Skip to content

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main   

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

Artikel dieser Ausgabe

Ausgabe 3/2000   Mai / Jun.


Viele Höhen und Tiefen

Schwarzwald und Schweiz

4. Folge und Schluss

Es folgt hier jetzt die vierte Folge der Serie über die am 17.8.99 begonnene Reiseradtour mit Zelt durch den Schwarzwald und in die Schweiz. Im dritten Teil war ich am 14. Tag hinter Montreux im Rhonetal auf die Alpenpanorama-Route gestoßen und hatte beschlossen, diese Herausforderung anzunehmen.

Zweifel an dieser Entscheidung kamen bei mir gleich hinter Aigle auf, denn das heftigste "Warnschild", das ich bisher gesehen hatte, verhieß auf den nächsten 13 Kilometern einen Anstieg um sage und schreibe 1150 Höhenmeter. Je höher ich kam, desto spärlicher wurden Besiedlung und Kfz.-Verkehr. Dafür wurde die Landschaft romantischer und die seltenen Ausblicke eindrucksvoller. Irgendwann verließ mich die Kraft und es begann zu dunkeln. So schlug ich mich in ein Waldstück und baute in der mittlerweile vollkommenen Dunkelheit das Zelt auf und wusch mich in einem kalten Bergbach.

15.Tag: Irgendwo im Wald hinter Aigle bis Marly: 103 km

Morgens musste ich, da meine Wasservorräte erschöpft waren, entgegen meinen Gewohnheiten Wasser aus dem Bach für meinen Frühstückstee verwenden; geschadet hat es mir nicht. Wie sich herausstellte, war noch eine Dreiviertelstunde Anstieg zu bewältigen. Dabei war u.a. ein ab und zu nach außen durchbrochener Tunnel zu durchfahren. Oben kommt man aus dem Wald heraus und findet sich vor einer phantastischen Bergkulisse wieder. In ein Hochtal einfahrend, stand ich plötzlich vor einer gesenkten Schranke; daneben ein Schildhäuschen mit einem Soldaten darin. Der wollte mich doch glatt nicht durchlassen! Obwohl sich das Gespräch mit ihm schwierig gestaltete, da er nur Französisch sowie wenige Brocken Englisch sprach, setzte ich ihm so zu (dies sei doch eine offizielle Veloroute, ich sei doch hier Gast, was solle ich denn machen, ich hätte doch gerade so eine schwere Steigung hinter mir usw.), dass er mehrfach per Funk mit seinen Vorgesetzten verhandelte. Endlich wurde mir zugestanden, ich könne in ca. einer Stunde, während einer Schießpause, durch das Gebiet fahren, müsse aber in einer Stunde durch sein (was bei der Länge der Strecke kein Problem darstellen sollte). Während der Zwangspause befasste ich mich mit ein paar Rechnereien in Bezug auf einen Vergleich der beiden schwersten Velorouten Jura und Alpenpanorama. Dabei stellte sich heraus, dass die Jura-Route mit 15,85 Höhenmetern je Kilometer sogar schwerer als die Alpenpanorama mit 14,9 hm/km ist. Aus diesen Gedanken wurde ich gerissen, als sich von der anderen Seite der Schranke ein Reiseradler näherte. Wieso darf der da durchfahren und ich nicht?! Das war auch in einem Gespräch mit ihm nicht herauszufinden. Aber vielleicht, weil er Schweizer aus einem Dorf bei Solothurn war. Auf, wohl für das Militär, gut ausgebauter Strecke kam ich in dem wunderbaren Tal schnell voran. Am Wegesrand lagerten Soldaten neben ihrem Schießgerät. Mit einem Male fiel mir auf, wie mehrere von ihnen an einer Haubitze, oder so, herumfummelten. Da das Ding in meine Richtung zielte, war ich froh, als ich vorbei war. Und richtig! Als hätte ich es geahnt, knallte es kurze Zeit später hinter meinem Rücken. Ob diese Typen nichts von der Schießpause gehört hatten? Hatten die mich überhaupt wahrgenommen? Passiert ist zwar nichts, aber so etwas jagt schon den Adrenalinspiegel in die Höhe.

Wenige Kilometer weiter umrundete ich halb den Bergsee Lac de Honegrin, vorbei an einer Kaserne, wie ein Freizeitheim gelegen und an einer Talsperre. Im folgenden Montbovon traf ich zwei deutsche Reiseradler, die wie ich von der Jura-Route kamen, nun aber auf der Seen-Route, die hier kreuzte, weiterfuhren. Ich blieb auf der Alpenpanorama-Route. Aufgrund eines unklaren Wegzeichens bog ich bei Gruyeres falsch ab und kam so zu einer Besichtigung dieses schönen mittelalterlichen Ortes, so dass sich dieser Abstecher gelohnt hat. In Echarens gab es keinen Wegweiser, also fuhr ich geradeaus weiter, fand wieder Wegzeichen, folgte ihnen durch mehrere Orte und kam nach ..... Echarens! Offensichtlich fehlte in Echarens an einer Abzweigung, wo eine Baustelle war, ein Schild. Daher war ich eben in Gegenrichtung gefahren und musste nun wieder zurück. Ärgerlich tat ich das und beeilte mich, den Campingplatz in Marly zu erreichen. Unterwegs dorthin fuhr ich noch einmal in eine Sackgasse, weil ein Wegzeichen unklar auf ein Feld zeigte, während drei Richtungen möglich waren. Glücklicherweise war der falsche Weg bald zu Ende und mein nächster Versuch richtig, so dass ich doch noch ans Ziel kam.

16. Tag: Marly bis im Wald hinter Oberei: 94 km

Auf vielbefahrenen Straßen und durch die Fußgängerzone (wegen der Wegweiser!) durch Fribourg, das malerisch an den Hängen eines Tales liegt. Sodann in mitunter heftigem Auf und Ab durchs Berner Mittelland. Dank einer Baustelle war ich vor Thun gezwungen, auf einem anderen Weg in die Stadt zu gelangen. Das verschaffte mir das Problem, dass ich, als ich die Wegzeichen im Ort wiederfand, nicht wusste, in welche Richtung ich ihnen folgen sollte. Prompt wählte ich die falsche Alternative, was mir erst ein Stück außerhalb klar wurde. Wieder in der Stadt angelangt, war eine Unterführung, die ich vorher problemlos hatte durchfahren können, plötzlich zum Teil gesperrt und im anderen Teil war ein Stau. Bei der Durchfahrt (auf dem Bürgersteig) sah ich den Grund: Ein verbeultes Auto sowie ein kaputtes Fahrrad standen/lagen herum. Ohne über die Schuldfrage in diesem Fall etwas sagen zu können, dachte ich in diesem Moment doch, dass mich das bei der rücksichtslosen Fahrweise der Autofahrer, die mir schon wiederholt aufgefallen war, nicht wunderte.

Hinter Steffisburg gab es endlich einmal wieder ein "Warnschild" (600 hm/17 km). Diese Steigung war nicht so arg. Oben angelangt, dunkelte es bereits und ich schlug mich, mangels eines Campingplatzes in der Nähe, in ein Waldstück, wozu ich durch ein Weidegatter musste. Das gefiel mir zwar nicht, aber eine bessere andere Wahl hatte ich nicht.

17.Tag: Aus dem Wald hinter Oberei bis zum Vierwaldstätter See: 142 km

Ein trüber Tag. Hochnebel lag tief über dem Land und ließ ab einer recht niedrigen Höhe nichts mehr erkennen. Gravierend wirkte sich der Nebel auf der "Panoramastraße" aus, von der aus man eine großartige Aussicht hätte haben sollen. Dafür folgten gleich zwei "Warnschilder" kurz aufeinander (880 hm/21 km und 450 hm/6 km). Auf den entsprechend mehr oder weniger heftigen Steigungen erklomm ich den 1611 Meter hohen Glaubenbüelenpass. Oben gab’s nur eine Nebelwand zu bewundern, also flott hinab und weitgehend flach über Sarnen an den Vierwaldstätter See. Hier verließ ich vorübergehend die Alpenpanorama-Route, um den See östlich über Luzern zu umrunden. Spät erreichte ich einen Campingplatz in Küssnacht, den ich dann doch wieder verließ, da er mir für reichlich Geld wenig anbot. In zunehmender Dunkelheit strebte ich dem nächsten Platz zu, merkte jedoch bald, dass mir die Kraft für die dafür nötige Geschwindigkeit auszugehen begann. Deshalb war ich dankbar, über ein "Camping auf dem Bauernhof" zu stolpern. Für 10 Franken (der billigste Platz bisher, sonst bis zu 15 Franken) war die Übernachtung gut gesichert.

18.Tag: Vierwaldstätter See bis am Fluss Linth: 128 km

Weiter auf der Straße längs des Sees, auf der nicht allzuviel Verkehr herrschte und von der aus man gelegentlich tolle Ausblicke auf See und Umgebung hatte. Ab Gersau war ich wieder auf der Alpenpanorama-Route. Hinter Brunnen wurde es sehr unangenehm, denn der Autoverkehr nahm stark zu. Besser wurde es später dadurch, dass der Radverkehr auf eine eigene Seitentrasse geleitet wurde. Vor allem brauchte man so die folgenden Tunnel nicht auf der Straße zu durchfahren. Wie bereits nach Streckenbeschreibung und Karte zu erwarten war, wurde es hinter Altdorf sehr heftig. Ein "Warnschild" (1490 hm/23 km) kündigte den Klausenpass an. Ich kann mich nicht erinnern, so etwas ähnliches schon einmal gefahren zu sein, vor allem war ich noch nie so lange in den kleinsten Gängen. Ebensowenig mache ich normalerweise auf so kurzer Strecke vier Pausen, je zwei, um was zu essen und um mir die Gegend anzusehen, die wirklich sehenswert ist. Dauernd wurde ich von Kraftfahrzeugen und auch Rennradfahrern überholt (und öfter geschnitten!). Gegen 17.15 Uhr war ich endlich oben, auf 1952 Metern Höhe. Auf eine kurze Verschnaufpause mit einem Blick zurück (ohne Zorn), Auffüllen der Wasservorräte und dick Anziehen (wegen des zu erwartenden kühlen Fahrtwindes), folgte die Abfahrt auf der anderen Seite, wegen der vielen Kurven sowie mitunter schlechter Fahrbahndecke nur mit gebremstem Schaum. Auf dem Urnerboden durfte ich dann Slalom um Kühe auf der Fahrbahn fahren. Dort wird offene Weidehaltung praktiziert. Im Wesentlichen ging es bergab bis zum Linthtal. Hier fährt man durch Felder, Wiesen, Kleingartenanlagen, Wohngebiete und sogar Industriebetriebe. Da ich nichts Besseres finden konnte, schlug ich mein Zelt schließlich hinter dem Damm des Linth auf.

19.Tag: Vom Fluss Linth bis Lindau am Bodensee: 139 km

Wie schon am Vorabend befürchtet, gab es auf dem Flussdamm ab und zu Verkehr: Fußgänger, Radfahrer und vereinzelte Autos. Dadurch wurde ich auch frühmorgens geweckt, ließ es mich aber nicht verdrießen und in Ruhe angehen. Über den nächsten Ort, Schämis, ging es vorerst weiter flach voran. Später kam der Rickenpass (380 hm/6 km), runter nach Watwil und wieder rauf (330 hm/8 km). Letztere Angabe fand ich echt witzig, denn einer sehr schweren Steigung auf ein bis zwei Kilometern folgte kaum noch etwas. In dem darauffolgenden welligen Gelände gab es öfter starke Gefälle und Anstiege. Diese Unebenheiten bremsten meinen Vorwärtsdrang, hatte ich doch geplant, rechtzeitig zur Einkaufszeit (es war Samstag) zurück in Deutschland zu sein. Zum Abschluss meiner "Tour de Suisse" folgte eine Schussfahrt von Rheineck hinunter auf die Höhe des Bodensees. In Gaißau über die Grenze nach Österreich und auf einem schönen, ausgeschilderten Radweg über Bregenz hinüber nach Deutschland und Lindau, wo es zwei teure Campingplätze gibt, von denen ich wohl oder übel einen nehmen musste/wollte (keine Lust, schon wieder wild zu zelten).

Epilog:

Damit waren knapp drei Wochen, die oft anstrengend aber auch lohnend waren, vorüber. Meine Radtour allerdings noch nicht. Am nächsten Tag nach Kempten und dort drei Tage (Erholungs-)Aufenthalt bei Verwandten; durchs Allgäu; Augsburg; durch Lech- und Paar-Tal; der Donauradweg bis Kelheim; Altmühl-, Tauber- und Main-Tal. Am 13.9. nach insgesamt 2.640 Kilometern wieder in Frankfurt/Main (endlich durfte ich wieder die schlechte Luft hier atmen!).

Hans-Peter Heinrich

frankfurt aktuell 3/2000 (2000312)   © Copyright 1999 by ADFC Frankfurt am Main e.V.
|