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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Reichlich Hinweise auf die Ruine Homburg
Fotos: Günther Gräning

Mit dem Fahrrad zu unseren Mainen

Mit dem Rad am Main bis Gemünden - das wäre für mich nichts Neues. Also fahre ich mit dem Zug. Nebenbei: Ich kann einsteigen und losfahren, wann und wo ich will - wenn ich mit dem Zug in Gemünden bin, ist es immer genau 12 Uhr mittags, so auch jetzt.

Ich verlasse den Main in Wernfeld und biege in den Werntalweg ein. Hier ist alles neu für mich. Es geht ruhig zu, fast gemütlich. Ich passiere die Ruine Homburg. Meinem gleichnamigen Wohnort sei zur Warnung gesagt: So geht es Orten, wenn sie keine anständigen Radwege bauen!

Von der Wern wieder zurück an den Main hinter Werneck - das ist für Radler fast mühelos machbar, wenn man davon absieht, dass plötzlich vorne ein Atomkraftwerk auftaucht.

Fränkische Räder

Übernachtung in Bergrheinfeld im Gasthaus Weißes Ross (Bett u. Bike). Der Wirt sagt am nächsten Morgen zu mir, das Werntal biete auf 60 km keine "Hardware". Ich bin schwach in Fränkisch und frage nach. Er meint "Infrastruktur"! Kein Bierkeller oder -garten auf 60km, das hält kein Franke aus!

Noch eine Anmerkung zur fränkischen Sprache: In jedem zweiten Satz taucht das Wort "aweng" auf. Das klingt zwar wie "ein wenig", bedeutet aber "ziemlich viel". Wenn ein Franke, den man mit dem Rad überholt, ruft, man solle nicht klingeln sondern schreien, denn "I bin aweng schwerhörig", dann meint er: "Ich bin so gut wie taub".

Wespen fliegen den Biertrinkern am Glas vorbei

Ich fahre weiter den Main aufwärts an Schweinfurt vorbei. Am Weg eine "Hebammenwerkstatt" in Hassfurt. Was die wohl bauen? Störche? Ich verkneife mir drei oder vier Brauereien am Wege und fahre in Bamberg direkt am Bierausschank vorbei ins Höfchen der Brauerei Fässla. Ein Mischlingshund begrüßt mich schwanzwedelnd, ich fühle mich geschmeichelt. Im Holzfass unter dem Stehtisch nebenan wohnen Wespen und fliegen den Biertrinkern am Glas vorbei. Sie interessieren sich weder für Essen noch Trinken. Ein gutes Beispiel für fränkische Toleranz und Friedfertigkeit: Biertrinker aller Klassen, Insekten und Hunde auf engstem Raum. Franken hat eben fast alles, was ich brauche, nur wenig, was ich nicht brauche und nichts, was ich hasse (außer vielleicht Holzsägen samstags).

Ab Kemmern weiche ich vom Maintalweg ab und fahre rechtsmainisch aufwärts bis Baunach auf einem schmalen Weg dicht am Uferhang. Mit meinem Gepäck und einem Bier im Bauch halte ich das für eine gute Leistung und genieße Wildnis und Ruhe.

In Ebensfeld übernachte ich auf dem Bierkeller Engelhardt. Wie auf den meisten fränkischen Kellern sind auch hier Qualität, Quantität und Flair unübertroffen. Nur der elektronische Piepser der Firma Discovery Systems, den ich beim Zahlen in die Hand gedrückt bekomme ("Wenn's piepst, ist das Essen fertig"), hat mich ein wenig irritiert.....

Ich fahre am nächsten Tage weiter nach Kulmbach, vorbei am "Mainzusammenfluss". Ja, so heißt das wirklich, nicht etwa nur "Mündung". Hier fließt eben zusammen, was zusammengehört, nämlich der Weiße und der Rote Main. In Kulmbach handelt es sich um den weißen.

(Anmerkung: Jeder in Frankfurt kennt Mainkur, Maintal, Mainhausen und vielleicht auch Mainflingen, ich kenne jetzt aber noch Mainklein, Maineck, Mainstockheim, Mainsondheim, Mainlust und Mainleus.)

Gasthof mit unverbaubarem Blick auf die Großbrauerei

Von Kulmbach geht es über Hügel nach Bayreuth am Roten Main. Die Mädels im Touristikbüro buchen für mich im Gasthof "Zum Herzog" mit unverbaubarem Blick auf die Großbrauerei Maisel ("Maisels Weisse"). Der Gasthof ist außen so hässlich, dass er schon wieder schön ist. (Anmerkung: Ich wohne, esse und trinke gerne im Schwarzen Adler, im Weißen Ross, Zum Hirschen, Zum Schwanen, Zum Goldenen Löwen, im Grünen Baum; weniger gerne in der Akropolis, da Alfredo, in Napoli, im Tadj Mahal oder bei den 100 Drachen. Dann schon lieber Zur Faulen Sau oder Zur Alten Ratte....)

Roter Main in Bayreuth

Bayreuth ist berühmt durch Richard Wagners Musik. Allerdings: Was Ludwig Zwo, Adolf und Angela mochten oder mögen, trifft nicht unbedingt auch meinen Geschmack. Es gibt hier eine Straße namens "Mainflecklein". Es ist eben alles ein wenig kleiner als in Frankfurt, auch der Main ist nur zwei oder drei Meter breit.

Im "Herzog" wohnt auch ein Neuseeländer mit seinem Rad. Er sei mit seiner Frau an der Donau von Donaueschingen bis Wien gefahren, dann weiter bis Prag. Von dort sei seine Frau nach China zum Sprachtraining gereist. Er sei dann mit dem Bus nach Nürnberg und von dort mit dem Zug nach Bayreuth gefahren. Er wolle über Main, Rhein, Mosel und Nordfrankreich weiter nach London. Er wohne meistens auf Camping-Plätzen und koche sein Essen selber, um Geld zu sparen. Ich bewundere, beneide und bedaure ihn gleichzeitig. Er fragt, wie man "Bayreuth" auf Deutsch ausspricht; ich versuche vergeblich, es ihm beizubringen. Es klingt immer so, als seien wir im Libanon (Beirut).

Ortsschild "Kamerun". Schon wieder verfahren?

Am nächsten Morgen Abschied vom Neuseeländer und Besichtigung von Bayreuth. Ich knipse eine Busladung Rentner aus Hamburg auf deren Wunsch vor dem Festspielhaus und rolle dann ohne Tritt mit über 50 km/h die schnurgerade Zufahrt zum Grünen Hügel hinab. Bayreuth ist sehr radfreundlich: Man kann alle Einbahnstraßen und alle Fußgängerzonen durchradeln, sogar direkt zum Grab von Richard Wagner. Ich fahre bergauf bis nach Creussen am Roten Main, der hier nur noch einen Meter breit ist. Erschrocken blicke ich unterwegs auf ein Ortsschild "Kamerun". Schon wieder verfahren? Das Flüsschen Creussen fließt bereits in die Oberpfalz und damit zur Donau ab. Wieder bergab zurück nach Bayreuth und direkt zur Brauerei Schinner mit herrlichem Altbayreuther Braunbier. Fast direkt neben diese alte Brauerei hat seinerzeit Richard Wagner seine Villa "Wahnfried" gebaut. Zwei Braune bei Schinner - und der Wahn gibt Frieden!

Am nächsten Tag geht es mit dem Zug von Bayreuth in Richtung Heimat. Und wann bin ich in Gemünden/Main? Natürlich punktgenau um 12 Uhr mittags!

Günther Gräning