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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Bild zum Artikel Hölderlin-Schule in Bad Homburg, Grundschule mit Parkplatz für Elterntaxis, aber ohne Radweg.
Ralf Gandenberger

Das Fahrradklima ist mangelhaft

Von der Stadt Bad Homburg werden schnelle und konkrete Maßnahmen zur Verbesserung erwartet

Beim Fahrradklima-Test 2018 landete Bad�Homburg mit der Note 4,54 bundesweit auf Platz 102 von 106 der teilnehmenden Städte zwischen 50.000 und 100.000 Einwohnern.

Mit diesem Ergebnis ist Bad Homburg Schlusslicht in Hessen über alle Größengruppen hinweg. Bis auf die Frage zu der Öffnung der Einbahnstraßen in Gegenrichtung hat sich die Beurteilung in allen Bereichen verschlechtert.

Die Beteiligung ist auf 285 Personen angestiegen, dies sind mehr als doppelt so viele wie 2016 (130). Allein diese Steigerung zeigt den Bedeutungszuwachs des Radverkehrs in Bad Homburg.

Die Gesamtnote ist erschütternd, deckt sich aber mit unserer Wahrnehmung zur Radverkehrsinfrastruktur und dem gesamten Fahrradklima in Bad Homburg. Die Detailergebnisse können hier abgerufen werden: www.adfc-hochtaunus.de .

Neben der Beurteilung von vorgegebenen Fragen mit Schulnoten nutzten über 160 Teilnehmer des Fahrradklima-Tests auch die Möglichkeit, insgesamt knapp 290 Anmerkungen zur Fahrradsituation in Bad Homburg zu machen. "Katastrophal" war ein häufig benutztes Adjektiv, ein Teilnehmer brachte die Situation prägnant auf den Punkt: "Bad Homburg – eine wunderschöne Stadt, die Radfahrer nicht mag". Allein 85 Teilnehmer bemängelten, dass es viel zu wenige Radwege gebe und der Ausbau guter Radwege außerordentlich dringend sei, insbesondere an großen Straßen, vom und zum Bahnhof sowie zur Innenstadt aus allen Richtungen. 30 Teilnehmer fordern eine zügige Umsetzung des von den städtischen Gremien beschlossenen Radverkehrskonzepts. Auch die Beschaffenheit der wenigen vorhandenen Radwege wurde als teilweise schlecht angesehen, da sie zu schmal (Schulnote 5,1) oder der Belag schlecht (Note 4,5) seien.

Ein besonderes Augenmerk legten die Teilnehmer auch auf die Sicherheit der Schulwege. Hier erhielt die Stadt mit der Schulnote 4,9 ein "mangelhaft", die Bürger haben einhellig festgestellt, dass das Fahrradfahren für Schulkinder in Bad Homburg gefährlich ist und viele Teilnehmer gaben an, dass sie ihre Kinder deshalb nicht mit dem Rad zur Schule fahren ließen.

Sehr häufig wurde wiederum die Öffnung der Fußgängerzone für den Radverkehr gefordert. Gleichfalls im Fokus standen die Parks und die Öffnung von Einbahnstraßen. Bei der Öffnung der Einbahnstraßen in Gegenrichtung für Radfahrer hat sich zwischenzeitlich eine Verbesserung gezeigt. Nachdem der ADFC Bad Homburg/Friedrichsdorf der Stadt eine Liste aller Einbahnstraßen übergeben hatte, wurden seit November 2018 weitere 23 Einbahnstraßen tatsächlich freigegeben oder deren Freigabe von der Straßenverkehrsbehörde angeordnet. Allerdings warten wir jetzt auf die schon mehrfach beschlossene Freigabe des Schulbergs für Radfahrer in Gegenrichtung der Einbahnstraße. Hier können wir leider noch keine Fortschritte erkennen und hoffen, dass diese wichtige Maßnahme nicht erneut verschleppt wird.

Zusammengefasst fühlen sich viele Bad Homburger als Radfahrer nicht ernst genommen, weil nur für Autos geplant werde. Man wünscht sich auch eine intensive Unterstützung des Radverkehrs durch die Stadt, die Imagepflege für das Fahrrad betreiben und die Bad Homburger zur häufigeren Fahrradnutzung animieren sollte.

Die Ergebnisse des Fahrradklima-Tests haben ein umfangreiches Presseecho hervorgerufen. Neben des Abdruck unserer Pressemitteilung gab es auch eigene Artikel in der Lokalpresse. Selbst die Hessenschau hat sich für dafür interessiert, wie gefährlich Fahrrad fahren in Bad Homburg ist. Eine Redakteurin fuhr mit unserer Begleitung einige besonders kritische Stellen der Stadt ab, wies auf Problempunkte hin und gab eine schlechte Beurteilung ab. Leider fielen fast alle unsere in Interviews gemachten Kommentare der Schneideschere zum Opfer. Unser Oberbürgermeister Alexander Hetjes konnte hingegen darstellen, dass jetzt mit dem neuen Radverkehrskonzept alles besser wird. Er hätte jetzt erst einmal ein Gesamtkonzept gebraucht und meint "man kann nicht innerhalb von drei Monaten die Versäumnisse von 20 Jahren nachholen". Das ist abstrakt gesehen sicher richtig, allerdings trauten viele Bad Homburger ihren Ohren nicht, wissen sie doch, dass die Partei des Oberbürgermeisters seit über 70 Jahren in Bad Homburg die stärkste Fraktion im Stadtparlament ist und seit dem 2. Weltkrieg über 65 Jahre den OB gestellt hat. Selbst in der Phase eines grünen Oberbürgermeisters wären Vorschläge des Fraktionsvorsitzenden und Oppositionsführers Hetjes zur Verbesserung des Radverkehrs sicher nicht auf taube Ohren gestoßen. Zeit genug wäre also gewesen! Aber immerhin hat er Versäumnisse eingeräumt.

Es gibt aber auch Positives. Die seit Mitte März tätige Radverkehrsbeauftragte hat schon einiges angestoßen und arbeitet hoch motiviert für eine Verbesserung des Radverkehrs in Bad Homburg. Sie ist für unsere Unterstützung aufgeschlossen und dankbar, muss sie Bad Homburg doch auch erst kennen lernen. Ende April haben einige Aktive des ADFC mit ihr eine intensive Befahrung der Stadt durchgeführt und ihr den umfassenden Handlungsbedarf auch vor Ort gezeigt.

Wir haben die Stadt auch öffentlich dafür gelobt, dass im vergangenen Jahr einige Beschlüsse zur Verbesserung des Radverkehrs gefasst wurden (vgl. auch Frankfurt aktuell 1/2019). Nun erwarten wir von allen Ämtern der Stadt, dass schnell konkrete Maßnahmen umgesetzt werden, es darf nicht alles auf die Radverkehrsbeauftragte abgewälzt werden, die ohnehin nur eine halbe Stelle hat, was für die anstehenden Aufgaben völlig unzureichend ist. Dabei kommt dem Oberbürgermeister eine Schlüsselrolle zu. Er muss sich an die Spitze des Veränderungsprozesses stellen und deutliche Signale in die Stadtverwaltung geben, dass der Ausbau des Radverkehrs zu den zentralen Aufgaben der nächsten Jahre gehört. Dabei müssen er, der Bürgermeister und die Stadträtin darauf dringen, dass auf allen Ebenen der Verwaltung die Überzeugung besteht, im Zweifel zugunsten des Radverkehrs zu entscheiden. Nur dann wird sich an der von vielen Teilnehmern des Fahrradklima-Tests als katastrophal bezeichneten Situation etwas ändern. Vielleicht wird Bad Homburg dann beim nächsten Test 2020 nicht mehr als reine Autofahrerstadt wahrgenommen und zählt zu den Aufsteigerstädten.

Ralf Gandenberger