen attraktiv gestaltet, bietet sie die bestmöglichen Anreize zum Umstieg vom Auto aufs Fahrrad.
Radfahrende und Fachverbände beobachten kritischen Auges, wie die Kommunalpolitik die Sinnhaftigkeit einer Radschnellverbindung versteht und inwieweit sie die betreffenden Anforderungen berücksichtigt. Die Einhaltung der Qualitätsstandards des Landes ist nicht nur eine Fördervoraussetzung, sondern entscheidend für den Erfolg der Mobilitätswende. In den Reihen von Bürgern und Bürgerinnen und unabhängigen Expert:innen besteht daher die klare Erwartung, dass die Machbarkeitsstudie und die Empfehlungen von Verkehrsplanenden bei der weiteren Gestaltung und Umsetzung der FRM 6 wirklich ernst genommen werden – damit aus einem ambitionierten Projektplan tatsächlich eine sichere und zukunftsweisende Verbindung folgt. Michael Görg
Radschnellverbindung, markiert mit Zeichen 350.1 laut StVO – hier ein Beispiel in der Nähe von HeilbronnPeter Sauer
Hintergrund:
Kriterien für einen Radschnellweg
(eine Radschnellverbindung – RSV)
• Um eine durchschnittliche Reisegeschwindigkeit von 20 km/h zu erreichen, sollen RSV direkt geführt werden und mit hoher Oberflächenqualität sowie mit ausreichenden Breiten, die das Nebeneinanderfahren und Überholen sowie das störungsfreie Begegnen ermöglichen, ausgestattet sein.
• Die Entwurfsgeschwindigkeit (das heißt die rechnerische Geschwindigkeit für die Bemessung beispielsweise der Kurvenradien) soll bei 30 km/h liegen.
• An Knotenpunkten sollen RSV vorwiegend bevorrechtigt sein und so eine Fahrt mit möglichst geringen Verlustzeiten ermöglichen. Das bedeutet, dass die mittleren Zeitverluste pro Kilometer durch Anhalten und Warten nicht größer als 15 Sekunden (außerorts) und 30 Sekunden (innerorts) sein sollen.
• Steigungen sollen möglichst unter 6 Prozent liegen, und „verlorene Steigungen“ sollen vermieden werden. (Verlorene Steigung: bewältigter Anstieg, der im weiteren Verlauf durch Bergabführung wieder verloren geht.)
• Eine grundlegende Trennung von Rad- und Fußverkehr wird angestrebt.
Quelle: Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum (Hrsg.), Radnetz Hessen. Qualitätsstandards und Musterlösungen, 2. Auflage, November 2020














