Ü1
Reiseerlebnis in
grandioser Bergwelt
Mit Fahrrad und Bahn in 4 Tagen vom Bodensee zur Zugspitze
Am verlängerten Himmelfahrtswochenende Ende Mai/ Anfang Juni fuhr eine kleine Gruppe unter der Leitung von Jens Zukunft mit dem Fahrrad vom Bodensee über das Engadin bis zum Fuß der Zugspitze. Um daraus keine überlangen Etappen auf Tour-de-France-Niveau werden zu lassen, wurden längere Distanzen über einige der schönsten Bahnstrecken Mitteleuropas zurückgelegt.
Nachdem bei der Erstauflage dieser Radreise 2024 (ebenfalls um den Monatswechsel Mai/ Juni) alle Plätze ausgebucht waren, hatte dieses Jahr die Gruppe mit vier Teilnehmern (inklusive Jens) eine überschaubare Größe. Vielleicht wurden potenzielle Interessenten von der Radreisepräsentation im Oktober 2024 abgeschreckt. Bilder von Eis und Schnee, durchgefrorenen Radelnden sowie Berichte über überflutete Bahnstrecken und Chaos bei der Rückreise waren vielleicht Anti-Werbung für diese Reise. Optimistisch, dass das Wetter nicht noch einmal so schlecht werden kann, meldeten sich drei wagemutige Radler für die 2025er-Edition dieser Reise an. Und sie sollten bezüglich des Wetters nicht enttäuscht werden.
So trafen wir uns am Morgen von Christi Himmelfahrt (oder auch Vatertag) morgens um 7 Uhr am Frankfurter Hauptbahnhof, um zum ersten Übernachtungsort Singen (Hohentwiel) zu fahren. Da es ab Karlsruhe einen durchgehenden Regionalexpress nach Singen gab, verzichteten wir auf den ICE und fuhren komplett mit Regionalzügen. Die ersten beiden Teilstrecken nach Mannheim und anschließend mit der S-Bahn nach Karlsruhe verliefen entspannt und problemlos. In Karlsruhe kam dann die erste Herausforderung des Tages: im überfüllten Zug mit Fahrtziel Konstanz die Fahrräder unterzubringen und einen Sitzplatz zu bekommen, wozu wir uns auf zwei Wagen aufteilen mussten. Nachdem Fahrräder im vollen Fahrradabteil platziert und Sitzplätze in der oberen Etage der Doppelstockwagen gesichert waren, konnten wir uns zurücklehnen und die Fahrt über die wunderschöne Schwarzwaldbahn von Offenburg nach Singen genießen. Die Strecke schraubt sich über weitgezogene Kehren und durch zahlreiche Tunnel bis auf 832 Meter über dem Meeresspiegel.
In Singen (ohne nennenswerte Verspätung) angekommen, bezogen wir unser Hotelzimmer und reduzierten das Gepäck auf den Bedarf für eine Nachmittagstour. Diese bestand aus einer Umrundung des westlichen Bodensees (Untersee genannt). Bei bewölktem Himmel, aber angenehmen 20°C und ohne Regen, wurde der Bodensee bei Radolfzell erreicht. Von dort radelten wir gegen den Uhrzeigersinn am Ufer entlang und erreichten nach ca. 25 Kilometern Stein am Rhein mit seinen bunt bemalten Hausfassaden und somit das erste Mal die Schweiz. Auf einem hervorragend ausgebauten und asphaltierten Radweg legten wir mit vielen Blicken auf den See die 30 Kilometer nach Konstanz mühelos zurück. Nach Besichtigung der Altstadt und des Hafens aßen wir zu Abend und fuhren anschließend mit dem Zug nach Singen zurück. Im Hotel angekommen hieß es, schnell ins Bett zu gehen, da es am nächsten Morgen bereits sehr früh weiterging. Schließlich sollten nach einer mehrstündigen Bahnfahrt nach St. Moritz noch ca. 70 Kilometer mit dem Fahrrad zurückgelegt werden.
Mit der Bahn nach
St. Moritz
Am nächsten Morgen war die Abfahrt mit der Bahn bereits für 6:45 Uhr angesetzt, um gegen 12 St. Moritz erreichen zu können. Auf ein reichhaltiges Frühstück mussten wir dennoch nicht verzichten, da die Hotelinhaber dankenswerterweise auf unseren Zeitplan eingegangen waren und Frühstück für 6 Uhr vorbereitet hatten, was in diesem Hotel sonst nicht der Fall ist. Und so waren wir gut gestärkt rechtzeitig am Bahnsteig, um mit dem Regionalexpress nach Schaffhausen zu fahren, wo der Umstieg in Richtung Zürich problemlos bewältigt wurde. Nach der Abfahrt des Zuges folgte direkt das erste Highlight des Tages: ein Blick auf den imposanten Rheinfall bei Schaffhausen bei strahlendem Sonnenschein (der uns den ganzen Tag begleiten sollte). Nach dem nächsten Umstieg in Zürich in Richtung Chur folgten weitere landschaftliche Highlights: Während die Hügel am Zürichsee noch sanft geschwungen waren, wurde die Landschaft am kurz darauf folgenden Walensee das erste Mal alpin. Schroffe Bergwände, die bis zu 2300 Meter hoch sind, prägten den Blick aus dem Zugfenster, während die Bahn sich am Ufer des Sees entlangschlängelte. Wer jetzt glaubt, dass das schon das Highlight war, wurde aber bald eines besseren belehrt.
Nach dem letzten Umstieg in Chur ging es mit der Rhätischen Bahn über das UNESCO-Weltkulturerbe Albulabahn nach St. Moritz. Diese Bahnstrecke bietet alles, was das Eisenbahnerherz begehrt: enge Schluchten, zahlreiche Brücken und Tunnel, Ausblicke auf die Bergwelt. Am bekanntesten ist hier sicher das Landwasserviadukt, bei dessen Überfahrt man in einem weiten Bogen das Tal der Landwasser überquert, dabei auf eine senkrechte Felswand zufährt, um in dieser direkt in einem Tunnel zu verschwinden. Weitere Höhepunkte sind mehrere Kehr- und Spiraltunnel, die die Bahnstrecke künstlich verlängern, um die Steigung moderat zu halten. Und so erreichten wir mit vielen Eindrücken gegen 12 Uhr St. Moritz, um dort mit dem eigentlichen Zweck dieser Reise, dem Radfahren, zu beginnen.
Löwenzahn en masse und idyllische Bergdörfer
Auf den ersten Kilometern prägten Berge mit über 3000 Metern Höhe die Kulisse, während wir auf einem gut ausgebauten Radweg innabwärts durch das Oberengadin rollten. Beim Blick zurück öffnete sich nach einigen Kilometern der Blick auf den Piz Bernina, mit 4048 Metern Höhe der östlichste Viertausender der Alpen. Auf den folgenden Kilometern prägten blühende Löwenzahnwiesen das Bild. Die gelben Blütenteppiche erstreckten sich kilometerweit. Nach einigen Kilometern änderte sich das Bild: Das Tal wurde enger und der Weg führte nun im Hang stetig hoch und runter. Nach einer Kuchen- und Eispause in Zernez folgten die Hauptanstiege des Tages: Zunächst ging es rund fünf Kilometer aus dem Inntal hoch in das Bergdorf Guarda, das als eines der am besten erhaltenen Bergdörfer des Engadins gilt. Im Anstieg begegnete uns ein Hirte mit seinen Ziegen, die größere Lasten transportierten. Nach einer rasanten Abfahrt über Almwiesen folgte der zweite größere Anstieg des Tages in das Bergdorf Ftan. Die folgende Abfahrt führte über eine erstklassig asphaltierte Straße und mehrere Kehren direkt zur Jugendherberge in Scuol, dem Ziel dieser Etappe nach 71 Kilometern. Für eine Jugendherberge waren die Zimmer hervorragend ausgestattet.
Der nächste Tag wurde wieder von strahlendem Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen begleitet. Im Gegensatz zum Vortag führte der Weg nun deutlich häufiger am Inn entlang. Einige kurze Anstiege entschädigten mit Fahrten durch blühende Bergwiesen. Nach gut 20 Kilometern wurde die Zollstation in Martina erreicht, wo man auf die Via Claudia Augusta trifft, die hier in Richtung Reschenpass abzweigt. Auf den folgenden Kilometern verengte sich das Inntal zu einer Schlucht mit senkrecht aufragenden Felswänden und schließlich passierten wir die ehemalige Zollstation und Gerichtsstätte Altfinstermünz. Auf den folgenden Kilometern weitete sich das Tal deutlich und wir konnten ohne große Mühen und Steigungen innabwärts radeln. Auf den letzten Kilometern vor Landeck verengte sich das Tal erneut, aber über einen gut ausgebauten Radweg erreichten wir nach 73 Kilometern den Ort, wo das Ende der Etappe, aber nicht der Übernachtungsort war.
Denn nach einer Kuchen- und Eispause ging es mit dem Zug nach Seefeld. Während die Fahrt durch das Inntal recht unspektakulär ist, verläuft die Karwendelbahn von Innsbruck in der Steilwand des Karwendelgebirges, um bis nach Seefeld 600 Höhenmeter zu gewinnen. Dabei bieten sich zwischen den zahlreichen Tunneln weite Blicke über das tief unten liegende Inntal. Vom Bahnhof in Seefeld waren es nur noch wenige Meter bis zum Hotel.
Um die Zugspitze herum
Am letzten Tag der Radreise stand die Umrundung der Zugspitze auf dem Programm. Das Wetter war nicht mehr so freundlich wie die Tage zuvor, bis auf wenige Tropfen blieb es aber trocken bei weiterhin angenehmen Temperaturen. Von Seefeld ging es zunächst nach Leutasch. Anschließend hieß es, ca. 500 Höhenmeter am Stück hoch zur Ehrwalder Alm zu bewältigen. Dabei hatten wir stets die Südseite des Wettersteingebirges im Blick und nach einigen Kilometern konnten wir das erste Mal die Zugspitze erblicken. Schließlich fuhren wir mit einem beeindruckenden Bergpanorama über die Ehrwalder Alm, die steil abfallende Südseite der Zugspitze stets im Blick. Anschließend stürzten wir uns in die sehr steile und kurvige Abfahrt nach Ehrwald. Von dort, 500 Meter tiefer als die Alm gelegen, wirkte die Zugspitze noch imposanter.
Nach der Mittagspause rollten wir auf einem sehr gut ausgebauten Radweg durch das Loisachtal bis nach Garmisch-Partenkirchen, das wir nach 60 Tageskilometern erreichten, um anschließend von dort die Rückfahrt mit der Bahn anzutreten. Diese sollte insbesondere auf dem ersten Teil nach München zu einer Herausforderung werden, da der Zug sehr voll war. Nach Ankunft in München war noch Zeit für eine kleine Rundfahrt durch die Stadt, auf der Jens uns zum Englischen Garten führte, wo wir das angenehme Sommerwetter genießen konnten. Anschließend ging es zurück zum Bahnhof und mit dem ICE nach Frankfurt, der die Mainmetropole gegen 22 Uhr erreichte.
Fazit: Anders als im Vorjahr präsentierte sich uns das Wetter von seiner (nahezu) besten Seite. So konnten wir die grandiose Bergwelt in vollen Zügen (einige Male auch im Wortsinn) genießen. Die Kombination aus Radrouten mit einigen der schönsten Bahnstrecken Mitteleuropas bot ein einmaliges Reiseerlebnis.Richard Lohmann
Diese Reise findet voraussichtlich wieder im Juni 2026 statt.
6_2025 November/Dezember
Durch blühende Löwenzahnwiesen im Oberengadin, die Berge immer in Sichtweite
Holger Dietz (2)
Tourteilnehmer in Stein am Rhein. v.l.: Humberto Carrasco Ancochea, Holger Dietz, Richard Lohmann und Jens Zukunft
Spektaktulär: Zug der Rhätischen Bahn auf dem LandwasserviaduktJens Zukunft
6_2025 November/Dezember
Die Aussicht entschädigt für die Mühen des Anstiegs Richard Lohmann
mitte: Text
rechts: Text
gemeinsameUSchrift














