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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Auf der Überholspur

Offenbach macht Tempo in Sachen Radverkehr

Bild zum Artikel So empfängt Offenbach Radfahrende auf dem Mainuferweg!
Foto: Peter Sauer

Im Frühjahr, anlässlich einer Besichtigung der Großbaustelle am Kaiserlei, fiel es mir auf: Radwegweiser, offensichtlich erst vor kurzem montiert, weisen in Richtung Offenbach-Zentrum, nach Oberrad oder über die Kaiserleibrücke nach Frankfurt-Bornheim. Auch jenseits der Baustelle, im Bereich rund um die Berliner Straße in Offenbach, sind Wegweiser zu sehen. Einziger Schönheitsfehler: Wegen Umbau des Kaiserleikreisels sind die angezeigten Verbindungen nach Sachsenhausen oder Oberrad zurzeit nicht zu nutzen, die Radwege rund um die riesige Baustelle sind gesperrt. Zur Ehrenrettung sei gesagt: Für Frankfurter gibt es am Mainuferweg im Bereich Gerbermühle/Kaiserlei eine vorbildliche Umleitungsbeschilderung.

Bis vor kurzem beschränkte sich die Radwegweisung auf kaum mehr als handtellergroße Schildchen, die lose in der Stadt verteilt waren und deren Text man im Vorbeifahren nur mit Mühe lesen konnte. Radverbindungen waren für Ortsfremde nicht zu erkennen. Eine Ausnahme bildete hier der Industriebahnweg, der die Innenstadt seit einigen Jahren auf einer rund 4 km langen ehemaligen Bahntrasse umschließt und an dem die Regionalpark-Wegweiser dezente Hinweise für Radfahrende geben konnten. Selbst auf der zentralen Achse durch die Stadt, der mit Radwegen ausgestatteten Berliner Straße, fand Radverkehr nur marginal statt, selten nur kam mir in den vielen Jahren, in denen ich in Offenbach unterwegs war, ein Radfahrer in die Quere. Bleibt der Mainweg als weitere Radverbindung, doch spielt dieser für die Offenbacher Bevölkerung keine große Rolle – auf dem Mainradweg fährt man entlang Kohlehalden, Kraftwerken und Autoparkplätzen an Offenbach schlicht vorbei.

Bild zum Artikel Radverkehrswegweisung, auch über die Stadtgrenzen hinaus. Im direkten Vergleich mit der alten Beschilderung (hier am Starkenburgring) zeigt sich der Fortschritt. Zusätzlich wurde gleich eine Radspur markiert.
Fotos: Peter Sauer

Workshops zum Radverkehr
Doch jetzt ändert sich hier etwas. Auch in Offenbach hat man die Zeichen der Zeit erkannt und sich auf den Weg gemacht, dem Fahrrad mehr Aufmerksamkeit zu widmen und dem Radverkehr mehr Platz einzuräumen. Auf der Website der Stadt finden sich dazu Hinweise, Tipps und Informationen in Hülle und Fülle. Das Amt für Umwelt, Energie und Klimaschutz veröffentlicht eine Broschüre zur "Fahrradstadt Offenbach", es wirbt für die Aktion Stadtradeln, Radfahrkurse für Frauen werden angeboten und das Amt lädt zu Workshops ein, in denen die Bevölkerung neue Projekte zur Radverkehrsförderung diskutieren soll. All das muss bei "Rad, Wein & Gesang" gefeiert werden: Am letzten Juliwochenende findet zum nun bereits dritten Mal die Veranstaltung rund um das Fahrrad mit Rad- und Spaßrennen, Radball und Radkultur statt.

Die Fußgängerzone (jetzt nicht lachen, liebe Frankfurter) wird seit Mai 2016 im Rahmen eines Pilotversuchs mit wissenschaftlicher Begleitung für den Radverkehr freigegeben. Deutlich wird an diesem Pilotversuch, wie weit Offenbach bisher in Sachen Radverkehr wirklich hinterher hinkt. Die Frankfurter Zeil ist schon seit 1991 für das Radfahren im Schritttempo geöffnet. Daran haben sich im Laufe der Jahre zwar viele Diskussionen entzündet, doch allen Gegnern dieser Regelung zum Trotz, hat diese bis heute Bestand.

In Offenbach hieß es bereits 2007: "Der Magistrat wird beauftragt, in allen Straßen, in denen dies gefahrlos möglich ist, die Regel 'Radfahren gegen den Einbahnstraßenverkehr in 30-km-Zonen' umzusetzen und der Stadtverordnetenversammlung bis Ende Februar 2008 über Umfang und Fortschritt der Umsetzung zu berichten." In einer Untersuchung wurden von 122 Einbahnstraßenabschnitten 95 als geeignet für die Befahrung durch Radfahrende in Gegenrichtung bezeichnet. Das war im Frühjahr 2009. "Die Kosten für die Umsetzung der Freigabe der Einbahnstraßen für Radverkehr in Gegenrichtung werden auf insgesamt 226.000,00 Euro geschätzt." Weit über die Hälfte dieser kalkulierten Kosten fiel dabei auf "Maßnahmen an Lichtsignalanlagen", 51.000 Euro wurden für die notwendige Beschilderungen einkalkuliert, 37.000 Euro für kleinere bauliche Maßnahmen und Markierungsarbeiten.

Bild zum Artikel Werbebanner am Offenbacher Verkehrsknoten Marktplatz: Radfahren in der Fußgängerzone gestattet. Gut erreichbarer Ampeldrücker an der Mainstraße gegenüber der Austraße. Sichere Querungsmöglichkeit in Bürgel: Baken halten Autofahrer vom Zuparken der Kreuzung ab.
Fotos: Peter Sauer

Die Umsetzung dieser Maßnahmen erfolgte sehr zögerlich, noch viele Jahre war von einer Öffnung der Einbahnstraßen in der Stadt kaum etwas zu spüren.

Offenbach. Gut 120.000 Einwohner, davon fast 40 Prozent ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Im Augenblick regiert von einer Koalition aus CDU, Grünen, FDP und Freien Wählern und einem SPD-Oberbürgermeister (Horst Schneider), der häufig mit dem Rad in der Stadt unterwegs ist. Sein privates rotes Faltrad wurde vor einiger Zeit geklaut. Aufrufe an die Bevölkerung, nach dem auffallenden Velo Ausschau zu halten, brachten das Rad leider nicht zurück. Der OB fährt nun mit einem ebenfalls roten Dienst-Faltrad durch die Stadt, jetzt allerdings elektrisch unterstützt.

Verkehr war in Offenbach bisher in erster Linie Autoverkehr. Tiefer gelegte Karrosserie, leistungsstarker Motor – so wird das Bild vom prolligen Offenbacher Autofahrer gezeichnet, der seine Kreise durch die Innenstadt zieht. Unter dem Asphalt rollt die S-Bahn und bietet mit vier Stationen in der City eine erstklassige Anbindung an Frankfurt und die Region. Flugverkehr ist in Offenbach Dauerthema, liegt die Stadt doch genau in der Einflugschneise des Frankfurter Flughafens. Große Teile der Stadt gelten als stark belastet von Fluglärm.

Bis auf den Mainradweg und den innerstädtischen Industriebahnweg war von Radverbindungen bisher kaum etwas zu sehen. Bei der Infrastruktur für den Radverkehr bleibt Offenbach weit hinter Frankfurt zurück. Doch das ändert sich offensichtlich gerade.

Bild zum Artikel Dem Fluglärm ist auch mit einem Radverkehrskonzept nicht zu entgehen.
Baustelle Kaiserlei: Umleitung auf dem Mainuferweg und übersichtliche Hinweistafel speziell für den Radverkehr nahe Gerbermühle.
Fotos: Peter Sauer

Offenbach fährt fair
Begleitet wurden die ganzen Aktionen von der Kampagne "Offenbach fährt fair" (siehe auch Frankfurt aktuell 5/2015). Auf Plakaten und in Broschüren wird für mehr Fairness und Freundlichkeit zwischen allen Verkehrsteilnehmern in Offenbach geworben. Die Kampagne entstand unter der Federführung des ADFC.

Im Jahr 2014 wurde von der Stadtverwaltung ein Fahrradstadtplan veröffentlicht, der kostenlos erhältlich ist und auf dem blau eingefärbte Straßenzüge ein Radnetz anzeigen. Die zweite Auflage soll noch in diesem Jahr folgen.

Nach dieser Aufholjagd in Sachen Radverkehr setzt Offenbach nun zum Überholen an. Innerhalb eines knappen halben Jahres, beginnend im November 2016, wurde die Stadt mit einer Radwegweisung versehen, die diesen Namen verdient. Die alten, kaum sichtbaren Schildchen verschwanden, moderne Wegweiser leiten jetzt durch die Stadt. Und dies nicht nur in der Innenstadt, auch in Bieber oder Bürgel, in Rumpenheim oder Rosenhöhe signalisieren die Wegweiser: Hier wird Rad gefahren. Die Beschilderung macht an der Stadtgrenze nicht halt, sondern zeigt, dass auch die umliegenden Gemeinden wie Mühlheim, Heusenstamm oder Neu-Isenburg leicht mit dem Rad zu erreichen sind. Zahlreiche Wegweiser leiten sogar nach Frankfurt – nach Oberrad, Sachsenhausen oder Bornheim. Und wer einmal von Frankfurt nach Heusenstamm radelt, stößt rund um Offenbach selbst mitten im Wald auf die modernen grün-weißen Hinweisschilder.

Die Stadt hat mit Hilfe eines Planungsbüros und in Zusammenarbeit mit dem ADFC ein von Grund auf neues Beschilderungskonzept für ein flächendeckendes Radverkehrsnetz erstellt. Schilder mit Nah- und Fernzielen wie Stadtteile oder wichtige Orte (Krankenhäuser, Bahnhöfe, Parks), Verknüpfungspunkte im Netz, Zwischenwegweiser entlang der Route – alles ist da, alles ist über weite Strecken nahezu perfekt angelegt.

270 Wegweisungsknoten seien festgelegt worden, lässt die Stadtverwaltung auf ihrer Website wissen, 177 davon wurden mit Zielwegweisern und 93 mit Zwischenwegweisern ausgestattet.

Einige Selbstversuche, die ich im Mai bei Fahrten kreuz und quer durch Offenbach unternahm, verliefen erfolgreich, die neue Wegweisung führt in der Regel zuverlässig ans Ziel. Der Radverkehrsbeauftrage der Stadt, der für die Beschilderung zuständig ist, hat hier ganze Arbeit geleistet. Und damit, dass muss man den Frankfurter Verkehrspolitikern an dieser Stelle unter die Nase reiben, zieht Offenbach bei der Umsetzung eines Radwegweisungskonzepts deutlich an der größeren Nachbarstadt vorbei.

Das Zählwerk läuft
Ergänzt wird die Wegweisung durch weitere Maßnahmen. Fahrrad-Piktogramme auf Straßen erinnern alle Verkehrsteilnehmer daran, dass hier mit Radverkehr zu rechnen ist. An einigen Punkten wurden schwierige Abbiege- oder Querungssituationen mit Hilfe von Warnbaken und Markierungen entschärft. Und als Motivierungshilfe steht am Hafen-Radweg eine Zählstelle (siehe Titel dieser Ausgabe), die die täglich vorbei Flitzenden registriert und darüber hinaus die Gesamtzahl der bisher in diesem Jahr erfassten Velofahrer anzeigt. Das waren Mitte Mai rund 180.000 (und am 3. Juli bereits 302.030!).

Natürlich ist auch in Offenbach nicht alles Gold was glänzt. Allein durch das Aufhängen von Wegweisern werden weder Bordsteine niedriger noch Radwege breiter oder Straßen von Schlaglöchern befreit. Und wo doch, sorgen mangelhaft ausgeführte Reparaturen für Unmut bei den Radfahrenden. Auch die Unterhaltung des breit angelegten Beschilderungskonzeptes wird Mühe kosten. Schon jetzt sind erste Wegweiser vorsätzlich verdreht und zeigen in eine falsche Richtung oder verdreckte Schilder sind kaum zu entziffern. Die kleinen Zwischenwegweiser könnten an einigen Stellen markanter daher kommen. Im Mischverkehr auf der Straße, gerade bei flotter Fahrt auf Gefällestrecken, sollten Vorwegweiser frühzeitiger auf die nächste Richtungsänderung hinweisen. Da gibt es sicherlich noch Verbesserungsbedarf.

Rund um die Baustelle am Kaiserlei sind zwar neue Radwegweiser zu sehen, doch die angezeigten Verbindungen enden an vielen Stellen vor rot-weißen Absperrungen. Hier sollten die neuen Wegweiser während der langen Bauzeit durch Abkleben mit Folie unkenntlich gemacht werden. Andererseits aber wurde entlang des Mainradwegs eine übersichtliche Umleitung eingerichtet, Schautafeln klären über die Umfahrungsmöglichkeiten der Baustelle auf. Wer allerdings nicht auf dem Mainweg daher kommt, landet unter Umständen im Baustellenchaos. Deshalb im Zweifelsfall vorher informieren: Auf www.offenbach.de wird ausführlich über Bauphasen und dazu passende Umleitungen (auch für den Radverkehr!) informiert.

Aber Vorsicht: Der eigentlich gut ausgebaute Mainradweg erweist sich im Berufsverkehr, wenn ein Strom von Pendlern morgens in Richtung Frankfurt eilt, an vielen Stellen bereits dem Ansturm der Radfahrenden kaum gewachsen.

Leider hat man auch bei der Ausweisung von innerstädtischen Radwegen viel zu häufig darauf verzichtet, dies zu Lasten des motorisierten Verkehrs zu tun. An einigen Stellen wurde einfach das blaue Fußweg-Schild mit dem Zusatzzeichen "Radfahrer frei" ergänzt. Das wird entlang der hochbelasteten Verkehrsachsen viele Radfahrende wieder von der Straße auf die Fußwege flüchten lassen. Die bekannten Konflikte mit den Fußgängern sind damit abzusehen.

Offenbach holt auf
Die Fortschritte, die in Offenbach in Sachen Radverkehr zu erkennen sind, schlagen sich gleich im aktuellen Fahrradklimatest des ADFC nieder. Offenbach belegt bundesweit den dritten Platz in der Kategorie "Aufholer" bei Städten von 100.000 bis 200.000 Einwohnern. Mit einer Note von 3,77 liegt die Stadt damit exakt auf Frankfurter Niveau – an die größere Stadt am Main wurde ebenfalls die Note 3,77 vergeben (was dort aber eine leichte Verschlechterung gegenüber der letzten Befragung bedeutet). Was der Test noch hervorbrachte? In beiden Städten nahmen je 10.000 Einwohner genau 11 Personen am Fahrradklimatest teil. Grund genug, wenigstens in Sachen Radverkehr ein gleichberechtigtes Nebeneinander der beiden Nachbarstädte festzustellen.

Peter Sauer