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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Ausgabe 2/2001   März /April

Kein Platz für den Drahtesel

Falsch parkende Fahrräder dürfen nicht abgeschleppt werden
Aus der Frankfurter Rundschau vom 15.1.2001 (Ihr Draht zu uns)

Wohin mit dem Drahtesel? Das ist die Frage, die sich viele Radler stellen, wenn sie an die Zeil denken. Seit die Fahrradständer vor der Katharinenkirche den Baustellen-Containern der Nassauischen Sparkasse gewichen sind, wird die Frage umso prekärer. Radler suchen Alternativen, finden diese aber entweder überfüllt oder gar nicht. Es sei denn, sie nutzen dafür ursprünglich nicht vorgesehenen Baumschutz und die Absperrgitter, die die Baustelle der ehemaligen Bank-Filiale umgeben. Doch die Hüter der Ordnung drohen mit "kostenpflichtigem Abschleppen des Fahrrads", wenn dieses nicht gleich wieder entfernt wird. Das erlebte kürzlich FR-Leserin Daniela C. Auf ihre Frage, wo sie es denn hinstellen solle gab’s vom Freund und Helfer nur ein kurzes Achselzucken. "Auf der Zeil würde dringend eine bewachte Abstellmöglichkeit für Fahrräder benötigt", fordert deshalb Daniela C.

Die Geschichte klingt zunächst teilweise wie ein Traum des Stadtverordneten Jochem Heumann (CDU). Der Christdemokrat frohlockte dereinst beim Gedanken, die Stadt dürfe endlich das "illegale Anketten von Fahrrädern an Bäumen, Baumschutzeinrichtungen und Pollern" unterbinden und bat im März vergangenen Jahres darum, die entsprechenden "rechtlichen Grundlagen" zu schaffen.

"Die Straßenverkehrsordnung gibt aber für solch einen Fall keine Rechtsgrundlage her", sagt Rolf Menzer, Leiter des Ordnungsamts auf Anfrage. Zwar fehle es an genügend Platz, um Fahrräder auf der Zeil ordnungsgemäß abstellen zu können. Aber kein Drahtesel darf "zwangsweise entfernt" werden, nur weil ein Baumschutzgitter missbraucht werde. Menzer vermutet, da habe der Kollege seiner Bitte lediglich etwas Nachdruck verleihen wollen — oder er war vom Heumannschen Gedanken beseelt.

Fahrräder, die störend im Fußgängerbereich stehen, dürfen von den Ordnungskräften nur "zur Seite gerückt, aber nicht abgeschleppt werden", betont Menzer. Ausnahmen seien Schrotträder, die seit Wochen vor sich hinrosten. Da verfährt das Straßenbauamt ähnlich wie bei Autos. Ein Aufkleber informiert über die letzte Frist, danach wird auf Kosten des Halters abgeschleppt. Eine echte Alternative kann er Daniela C. jedoch nicht nennen. Adolf Kannengießer, Referent von Baudezernent Martin Wentz (SPD), sagt zudem, es sei "nicht daran gedacht" an der Situation "etwas zu ändern". Es gebe im Bereich der Zeil genügend, aber unbeaufsichtigte Abstellmöglichkeiten für Fahrräder.

Vielleicht dürfen zumindest radelnde Kulturfreunde künftig ein bewachtes Plätzchen für ihren Drahtesel finden — wenn der Vorschlag, den Fraktionschef Lutz Sikorski (Grüne) im Oktober vergangenen Jahres gemacht hatte, Gehör findet: Sikorski hatte die Stadtregierung aufgefordert, auf dem Willy-Brandt-Platz "Fahrradständer zu montieren, die eine sichere Verwahrung ermöglichen". Radtour zur Kultur: bislang aus Platzmangel fast unmöglich.

Sikorski dachte dabei wohl an Einrichtungen wie das "Bike Point" am Fankfurter Waldstadion. Auf dem bewachten Abstellplatz können Fahrräder während der Veranstaltungen im Waldstadion gegen eine geringe Gebühr angeschlossen werden. Gegen einen weiteren Obulus werden dort kleine Reparaturen durchgeführt.

Doch Daniela C. findet es vom Stadion bis zur Zeil verständlicherweise etwas weit.

(aus FR v. 15.1.2001)

Was wäre, wenn...
es wirklich einmal so weit käme und die Ordnungshüter "gesetzeswidrig" angekettete Fahrräder von ihren Halterungen befreien könnten? Bei den heutigen Hochsicherheitsschlössern dürfte das manchmal schwierig werden. Man stelle sich nur mal zwei Polizisten vor, die mit einem Werkzeugkasten und einer überdimensionierten Kneifzange bewehrt den ganzen "illegal" abgestellten Fahrrädern auf der Zeil zu Rahmen rücken. Wenn das kein Anschauungsunterricht für Langfinger wäre… Wer käme außerdem auf die Idee, dass das eigene Handeln so strafwürdig war, dass es für das Verschwinden des geliebten Drahtesels gesorgt hat — und nicht die Mühen von Fahrraddieben?

Nach dem Verschwinden des Fahrrads geht man doch höchstens zur Polizei, um den Diebstahl zu melden und nicht, um das Fahrrad dort gegen ein "Lösegeld" freizukaufen. Und überhaupt — wo würde man es abholen? Und wie weist man nach, dass man wirklich der Eigentümer ist? Wer hat schon die Quittung bei sich oder findet sie noch nach ein paar Jahren?

Vielleicht bietet die Polizei demnächst so eine Einkaufsmöglichkeit für Diebe: für schlappe 100,- Mark o.ä. kann man dann "legal" ein Fahrrad auf der Wache abholen, um es später wieder zu verhökern. Nach dem Motto: "Ich hab heut moin mei Mauntnbaik uff de Zeil abgestellt. Un als ich’s vorhind widder abhole wollt war’s nemmer da. Wisse Se vellaacht wo’s jetzt sei könnt? Steht’s vellaacht bei Ihne uff’m Hof?" Der nette Wachtmeister würde sich bestimmt freuen, sein täglich wachsendes Vorratslager zu öffnen, um dem Abgeschleppten aus der Patsche zu helfen.

Womöglich schrecken irgendwann besonders gute Schlösser auch die Polizei ab. Angenommen, man hat das gute Stück an einem der famosen Baumschutze befestigt und die Polizei kann es zur Erheiterung der Passanten nicht loseisen?! Würde dann der Baum ausgebuddelt und samt Schutz und Fahrrad auf die Wache gebracht? Welcher Polizist würde beim nächsten Mal nicht nach einem schwächeren Schloss Ausschau halten, bevor er wieder einen Bagger für den Abtransport eines Fahrrads ordern muss? Hier tut sich für findige Schlosshersteller eine Marktlücke auf: neue Schlösser mit dem Prüfsiegel "auch für Polizisten unknackbar."

(ch)

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