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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main   

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Nach Diesel- und Kartellskandal:

Die richtigen Konsequenzen ziehen!
Emissionsfreie Mobilität fördern!

Foto: ADFC

Abgas-Emissionen, ob Stickoxid oder CO2 oder was auch immer, kommen nun mal vom Betrieb von Verbrennungsmotoren und wer weniger Abgas einatmen will, muss dafür sorgen, dass weniger Motoren brummen. Natürlich kann man Dieselmotoren mit AdBlue-Harnstoffzumischung nachrüsten, man kann auch Dieselmotoren durch Ottomotoren substituieren (wahrscheinlich der momentane Markttrend im Privat-PKW-Bereich), was aber wieder zu höherem CO2-Ausstoß führt, denn Benziner verbrauchen mengenmäßig mehr Kraftstoff. Elektroautos sind noch nicht in der Masse marktreif und für viele zu teuer, ihre Ökobilanz hat außerdem andere Schwächen.

Es beißt die Maus keinen Faden ab: Wer ernsthaft Emissionen verringern will, muss dafür sorgen, dass insgesamt weniger mit Verbrennungsmotoren gefahren wird, und das wenigere dann auch langsamer, denn der Kraftstoffverbrauch pro Kilometer steigt nun mal mit der Geschwindigkeit.

Tempo runter

Das mit dem Tempo wäre einfach: Tempo 130 auf Autobahnen – die Franzosen und Italiener kommen damit bestens zurecht; Tempolimits für Klein-LKWs, denn die Sprinter, Crafter und Ducatos müssen nun wirklich nicht bis zum Anschlag geheizt werden; Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts, Ausnahmen werden gesondert beschildert. Allein diese regulatorischen Maßnahmen, die nichts weiter als vernünftig sind und nichts kosten, würden die Emissionen – egal ob Diesel oder Benzin – schon massiv absenken.

Warentransport ist zu billig

Dann muss die Frage erlaubt sein, was das überproportionale Wachstum der Logistik eigentlich bringt. Natürlich schafft das Arbeitsplätze, aber das Hin- und Herfahren von Gütern nützt erst mal niemandem was. Ein Produkt entfaltet seinen Nutzen dann, wenn es beim Kunden ist. Ob es vorher 5 oder 500 Kilometer durch die Republik transportiert wurde, ist für den Kunden irrelevant. Wir haben in ganz Zentraleuropa seit Jahren ein eher langsames Wirtschaftswachstum, die verfügbaren Einkommen der Haushalte wachsen noch langsamer oder auch gar nicht, aber Logistik und Lieferdienste sind im Dauerstress und wachsen ständig, demnächst auch noch per Gigaliner. Muss das sein? Was kommt dabei raus, außer mehr Abgasen? Ist Transport vielleicht zu billig?

Vorbilder Niederlande und Dänemark

Und dann gibt es eben das emissionsfreie muskelkraftbetriebene Fahrrad, im Entfernungsbereich bis sechs Kilometer im Stadtverkehr ist es sogar schneller als das Auto, es macht noch nicht einmal Lärm, und die elektrisch unterstützte Variante ist ein Marktrenner und kommt ohne einen Cent Subvention aus. Wer wirklich Emissionen senken will, muss es den Menschen erleichtern, im Alltag aufs Fahrrad oder auf die Kombination Fahrrad-ÖPNV umzusteigen. Holland und Dänemark sind dafür die Vorbilder. Man muss nicht alles von dort imitieren, aber dort stimmt die Wertschätzung des Fahrrades als ernstzunehmendes Verkehrsmittel. Das Fahrrad bekommt dort seinen angemessenen Anteil bei der Verteilung von Investitionen auf die Verkehrsträger. In Deutschland muss viel massiver in die Infrastruktur des Radverkehrs investiert werden, die Kommunen müssen dafür finanziell ausgestattet werden, und sie müssen sich selbst personell dafür aufstellen.

Holperpisten als Radwege

Nehmen wir nur einmal Frankfurt als Beispiel, Deutschlands fünftgrößte Stadt und im ADFC-Fahrradklimatest gar nicht mal schlecht platziert auf Platz 12 von 39 großen Städten: selbst hier gibt es viele wichtige Straßen mit Tempo 50 und ohne die geringste Fahrrad-Infrastruktur, noch nicht einmal in Form von weißen Farbmarkierungen (dazu genauer Frankfurt aktuell 2/2017 vom März d.J.). Wenn es eine Radverkehrs-Infrastruktur gibt, dann in rund der Hälfte der Fälle mindestens unkomfortabel (Holperpisten als Radwege) oder sogar gefährlich schlecht (schmale Rad- oder Schutzstreifen ohne Sicherheitstrennstreifen zur Dooring-Zone parkender PKWs).

Das größte Plus Frankfurts für seine Radfahrer/-innen sind die vielen in Gegenrichtung geöffneten Einbahnstraßen, und das ist eigentlich keine Investition in Infrastruktur (ein paar Furten und Trenninseln, mehr brauchte es dafür nicht), sondern reine Verkehrsregelung mittels Markierung und Beschilderung. Aus den 90er Jahren gibt es immerhin 6 fertig gestellte Radrouten in den unterschiedlichsten Führungsformen, aber auch da gab es jedes Mal das Geschrei "Viel zu teuer, soviel Steuergeld für die paar Radfahrer", sobald eine Baumaßnahme mal ernsthaft was kostete. Die letzte wirklich größere Baumaßnahme, der Hochkai-Radweg am südlichen Mainufer, stammt planerisch noch aus den 90er Jahren. Seitdem gibt es im Wesentlichen Markierungslösungen, einige davon ganz pfiffig. Letztes Leuchtturmprojekt ist die Doppelstock-Abstellanlage an der Konstablerwache für 96 Fahrräder. Gute Sache, keine Frage, aber im niederländischen Utrecht baut man gerade eine für 12.000 Räder!

Der suburbane Raum

Nehmen wir die suburbane Vorstadtzone im Süden zwischen Frankfurt und Darmstadt, mit Flughafen, dicht beieinander liegenden mittleren Städten und großen Gewerbegebieten, jede Menge Autobahnen, Schnellstraßen, Bahntrassen aller Art, das ganze im Kerosinnebel und unter dem Lärmteppich von vier Start- bzw. Landebahnen. Hier wohnen genau so viele Menschen wie in Frankfurt, und viele von ihnen würden gern mit dem Rad zur Arbeit fahren (zum Beispiel auch zum Flughafen), müssten das aber auf holprigen Waldwegen tun – asphaltierte allwettertaugliche Radwege gibt es nur ausnahmsweise. Der ADFC Dreieich musste vorletztes Jahr extra eine Demo veranstalten, um Kreis und Land dazu zu bringen, zwei benachbarte Städte mit einem Radweg zu verbinden. In dieser Region gilt bisher die Regel: einen neuen Flughafenterminal bauen wir ratzfatz (wir sind schließlich nicht in Berlin), aber ein paar Radwege oder gar ein Radschnellweg sind eine Mehrgenerationen-Aufgabe. Hier stimmt einfach die ganze Denke nicht!

Radland JETZT!

Zugegeben, dieser allgemein-verkehrspolitische Artikel hat nicht direkt etwas mit unserer Frankfurter Situation zu tun. Aber: Ende September ist Bundestagswahl, auch in Frankfurt gibt es zwei Wahlkreise, in denen Kandidaten um Direktmandate kämpfen. Der ADFC hat im Rahmen seiner bundesweiten Kampagne "Radland JETZT!" einen Katalog von 10 bundespolitischen Forderungen erstellt (www.radlandjetzt.de) . Es gibt im Wahlkampf sicher Gelegenheit, Kandidaten mal darauf abzuklopfen, ob sie sich als Abgeordnete künftig mit ADFC-Forderungen anfreunden können!

Bertram Giebeler