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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Bild zum Artikel Trotz Corona und reger Nutzung beherrscht eine beruhigende Stille den Mainkai. Aber wie lange noch?
Angar Hegerfeld

Mainkai autofrei – vermasselt Frankfurt seine Chance?

Koalition uneins über Fortführung der "Testphase"

Ein Dreivierteljahr ist das nördliche Mainufer zwischen Alter Brücke und Untermainbrücke jetzt für den Autoverkehr gesperrt. Seitdem geht es dort sehr ruhig zu, von gelegentlichen Events und Festivitäten abgesehen. Auch für Radfahrer*innen ist es dort nun angenehm entspannt, und das nehmen wir gern mit.

Die ganze Idee vom autofreien Mainufer war aber nicht in erster Linie dazu gedacht, den Radfahrer*innen einen Gefallen zu tun. Offen gesagt, zum Rad fahren müsste die Straße nicht komplett autofrei sein, es reichte je ein ordentlicher, gegen Falschparken gesicherter Radstreifen auf beiden Seiten. Wenn man auf der Südseite zwischen "Zum Pfarrturm" und dem Spielplatz in Höhe Seckbächer Gasse den Radstreifen genügend breit für Zweirichtungsverkehr auslegte, wäre es sogar möglich, in diesem Abschnitt das direkte Flussufer komplett den Fußgängern zu überlassen.

Der ADFC und die Aktiven vom Radentscheid unterstützen das Projekt autofreies Mainufer dennoch. Zum einen, weil es einen Einstieg markieren würde in die größere Perspektive "autofreie Innenstadt". Zum anderen ist es städtebaulich eine positive Vision, wenn Frankfurt sich sein direktes historisches Flussufer zurückholt. Städte wie Düsseldorf, Bremen, Basel, Lyon, Paris, Linz – um nur einige zu nennen – haben ihre zentralen Flussuferbereiche in den letzten zwei Jahrzehnten komplett umgestaltet und den Autoverkehr in die zweite Reihe verdrängt oder vollständig verbannt.

Das Projekt hat aber bekanntlich nicht nur Freunde, insbesondere in Sachsenhausen. In der Tat drückt ein Teil des Verkehrs jetzt stattdessen durch diesen Stadtteil. Das gab den Ausschlag für die Gründung der Bürgerinitiative "Sachsenhausen wehrt sich", die seit Ende 2019 das Projekt vehement bekämpft, und oft apokalyptische Horrorszenarien an die Wand malt. Wir wollen nicht behaupten, dass die Umleitung des Autoverkehrs optimal gelöst wurde, aber spätestens seit der Auswertung der Tom-Tom-Navigationsdaten im Februar 2020 (noch vor Corona!) müsste allen klar sein, dass sich die Problematik in Grenzen hält: nach den Messungen verlängerten sich die Zeiten, die Autofahrende in Sachsenhausen im Stau standen, um eine Spanne zwischen 14�Sekunden und maximal zwei Minuten gegenüber der Zeit vor der Sperrung! Das ist nun wirklich zu verkraften!

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links: So sehen anderswo Flussufer in der City aus: Rheinufer Düsseldorf, heute Boulevard für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen, im Souterrain direkt am Rhein Altbier satt
Stadt Düsseldorf
rechts: Oder das Seine-Ufer in Paris: Jogger, Skater, Radfahrende, Flaneure, Cafégäste
Julia Krohmer

Die BI bekämpft insbesondere den Dezernenten Klaus Oesterling persönlich bis aufs Messer, auch mit wüsten Anschuldigungen und Beleidigungen ("Hochverrat"). Dadurch, dass Radentscheid und ADFC auf den turbulenten Verkehrsausschuss-Sitzungen dem Dezernenten durch Gegenmobilisierung den Rücken stärken konnten, entstand bei vielen der falsche Eindruck, das Ganze sei ein Projekt der Radlerlobby. Dabei ist es schlicht eine Idee der SPD im letzten Kommunalwahlkampf 2016. Die Idee fanden wir gut, aber es war nicht unsere.

Es wäre angemessen gewesen, wenn außer Klaus Oesterling auch noch andere ranghohe Vertreter der SPD, möglichst im Dezernentenrang, das Projekt von Anfang an öffentlich unterstützt hätten. Okay, der rührige Ortsvorsteher des OBR 1, Oliver Strank, koordiniert die Bürgerinitiative "Lebensqualität am Mainufer" auf der nördlichen Mainseite. Mike Josef, SPD-Vorsitzender und Planungsdezernent, kam jetzt recht spät mit Vorschlägen zur Verkehrsberuhigung der ganzen City aus der Deckung.

Hilfreich wäre insbesondere, wenn das Planungsdezernat bzw. das Planungsamt so etwas wie eine städtebauliche Idee oder sogar Vision von einer attraktiven Zukunft des Mainufers entwickeln würde. Dort arbeiten qualifizierte und gut bezahlte Mitarbeiter*innen, die das prima umsetzen könnten. Der derzeitige Zustand – eine zwar autofreie, aber ansonsten gähnend langweilige Asphaltfläche – kann nicht Sinn der Sache sein. Die Vision vom historischen Mainufer Frankfurts ist ein Thema, das für einen SPD-Oberbürgermeister nicht zu klein sein sollte!

Im Moment sieht es so aus, dass CDU und Grüne von dem Projekt abrücken wollen. Hoffentlich ist das – besonders von den Grünen – noch nicht das letzte Wort dazu. Eine Umgestaltung der 50er-Jahre-Autoschneise Berliner Straße wäre sicher eine Maßnahme, die wir auch unterstützen würden. Als Ersatz für ein neu gestaltetes autofreies Mainufer taugt das aber nicht. Frankfurt sollte die Chance nicht verpassen, am Mainufer etwas wirklich Neues zu schaffen!

Bertram Giebeler