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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Mainlust…

Foto: Günther Gräning


… so heißt sie wirklich, die kleine Brauerei in ­Viereth am Main! Und beim hiesigen Bier stimmt einfach alles – Farbe, ­Temperatur, Geschmack. Nur über die Menge muss jeder selbst entscheiden.

Meine Tagestour mit dem Rad startet hier und hat Bamberg zum Ziel, allerdings aus gutem Grunde mit einem kleinen Umweg, wie man gleich sehen wird. Ich fahre nämlich zunächst vom Main an der Regnitz aufwärts durch Bamberg hindurch, allen braumeisterlichen Versuchungen unterwegs ausweichend. Mein erstes Ziel ist Forchheim nach rund 35 km. Ich fahre auf der westlichen Seite des Flusses, weil man sich nur hier ernsthaft verfahren kann. Das gehört für mich bei einer guten Tour einfach dazu.

In Forchheim, Ort der Wahl des ersten deutschen Königs im Jahre 911, führt mein Weg zum Platz vor dem Rathaus und zur Brauerei Neder. Ein kleiner Frühschoppen ist hier Pflicht. Außerdem hat Neder plakatiert: "461 Jahre Brauerei Neder". Das muss natürlich gefeiert werden. Mein fiktives Gespräch mit dem Schankwirt: "Euer Ziel für die nächsten 461 Jahre?" "Ziel??" "Na, zum Beispiel den Bierpreis auf 3,80 € verdoppeln, andere nehmen das heute schon." "Das geht doch mit den Leuten nicht" – er sieht sich um und deutet auf die Gäste, die um 11 Uhr immer hier sitzen. Ich: "Die sind doch dann weg." "Das weiß man nicht. Unser Bier hält jung!"

Es geht 10 km weiter am Flüsschen Wiesent nach Ebermannstadt. Rechts grüßt schon von weitem das "Walberla" (Ehrenbürg), einer der heiligen Berge der Franken. Die Brauereien in Ebermannstadt werden mannhaft ignoriert, denn es geht weiter auf einem ehemaligen Bahndamm 11 km weit nach Heiligenstadt, jetzt nicht mehr an der Wiesent, sondern immer am zauberhaften Flüsschen Leinleiter entlang.

Es ist Zeit zum Essen. Am Marktplatz lockt die winzige Brauerei ­Aichinger, die früher mal "Drei Kronen" hieß, keiner weiß warum. Als ihr Sohn, der Braumeister, es seinerzeit wagte, einen Ruhetag pro Woche einzuführen, war die Wirtin todunglücklich, weil es nun "sooo langweilig" sei.

Weiter im herrlichen Tal der Leinleiter. Über Burggrub (man lese den Namen mal rückwärts) und Oberleinleiter (noch eine Brauerei am Weg) geht es zur Herolds­mühle. Einkehr ist empfohlen, auch wegen des uralten Mühlrades. Ich verlasse jetzt die bequemen Radwege und folge einem Wanderweg zur Quelle der Leinleiter. So wasserreich ist sie, dass sie direkt danach einen Fischteich speisen kann und früher eine Mühle antreiben konnte. Das Wasser ist kristallklar und hat die ideale Trinktemperatur. Ich entsage dem Bier – ­vorübergehend. Jetzt folgt ein Trockental: Nur zur Schneeschmelze im Frühjahr führen hier riesige Quellen, die sogenannten "Tummler", große Wassermengen. Und dieses Wasser kann dann später in Frankfurt durchaus bis an den Römerberg schwappen. Aus Mainlust wird dann vorübergehend Mainfrust.

Das Radfahren auf dem Wanderpfad ist jetzt schwierig, aber herrlich, in völliger Einsamkeit. Man sieht nur rechts und links die beiden baumlosen Hänge des Tales und oben den Himmel.

Wenn man denkt, es komme nichts mehr, erscheint am Horizont plötzlich das Dorf Laibarös. Keiner weiß, warum hier gesiedelt wurde, ohne Wasser und daher auch ohne Bier; ich habe vorsichtshalber auch nicht danach gefragt. Aber man weiß durchaus, was Bamberg ist und wo es liegt. Nur sagt mir keiner, dass ich, um dorthin zu gelangen, noch 100 m höher auf runde 600 m steigen muss.

Dann folgt eine rasende Abfahrt. Scharf abbremsen muss ich in Tiefenellern. Hier gibt es einen Bierkeller in Form und Größe eines Amphitheaters. Alle Einwohner des Dorfes hätten sicherlich fünfmal darin Platz, bei der Kapazität seiner Bierkeller geht der Franke eben gerne auf Nummer Sicher. Ich sitze gedankenverloren am Hang mit Blick auf das Dorf und sinniere. Eigentlich bin ich ja kein Kreationist, was die Natur angeht, mit einer Ausnahme: Bei der Kastanie handelt es sich bestimmt um die gezielte Entwicklung zum optimalen Schattenspender für fränkische Bierkeller.

Weiter abwärts über Lohndorf (zwei Brauereien) nach Bamberg. Mein Tacho zeigt mittlerweile etwa 100 km Fahrtstrecke. Ich habe Durst, finde aber im Gassengewirr und wegen des Festgetümmels bei der "Sandkerwa" die Brauerei Schlenkerla mit ihrem Rauchbier nicht. Eine freundliche Touristik­dame schenkt mir einen Stadtplan. Bamberg ist bekanntlich Weltkulturerbe; auf dem Stadtplan ist dessen Grenze haus- und grundstücksgenau eingezeichnet. Bekannte Brauereien wie Schlenkerla, Fässla, Spezial etc. liegen zu meiner Beruhigung innerhalb. Nur die beiden wunderbaren Brauereien mit ihrem wunderbaren fränkischen Ambiente im Stadtteil Wunderburg, die liegen außerhalb. Was tun? Ich annektiere auf meinem Stadtplan zeichnerisch den Komplex mit den beiden Brauereien, der Kirche und dem Metzger von Wunderburg zum Welterbe – ja, auch den Metzger, als Belohnung für seinen "Bauernschmaus".

Günther Gräning,
im September 2015