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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

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Ohne Kommentar
Fotos: Günther Gräning

Drei Rösser, darunter ein Drahtesel


Von Stahl- und sonstigen Rössern

Es gibt genau einen weltberühmten Homburger: den Prinzen von Homburg, den Helden von Fehrbellin, den späteren Landgrafen Friedrich II. "mit dem Silbernen Bein" (1633-1708).

Man kann ihn per Rad auf einer Stadtrundfahrt in der Homburger Schlosskirche posthum besuchen. Besser ist es aber, sich seinem Lebenswerk woanders zu nähern: in Neustadt an der Dosse nämlich, in der Ostprignitz in Brandenburg. Genau das habe ich im November 2011 getan. Wie auf den Fotos zu sehen ist, gibt es dort sowohl eine "Prinz-von-Homburg-Straße" als auch eine "Prinz-von-Homburg-Schule". Dabei handelt sich immerhin um die Hauptstraße und die größte Schule am Ort! Wie kommt das?

Mit dem Geld seiner ersten Ehefrau, einer reichen Schwedin aus der Dynastie der Oxenstierna, erwarb der Prinz im Jahre 1662 das Amt Neustadt, das, wie ganz Brandenburg, durch den Dreißigjährigen Krieg völlig ruiniert und heruntergekommen war. In nur zwei Jahren machte er aus dem Flecken mit sieben Häusern eine Gemeinde mit 47 Häusern, einer Vorstadt und Stadt- und Marktrecht. Er ließ das Flüsschen Dosse regulieren und gründete ein Gestüt, eine Eisen- und eine Glashütte sowie Schleifereien, Papier- und Schneidemühlen. Aus dem Gestüt wurde das Brandenburgische Landesgestüt, aus dem später Preußen jahrhundertelang seine wendigen Kavalleriepferde bezog. Heute bildet das Gestüt eine eindrucksvolle Ansammlung verschiedener Gebäude und Weiden. Als die 47 Häuser, wohl einschließlich seines eigenen Wohnhauses, im Jahre 1666 niederbrannten, ließ der Prinz alles schöner und größer wieder aufbauen. Soldat, der er ja war (Reitergeneral), nahm er Rückschläge als Herausforderung an. Zitat aus "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" (Theodor Fontane 1861): "Wer Kolonisierung studieren will, muss die Geschichte der Mark Brandenburg studieren. Aber wenn die ganze Provinz nach dieser Seite hin ein sehr lehrreiches Beispiel bietet, so bietet vielleicht unser Neustadt von 1662 - 66 ein Muster unter den Musterstücken". Ein dickes Lob aus berufenem Munde!

Den Rhin überquert man heutzutage trockenen Rades

Wie ich mich selber vor Ort überzeugt habe, sind es von Neustadt/Dosse nach Fehrbellin mit dem Fahrrad rund 25 Kilometer, problemlos zu schaffen, denn den Wasserlauf des Rhin kann man heutzutage trockenen Rades überqueren. Das war im Jahre 1675 völlig anders! Damals waren die Schweden auf Geheiß des französischen Königs Ludwigs XIV. in die Mark Brandenburg eingefallen und benahmen sich dort wie die Vandalen. Der Kurfürst von Brandenburg eilte mit seinem Heer aus dem Raum Schweinfurt herbei, soweit man damals zu Fuß, zu Pferde und mit Kanonen eilen konnte. Der Prinz von Homburg führte die Reitervorhut und ritt in zwei Wochen mit seinem Silbernen Bein von Schweinfurt bis nach Nauen in Brandenburg.

Dorthin, nach Nauen, fuhr ich auf meiner kleinen Radtour von Fehrbellin weiter und besuchte unterwegs das Schlachtfeld bei Hakenberg mit dem Denkmal für die tapferen Brandenburger. (Die Inschrift hat seltsamerweise ähnliche grammatikalische Schwächen wie das Schild am Homburger Schloss.)

In Nauen, wie bereits vorher in Rathenow, bezogen die Schweden (unter denen den Namen nach wohl auch einige Deutsche waren) am 17. Juni 1675 schon mal schwere Prügel von den Brandenburgern. Man lese den in Fontanes "Wanderungen" abgedruckten Brief des Homburger Prinzen aus Nauen an seine zweite Ehefrau, Louise von Kurland: Er muss sie wohl sehr geliebt haben, seine "Engelsdicke", wie er sie nennt. Denn er verschont sie sichtlich mit Schrecknissen, verweist auf die schon zerstörte Brücke bei Fehrbellin (sein geliebtes Neustadt an der Dosse ist damit relativ sicher) und redet von seiner geplanten Kur in Schwalbach. Was er an diesem Tage wirklich plant und am nächsten Tage bei Fehrbellin auch durchführt, sagt er in dem Brief nicht!

Denn: Ohne am nächsten Morgen auf den Kurfürsten und die brandenburgischen Fußtruppen zu warten, unter genialer Ausnutzung seiner detaillierten Ortskenntnisse, nur mit seinen Reitern und assistiert von der Artillerie unter Reitergeneral Derfflinger, drängt er die an Soldaten und Geschützen haushoch überlegenen Schweden auf die Brücke von Fehrbellin zu und macht Kleinholz aus ihrer Armee. In seinem Brief an seine "Engelsdicke" vom 19. Juni aus Fehrbellin schildert er dann die Schrecknisse der Schlacht, aber auch das Einmalige, Unerhörte: Sieg des bedeutunglosen Brandenburg nur mit Reitern und Artillerie, ohne Fußtruppen, über die schwedische, die damals berühmteste Armee Europas! Nur deshalb darf sich dann ein paar Jahre später Brandenburg zum Königreich Preußen aufschwingen. Und noch später, im Siebenjährigen Krieg, erzwingt eben dies Preußen als "Festlandsdegen" Englands dessen Sieg über Frankreich und ermöglicht dadurch die Entstehung der Vereinigten Staaten von Amerika! Und das alles vielleicht nur, weil der Prinz von Homburg sein kleines Neustadt an der Dosse vor den Schweden beschützen wollte!

Was er später, als Landgraf Friedrich II. von Hessen-Homburg, noch geleistet hat, davon künden unter anderem Denkmale in Friedrichsdorf und im Bad Homburger Kurpark. Seiner "Engelsdicken" zu Ehren heißt die Einkaufsmeile in Bad Homburg heute "Louisenstraße". Und sollte er mitbekommen, dass dort weder Stahl- noch sonstige Rösser gern gesehen sind, dreht er sich sicher in der Schlosskirchengruft im Sarge herum...

Günther Gräning