Skip to content

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main   

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

Artikel dieser Ausgabe
"

Die Polizei rät...

Von: raimai@gmx.de
An: gst.internet@polizei.bayern.de
Betreff: Pressebericht 1784: "Münchner Polizei rät Radfahrern, vorhandene Radwege zu nutzen"
Datum: 05. Nov 2011 15:16

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich beziehe mich auf Ihren Pressebericht Nr. 1784: "Münchner Polizei rät Radfahrern, vorhandene Radwege zu nutzen", den ich hier gefunden habe: http://www.polizei.bayern.de/muenchen/news/presse/aktuell/index.html/145929 .

Dieser Bericht enthält den folgenden Appell: "Die Münchner Verkehrspolizei empfiehlt jedoch allen Radfahrern, selbst bei der Aufhebung der Benutzungspflicht bestimmter Radwege, die unbeschilderten Radwege dennoch zu benutzen."

Die Unfallforschung der letzten zwei Jahrzehnte hat gezeigt, dass die Benutzung von Radwegen tendenziell - und häufig wesentlich - gefährlicher ist als das Radfahren auf der Fahrbahn. Ihre (vermutlich gut gemeinte) Aufforderung, nicht benutzungspflichtige Radwege zu benutzen, ist für die Verkehrssicherheit kontraproduktiv. Letztlich ist das ein Appell zur Selbstgefährdung.

Anderswo werden längst aufgeklärtere Positionen vertreten - zum Beispiel von Ihren Kollegen in Berlin:
http://www.berlin.de/polizei/verkehr/liste/archiv/28671/index.html

Zu der Begründung Ihres Appells: "...Radfahrer zählen neben den Fußgängern zu den am meisten gefährdeten Verkehrsteilnehmern auf Deutschlands Straßen. Gerade der einleitend beschriebene Unfall zeigt, dass Radwege, egal ob die Benutzungspflicht vorgeschrieben ist oder nicht, grundsätzlich mehr Schutz bieten als der Straßenraum des motorisierten Verkehrs."

Solche Unfälle (Kollision im Längsverkehr, in diesem Fall offenbar durch vorsätzliche Gefährdung) kommen vor. Es wird sie immer geben. Aber das sagt wenig über das Gesamtrisiko beim Befahren mehr oder weniger gefährlicher Strecken (Radweg versus Fahrbahn) aus. Interessant finde ich, dass Ihnen ein einziges Beispiel genügt, um Ihre historisch überholte Empfehlung zu begründen. Das wirkt, mit Verlaub, an den Haaren herbeigezogen. Es zeigt, dass sich der Autor mit dem Thema seines Text nicht wirklich beschäftigt hat.

Mit freundlichen Grüßen
Rainer Mai


Die Münchner Polizei rät...

(Auszug, Hervorhebung durch die Redaktion)

(...) Er war mit seinem Fahrrad die Arnulfstraße stadteinwärts gefahren und aufgrund zu geringen Seitenabstandes von einem Lkw erfasst worden. Auch wenn der Lkw-Fahrer hier den Unfall verursacht hat, wäre der Unfall unter Umständen auch vermeidbar gewesen. Parallel zur Fahrbahn verlief ein gekennzeichneter Radweg, welchen der Radfahrer nicht benutzt hatte. Die Münchner Verkehrspolizei weist darauf hin, dass nach wie vor bei der Beschilderung einer Verkehrsfläche mit den entsprechenden Verkehrszeichen die Radwegebenutzungspflicht besteht. Es handelt sich um die Zeichen für Radweg (Z 337), gemeinsamer Fuß- und Radweg (Z 240) und getrennter Fuß- und Radweg (Z 241).

Das in letzter Zeit häufig zitierte Urteil (...) besagt zwar im Leitsatz, dass eine Radwegebenutzungspflicht nur angeordnet werden darf, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung erheblich übersteigt (...). Jedoch lag diesem Urteil die Klärung der rechtlichen Voraussetzungen, unter denen eine solche Anordnung erfolgen darf, zugrunde und nicht die Benutzungspflicht von Radwegen durch die zuvor erwähnten Verkehrszeichen.

Nur für den Fall, dass die Beschilderung entfernt wird, also keine Verkehrszeichen vorhanden sind, bleibt es dem Radfahrer freigestellt, ob er den Radweg künftig benutzen möchte oder nicht. Dem Radfahrer obliegt es nicht, eigenständig zu bewerten, ob die Anordnung der Beschilderung eines Radweges rechtmäßig ist oder nicht.

Die Münchner Verkehrspolizei empfiehlt jedoch allen Radfahrern selbst bei der Aufhebung der Benutzungspflicht bestimmter Radwege, die "unbeschilderten" Radwege dennoch zu benutzen. Radfahrer zählen neben den Fußgängern zu den am meisten gefährdeten Verkehrsteilnehmern auf Deutschlands Straßen. Gerade der einleitend beschriebene Unfall zeigt, dass Radwege, egal ob die Benutzungspflicht vorgeschrieben ist oder nicht, grundsätzlich mehr Schutz bieten als der Straßenraum des motorisierten Verkehrs.


Die Berliner Polizei rät...

(Auszug, Hervorhebung durch die Redaktion)

Bereits 1997 wurden wesentliche Regelungen für Radfahrer in der Straßenverkehrs-Ordnung überarbeitet und ergänzt. Das erfolgte mit dem Ziel, den Fahrradverkehr sicherer zu gestalten, umweltfreundliche Verkehrsmittel weiter zu fördern und den Radfahrern mehr "Freiräume" bei der Wahl der zu benutzenden Verkehrsflächen einzuräumen.

Eine wesentliche Änderung betrifft die Benutzungspflicht von Radwegen: Eine Benutzungspflicht besteht seit dem 1.10.1998 nur noch für diejenigen Radwege, die mit den Verkehrszeichen Z 237 (Sonderweg Radfahrer), Z 240 (gemeinsamer Geh- und Radweg) oder Z 241 (getrennter Geh- und Radweg) ausgeschildert sind. Alle anderen Radwege dürfen benutzt werden. Insofern besteht in einigen Straßen die Wahl auf dem Radweg oder auf der Fahrbahn zu fahren. Obwohl diese Änderung nun bereits einige Jahre gilt, sind viele Verkehrsteilnehmer - insbesondere Autofahrer - noch nicht mit den Bestimmungen vertraut.

Gründe für die teilweise Aufhebung der Benutzungspflicht waren: Der Radverkehr sollte nach früherer Auffassung aus Sicherheitsgründen (...) vom Kraftfahrzeugverkehr auf der Fahrbahn getrennt werden: "Entmischung des Fahrzeugverkehrs zum Schutz des Radverkehrs vor den Gefahren des Kraftfahrzeugverkehrs". Dann haben Ergebnisse aus langjährigen Unfalluntersuchungen, Erfahrungen der Behörden und nicht zuletzt die Bemühungen des ADFC zu einem Umdenken geführt.

Es gilt als gesichert, dass die Führung der Radfahrer auf der Fahrbahn im Bereich des Fließverkehrs zu besserem Sichtkontakt zwischen Autofahrern und Radfahrern führt und damit vor allem die schweren Abbiegeunfälle mit oft tödlichem Ausgang an Kreuzungen und Einmündungen oder Grundstücksausfahrten reduziert bzw. gemildert werden. Außerdem lässt der Zustand der vorhandenen Radwege oft erheblich zu wünschen übrig.

Die Straßenverkehrsbehörde darf eine Benutzungspflicht nur anordnen, wenn sich die Radwege in einem ordnungsgemäßen Zustand entsprechend der Verwaltungsvorschrift zur StVO befinden und besondere Umstände dies zwingend erforderlich machen (§45 Abs. 9 StVO).



...und korrigiert

Von: PP MUE E22 Verkehrsaufgaben (Postfach)
An: 'raimai@gmx.de'
Betreff: Ihre Mitteilung vom 05.11.2011(...) Pressebericht 1784: (...)
Datum: Tue, 6 Dec 2011 16:42:21 +0100

Sehr geehrter Herr Mai,

die Verkehrssicherheitsarbeit beim Polizeipräsidium München basiert auf einer ständigen Bewertung aktueller Erkenntnisse, darunter auch die Ergebnisse der Auswertung von Unfallstatistiken. Das Radfahren auf der Fahrbahn kann gemäß der uns vorliegenden Erkenntnisse im Hinblick auf eine sichere Verkehrsteilnahme keinesfalls generell gegenüber der Benutzung von Radwegen präferiert werden. Untermauert wird dies durch die unterschiedlichen Haltungen der Polizeien anderer Bundesländer. Von einer tendenziell höheren Sicherheit bei der Benutzung der Fahrbahn kann allenfalls bei vorhandenen Radfahr- oder Schutzstreifen ausgegangen werden.

Hinsichtlich der Radverkehrsführung gilt es unserer Ansicht nach stets zu differenzieren. Bei entsprechenden örtlichen Voraussetzungen hinsichtlich Fahrbahnbreite, Geschwindigkeitsniveau, Verkehrsaufkommen etc. erachten wir eine gemeinsame Nutzung der Fahrbahn durch Kraftfahrzeugführer und Radfahrer im Sinne einer besseren gegenseitigen Wahrnehmung und der dadurch niedrigeren Gefährdung von Radfahrern an Kreuzungen und Einmündungen für zielführend.

Die Formulierung der (...) ausgesprochenen Empfehlung entstand unter dem Eindruck eines schweren Verkehrsunfalles, bei dem ein Radfahrer auf der Fahrbahn von einem mit zu geringem Seitenabstand überholenden Lkw erfasst wurde und zielte - wie Sie richtig erkannt haben - vorwiegend auf die zukünftige Verhinderung solcher Unfälle ab.

Wir bedanken uns für Ihr gezeigtes Interesse an unserer Verkehrssicherheitsarbeit. Zur Erlangung ergänzender Informationen weisen wir (...) auf unser Internetangebot hin, wo Sie unter (...) "Statistik" umfangreiche Daten (auch bezüglich Unfällen mit Beteiligung von Radfahrern) einsehen können, darunter (...) das Lagebild "Ungeschützte Verkehrsteilnehmer Radfahrer-Fußgänger"