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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Da schreit der Radfahrer, aber nicht vor Glück: Typischer Halteplatz eines Paketdienst-Lasters, hier von DHL
Foto: Jörg Hofmann

Online-Paketdienste:
Laster runter vom Radweg, Fahrer rauf aufs Rad!

Iiiiiieeeeek! Da ist es wieder, dieses Geräusch, das einen jedes Mal unwillkürlich zusammenzucken lässt: der gellende Glücksschrei der Nachbarin, die gerade von Zalando-punkt-deheh ihre neuesten zehn Paar Pömps geliefert bekommt. Morgen wird sie diese dann wieder per Paketdienst zurückschicken.

Um der Nachbarin dieses zweitschönste Glücksgefühl ihres Lebens zu bereiten, blockiert der Liefer-LKW selbstredend den Bürgersteig, den Radweg oder gleich beide. Auf der Fahrspur der Straße stehen bleiben geht natürlich nicht, denn da gibt's Gehupe und Stress mit Autofahrern, also "seinesgleichen".

Seit Jahren schon lässt Amazon liefern, erst Bücher und CDs, mittlerweile alles. Zalando ist als der nächste richtig große Versender dazugekommen, mit Schuhen und Klamotten. Das lässt den Textil-Billigheimer KIK natürlich nicht ruhen, der liefert jetzt auch seine Plünne direkt auf Online-Bestellung aus und wirbt dafür im Radio. Und damit der Teutone sich auch ja nicht zu viel bewegt, noch nicht mal zum Supermarkt um die Ecke, lässt auch REWE seine Kleinlaster, mit Obst- und Gemüsebukets bunt bemalt, zur Lebensmittelauslieferung auf Online-Bestellung durch die Wohnquartiere tuckern.

Irgendwann ist der Punkt erreicht, wo das Online-Lieferwesen, noch dazu meistens umgesetzt von gehetzten Sub-Sub-Sub-Sub-Unternehmern auf dem Fahrersitz, mehr Leute nervt und stört als es ihnen nützt. In dicht besiedelten Großstädten wie Frankfurt, zumindest in deren Cities und citynahen Wohnvierteln, ist es schon so weit. Das wissen auch die Lobbyisten der KEP-Branche (KEP = Kurier-­Express-Paketdienste). Vorausschauende von ihnen ahnen, dass demnächst eine restriktive Regulierung auf sie zukommen könnte. Der deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) diskutiert bereits darüber.

Noch vorausschauendere KEP-Unternehmen bauen vor und entwickeln Alternativen. Zum Beispiel UPS in Hamburg: Dort hat das Unternehmen die Logistik im Citybereich (und die Hamburger Innenstadt ist wirklich ein großer Brocken!) in einem Pilotprojekt komplett umgestellt. Einige wenige Container wurden fest aufgestellt, die Flächen dafür von der Stadt gemietet. Diese Container werden vom Hamburger Zentrallager beschickt. Die Feinverteilung zum Endkunden erfolgt dann per Elek­tro-Lastenfahrrad!

Überhaupt UPS: es ist nicht unsere Aufgabe, in diesem sehr wettbewerbsintensiven Markt einzelne Unternehmen hervorzuheben, aber eins sollte nicht unerwähnt bleiben: die UPS-Fahrer sind die einzigen in der Branche, die ihre Laster nicht auf Radwegen oder Radstreifen abstellen, sondern korrekt auf der KFZ-Spur!

Dieses Beispiel sollte Schule machen, und eine Regulierung für die Cities und citynahen Stadtteile braucht es auch. Frankfurts Vertreter im DStGB sollten sich dafür stark machen. Die Alternativen sind realistisch und werden sich dynamisch weiterentwickeln. Das Problem "letzte Meile" in der Logistik ist schon längst bekannt, Wissenschaftler und Praktiker arbeiten daran. Es gibt schon jetzt im E-Bike-Bereich eine erstaunliche Vielfalt an Lastenrad-Varianten für Profi-Anwendungen. Da es sich ohnehin um Dienstfahrzeuge handelt, sind Versicherungspflicht und Kilowattleistung kein Problem. Das KEP-Unternehmen muss dann für den City-Lieferdienst diejenigen Fahrer/-innen auswählen, die zum Dienst auf dem Fahrrad fit und bereit sind.

Es kann durchaus dabei herauskommen, dass die Paketlieferung in bestimmte Gebiete etwas teurer wird. Na und? Wenn dafür der Dieselqualm aus den Straßenschluchten abzieht und Radfahrer nicht mehr zu lebensgefährlichen Ausweichmanövern gezwungen werden, ja wenn das Paket mit den zehn Paar Pömps vielleicht von einem durchtrainierten und wettergegerbten E-Bike-Kurier geliefert wird, dann kann der Glücksschrei der Nachbarin, guten Gewissens ausgestoßen, um so lauter durchs Viertel schallen!

Bertram Giebeler