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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Ingolf Biehusen "> Bild zum Artikel Tourenleiterin Iris Nattermann erläutert den "Dreidel" am "Platz der vergessenen Kinder" in Sachsenhausen
Ingolf Biehusen

Echte Hingucker

An einem sonnigen Tag, der sich anfühlte wie der 1. Mai, obwohl es erst der 7. April war, fand eine ADFC-Tour zu von Frauen geschaffenen Kunstwerken im öffentlichen Raum statt.

Es begann mit einem ausgesprochenen Highlight, einem bronzenen Engel in einem Rondell in einer Ecke des Klaus-Mann-Platzes. Das Kunstwerk wurde 1994 aufgestellt, nachdem von privaten Spendern 300.000 DM zusammengekommen waren (der Staat hatte für das Thema nicht das nötige Geld übrig). Es handelt sich um das erste Denkmal für verfogte Homosexuelle in Deutschland. Um das Leiden und die Gefährdung dieser Bevölkerungsgruppe anzudeuten, hat der Engel, der im Prinzip ein Abguss einer Figur vom Kölner Dom ist, einen abgetrennten und nur punktuell angesetzten Kopf. Man muss genau hinschauen, um das zu erkennen, und die meisten der 20 Teilnehmer/-innen hatten das ganze Denkmal noch nie gesehen.

Das war anders bei "Betty", der dicken weiblichen Bronzefigur mitten in den Wallanlagen. Eine blanke Stelle am Hinterteil beweist es: Dies ist Kunst zum Anfassen. Das Begreifen der Kunstwerke war dabei nicht immer so einfach, aber Iris Nattermann als Leiterin der Tour erklärte die Bedeutungen und viele weniger offensichtliche Zusammenhänge.

In der Fressgass gab es zwei Kunstwerke, an denen man ansonsten gerne ohne hinzusehen vorbei radelt. Jetzt wurden sie uns nahe gebracht. Aufregend, aber etwas versteckt aufgestellt, ist der "Tänzer" in der Taunusanlage.

Ingolf Biehusen "> "Morse by Horse" in der Theodor-Heuss-Allee erinnert an eine Wackelfigur
Ingolf Biehusen

Ein längeres Stück Radfahrt führte zu "Morse by Horse" an der Theodor-Heuss-Allee. Vor dem Gebäude einer Firma für moderne Kommunikation stehen als Symbole für ältere Formen der Nachrichtenübermittlung ein überlebensgroßes Pferd und ein noch größerer Turm mit einem Scheinwerfer, der Morsezeichen an sein Pendant sendet, das hinter Glas im Gebäude steht. Alles hochinteressant, aber erklärungsbedürftig, zumal das Pferd aussieht wie eine etwas groß geratene Wackelfigur.

Geschickte Wegführung führte nach Sachsenhausen zum "Platz der vergessenen Kinder". Dort stand einmal ein jüdisches Kinderheim. Jetzt erinnert ein aus Bronze gegossener "Dreidel" daran, in normaler Größe so etwas wie ein Würfel mit einer Spitze unten und einem Drehgriff oben, so dass ein Kreisel daraus wird.

Zum Grüne-Soße-Denkmal haben schon viele Touren des ADFC geführt. Fraglich ist, wem die an die Pflanzenfarben angepasste Verschiedenartigkeit der Grün-Töne der Polycarbonat-Scheiben aufgefallen ist. Und darüber, dass eine Frau die Schöpferin des Kunstwerks ist, hat sich bestimmt auch nicht jede/-r Gedanken gemacht.

Noch überraschender in der Materialwahl ist "Wir gehören zusammen" in der Obermain-Anlage auf der nördlichen Main-Seite. Zwar gibt es härtere Werkstoffe als Sandstein, aber welcher Mann hätte sich zugetraut, in aller Öffentlichkeit an Ort und Stelle den Stein zu bearbeiten, statt sich damit ins Atelier zurück zu ziehen.


Die besichtigten Kunstwerke in der Übersicht:

Frankfurter Engel von Rosemarie Trockel, 1994
Betty von Wanda Pratschke, 1983
Koepfe von Marita Kaus, 1976/77
Fressgassbrunnen von Inge Hagner, 1977
Tänzer von Doris Schmauder, 1985
Morse by Horse Christiane Dellbrügge und Ralf de Moll, 2006
Ikh bin a kleyner Dreydl Filippa Pettersson, 2017
Grüne-Soße-Denkmal Olga Schulz, 2007
Wir gehören zusammen Eva-Gesine Wegner, 1995/96
Nur die Spitze des Eisbergs (Fritz-Bauer-Denkmal) Tamara Grcic, 2016

www.kunst-im-oeffentlichen-raum-frankfurt.de


Am Ende der Tour, vor der Schlusseinkehr, gab es einen echten Hingucker: Einen Felsen und eine Bronzetafel mitten in der Stadt, neben dem Gebäude der Generalstaatsanwaltschaft, am Rande der oberen "Zeil". Der Felsen symbolisiert einen Eisberg und auf der Bronzetafel steht ein Zitat von Fritz Bauer: "Sie müssen wissen, es gibt einen Eisberg, und wir sehen einen kleinen Teil und den größeren sehen wir nicht." Das Lebenswerk von Fritz Bauer war eigentlich groß genug, aber es ist zu befürchten, dass er Recht hatte mit seiner Aussage.

Für den facettenreichen, internationalen Hintergrund der besichtigten Kunstwerke gibt es sicherlich mehrere Erklärungen, aber eine kam immer wieder vor: Frankfurt leistet sich mit der Städelschule eine international renommierte Ausbildungsstätte, die offenbar Spuren hinterlässt. Auch die Hochschule für Gestaltung in Offenbach spielt eine Rolle. Es gibt noch mehr von Frauen geschaffene Kunstwerke im öffentlichen Raum in Frankfurt, auch wenn die Gesamtzahl übersichtlich bleibt.

"Wissen auf Rädern" heißt die Kategorie der ADFC-Touren, zu der diese Veranstaltung gehört. Die Gebühr von 3 Euro (für Mitglieder) ist gut angelegtes Geld. Und vielleicht eine Anregung, auf eigene Faust weiter zu forschen, denn Wissen auf Rädern lässt sich auch unorganisiert aneignen.

Ingolf Biehusen