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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

Artikel dieser Ausgabe

Tour-Info

Moderate 230 km in viereinhalb Tagen auf gut befahrbaren Radwegen (Milseburgradweg, Rhön-Radweg, Fränkische Saale, Main, Spessart – nicht überall Asphaltdecke) oder verkehrsarmen Nebenstraßen. Auch wer auf den Kreuzberg verzichtet, kommt nicht ganz steigungsfrei durch die Rhön. Exzellente Bahnverbindungen (stündlich nach Fulda, stündlich von Lohr oder Heigenbrücken nach Frankfurt, in beiden Fällen umsteigefrei). In der Hohen Rhön um Quartier vorab kümmern, einige Häuser/Hütten öffnen nur am Wochenende.

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Im Land der offenen Fernen

Kleine Reise durch die hessische und die bayerische Rhön

Wir Deutschen fahren gerne Rad. Am liebsten aber mit dem Auto. Diesen Eindruck jedenfalls vermittelt der große Parkplatz wenige Kilometer außerhalb Fuldas. Dicht an dicht stehen die Wagen an diesem Dienstag in der Sonne, an jedem Heck ein Fahrrad-Träger. Hier beginnt der Milseburg-Radweg, der gut asphaltiert auf einer ehemaligen Bahntrasse ins "Land der offenen Fernen", wie für die Rhön geworben wird, führt. Grund genug offensichtlich, um für einen Tag vom Auto aufs Rad umzusteigen.

Kloster Kreuzberg: An alles gedacht
Peter Sauer

Der Regionalexpress von Frankfurt nach Fulda ist vormittags nur schwach besetzt und entlässt uns zwei Minuten vor der angekündigten Zeit auf den Bahnsteig der ost-hessischen Bischofsstadt. Vor dem Bahnhof gleich weist eine ordentliche Beschilderung den Weg in die Rhön, nach Tann oder nach Hilders. Die Wegweisung setzt sich in den Außenbezirken der Stadt fort und bringt uns zu dem großen Parkplatz am Beginn des Milseburgradwegs. Hier lassen wir den motorisierten Verkehr hinter uns und rollen bei leichtem Auf und Ab durch die grüne Hügellandschaft der Kuppenrhön. Die Luft ist klar, in der Ferne werden Milseburg und Wasserkuppe sichtbar, davor abgeerntete Felder und ein spektakulär auf einer Bergkuppe thronendes Schloss. Darunter liegt Langenbieber, und wo ehemals ein Bahnhof war, ist nun eine Imbisslandschaft am Radweg entstanden, in der Kaffee und Kuchen angeboten wird. Das Schloss, weiterhin in Sichtweite, wird uns als "Schloss Bieberstein" vorgestellt, in dem heute nicht mehr wie einst die Fuldaer Bischöfe residieren, sondern ein Internat Platz gefunden hat, für die von Haus aus Gutbetuchten unter den schwierigen Jugendlichen, wie am Imbissstand erklärt wird. Dass man die Reichen so wenigstens unter Kontrolle habe, lässt die Wirtin nicht gelten. "Die haben uns unter Kontrolle", seufzt sie, es sei manchmal schon anstrengend, ergänzt die eigentlich recht resolute Dame und ich kann mir gut vorstellen, wie eine Gruppe halbwüchsiger Internierter im ruhigen kleinen Ort für Unruhe sorgen kann.

Beim Dörfchen Elters, wenige Kilometer und einige Höhenmeter weiter, tut sich unvermittelt eine freie Wiese mit einigen Sitzbänken auf. Informationsblätter des "Förderverein Radwegekirche Milseburg e.V." kündigen den geplanten Bau der "ersten originären Radwegekirche Deutschlands" an. Der Architektenentwurf sieht dafür die Form einer "Himmelstreppe" vor. Um Spenden für die Baukosten wird gebeten ( www.radwegekirche.de ) .

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links: Parkplatz am Milseburgradweg
rechts: 8° C auch im Sommer: Milseburgtunnel
Peter Sauer

Stetig steigt die Strecke an, der Höhepunkt des Milseburgradwegs, das Ausflugsziel vieler Radtouristen, kommt näher: Der Milseburgtunnel, über einen Kilometer lang, beleuchtet, aber nicht beheizt. So schlüpfen viele der Rhönradelnden bei hochsommerlichen Temperaturen in ihre Windjacken, bevor sie die Tunnelstrecke angehen. Nur 8� C soll die Luft im Tunnel haben, und das selbst im Juli. Gut, dass hinter dem Tunnel, vorbei am ehemaligen Bahnhof Milseburg, eine lange Abfahrt beginnt, nun wieder angenehm temperiert und mit wunderbarem Fernblick.

Auf dem Land gibt's keine Metzger mehr

Hilders erreichen wir am frühen Nachmittag, so dass ausreichend Zeit zu einer Erkundung bleibt. Erste Überraschung: Es gibt keinen Bäcker mehr im Ort. Zweite: Eine Metzgerei ebenfalls nicht. Die Läden sind zwar noch da, aber längst geschlossen. Dafür findet man, die Erkundung etwas außerhalb des Ortes fortsetzend, einen großen Parkplatz zwischen den üblichen Supermärkten, Drogerie- und Billig-Textilläden, Tankstellen, usw. Dort, im Eingangsbereich eines der Supermärkte, sind dann die im Ortskern fehlenden Bäcker oder Metzger zu finden. Und das setzt sich fort. In vielen Orten der Rhön (und nicht nur dort) stehen die Läden leer, während irgendwo außerhalb große Einkaufszentren in die Landschaft betoniert wurden.

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links: Bergauf in Sichtweite der Wasserkuppe
rechts: Der "Berg der Franken" in der bayerischen Rhön
Peter Sauer

Entschädigt für unsere Enttäuschung werden wir jedoch im Gasthof neben der Kirche, mit Biergarten und verlockender Speisenkarte. Dazu die Abendsonne, die sich im Bierglas spiegelt – und schon fühlen wir uns wie im Urlaub.

Der nächste Tag beginnt für uns auf dem Rhön-Radweg. Dieser verläuft von Bad Salzungen nach Hammelburg. Wir treffen auf ihn in Hilders, um von dort die "Königsetappe", wie die Rhön-Werbung schreibt, anzugehen: "Von Wüstensachsen (564 m ü. d. M.) bis zur Schornhecke im Naturschutzgebiet Lange Rhön (828 m ü. d. M.) sind nun mehr als 260 hm zurückzulegen", heißt es. 260 Höhenmeter erscheinen uns etwas wenig für eine echte Königsetappe, so dass wir unser nächstes Quartier im Kloster auf dem Kreuzberg in der bayerischen Rhön buchen. Davor sammeln wir fleißig Höhenmeter auf dem wunderschönen Weg von Hilders nach Wüstensachsen, der sich vermeintlich im Tal, aber gerne auch auf und ab am Berghang durch die Landschaft schlängelt. Wüstensachsen dann zeigt, ähnlich wie Hilders, noch Spuren eines vergangenen Geschäftslebens. Bäcker oder Metzger haben längst geschlossen, auch ein Kaffee ist nirgends zu bekommen. So nehmen wir den Aufstieg zur Langen Rhön ohne Kaffee in Angriff und zuckeln auf einer wenig befahrenen Straße bergan. Rechts ist der Gipfel der Wasserkuppe zu erkennen, vor uns der Sendemast auf dem Heidelstein. Wenige Meter vor dem höchsten Punkt der Strecke, der Schornhecke, signalisiert ein Schild, dass wir nun in Bayern angekommen sind, und so tut sich von der Höhenstraße prompt ein Panoramablick über die hier nun fränkische Rhön auf. Dass auf dem Sträßchen vor starkem Autoverkehr an Wochenenden gewarnt wird, mag man sich an diesem ruhigen Mittwoch kaum vorstellen.

Von der Thüringer Hütte steil bergab nach Urspingen

Im Gastgarten des Ausflugslokals Thüringer Hütte allerdings schon. Der Parkplatz vor dem Haus ist voll, der Garten ebenfalls. Trotzdem finden wir noch einen Sitzplatz, und ein Teller Suppe und ein Glas Johannisbeerschorle helfen uns, den zweiten Teil der Königsetappe anzugehen, der vorerst aus rund 750 Metern Höhe steil abwärts führt ins Dörfchen Urspringen und dabei die bisher gesammelten Höhenmeter in Minutenschnelle vernichtet. In Oberelsbach, ein paar Kilometer weiter, lohnt – Reisen soll auch bilden – ein Besuch im Informationszentrum zum Biosphärenreservat Rhön und, für Freunde von Kaffee und Kuchen, im Mühlen-Café im Dorf. Wir haben keinen der beiden Oberelsbacher Höhepunkte ausgelassen.

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links: Stadttor in Neustadt an der Saale
rechts: Alte Luitpoldquelle in Bad Kissingen
Peter Sauer

Danach wird's dann noch einmal etwas zäh, langgezogene Steigungen und Wind machen uns zu schaffen. Dazu steht der Kreuzberg bedrohliche, aber gleichzeitig verlockende 950 Meter hoch vor uns. Dass unser Bett dort oben steht, immerhin noch rund 500 Höhenmeter über dem Städtchen Bischofsheim, haben wir uns selbst eingebrockt. Dass es zwar nicht weit ist bis dorthin, dafür aber ziemlich steil, wussten wir auch. Vorsichtshalber füllen wir am Getränkemarkt im großzügig angelegten Bischofsheimer Gewerbegebiet noch einmal unsere Wasservorräte auf.

Den letzten Kilometer vor dem Kloster unterhalb der Bergspitze bewältigen wir schiebend, die allerletzten Meter dann aber wieder fahrend. Die Luft ist frischer als im Tal, die Sonne scheint länger und der Durst ist gewaltig. Sobald der Tagestourismus mit Schweinshaxen und Bierkrügen rund um die Klosterbrauerei abebbt, zieht eine wunderbare Ruhe auf dem "Berg der Franken" ein und vom Wahrzeichen, den drei Golgota-Kreuzen knapp unterhalb des Gipfels (und direkt neben einem gewaltigen Sendemast des Bayerischen Rundfunks), geht der Blick bis hinüber zur Wasserkuppe und, ganz am Horizont, zum Taunus. Noch ein Krug Bier auf der Terrasse des Gasthofs, bevor die Sonne hinter den Bergen der Rhön verschwindet und die große Klosteranlage in Schlaf fällt. Nach fast 1.000 Höhenmetern – das kommt einer Königsetappe schon näher als die Angaben der Rhön-Werbung – sind auch wir reif für das Bett.

Am nächsten Morgen rollen wir in wenigen Minuten auf der steilen Straße vom Kreuzberg hinunter nach Bischofsheim. Der Ort ist sehenswert, hübsch renovierte Häuser, Cafés, Läden – hier scheint es noch städtisches Leben zu geben. Sogar Bäcker und Metzgerei haben geöffnet, was uns aber nun, wenige Minuten nach dem opulenten Kloster-Frühstück, nicht weiterhilft.

Nach Bad Neustadt an der Saale rollen wir auf einer ehemaligen Bahntrasse leicht bergab. Die bergige Rhön scheint hinter uns zu liegen, nun kommen die Heilbäder. Bad Neustadt mit pittoreskem Stadtkern. Gastgärten und Cafés schmücken den Marktplatz, die behutsam renovierte Kirche, ganz ohne protziges Gold, lohnt einen Besuch. Eine Metzgerei ist auch hier nicht zu entdecken, stattdessen auffällig viele Uhren- und Optikerläden oder Juweliere, die offensichtlich den Bedarf der Kurgäste decken wollen. Leberkäs-Brötchen gegen den ersten Hunger erstehen wir dann in einer Bäckerei mit "heißer Theke".

Luitpold-Brunnen: Heilwasser nicht als Durstlöscher trinken

Der gut beschilderte Radweg bringt uns im Tal der fränkischen Saale zum nächsten Kurort, nach Bad Bocklet. Das sehenswerte Biedermeier-Kurhaus ist leider eine Baustelle, doch ein Café am Kurpark sorgt für weitere Kalorienzufuhr, so dass wir es leicht zu unserer ersten Kuranwendung am alten Luitpoldbrunnen mit seinem hölzernen Bohrturm schaffen. Das Wasser schmeckt, wie nicht anders zu erwarten, mehr nach Heilung als nach Durstlöscher. Man solle nicht zuviel davon trinken, rät ein älterer Herr, der vor der Brunnenanlage sitzt, es fördere die Verdauung überraschend gut. Das bestätigt sich wenige Kilometer weiter in Bad Kissingen – zum Glück aber erst, nachdem wir unser Quartier dort erreicht haben.

Der weltberühmte Kurort scheint aus der Zeit gefallen. Kuranlagen, deren Urspünge bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen, Prachtbauten aus Kaisers Zeiten und großzügige Parkanlagen ziehen weiterhin Touristen an, die dann an einem warmen Sommerabend die Straßengastronomie bevölkern. Hier lernen wir "Rhöner Plootz" kennen, eine Art Pizza aus kräftigem Hefeteig, belegt mit Speck und Zwiebeln oder, für uns, Spinat und Käse. Die Version mit Garnelen allerdings schien uns an der fränkischen Saale etwas unpassend zu sein.

Bild zum Artikel Eisenbahnverrückter in Aura/Saale
Peter Sauer

"Achtung, Eisenbahnverrückter" warnt ein Schild vor einem Haus im Dörfchen Aura. Der Garten ist über und über mit Bahn-Devotionalien ausgeschmückt, dazwischen entsteht eine große Modellbahnanlage. Der "Verrückte" baut alles selber, sagt er, jedes Teil der Anlage entstehe in der heimischen Werkstatt. "Wird noch ein paar Jahre dauern", brummt der Rentner und verschwindet wieder, um Steigungsstrecken und Brückenpfeiler zu berechnen.

Wir befinden uns fast schon in Sichtweite der riesigen Parabolantennen der Erdfunkstelle Fuchsstadt. Hier wird seit Mitte der 80er Jahre mit Nachrichten-Satelliten kommuniziert, heute jedoch mit rückläufiger Bedeutung. Schnelle Glasfaserverbindungen übernehmen nun den größten Anteil des Datentransfers.

Um ins hübsche Hammelburg zu gelangen, müssen wir wieder durch weniger hübsche Großmarktparadiese fahren – um dann in der historischen Stadtmitte zu erfahren, dass es dort keine Einkaufsmöglichkeit mehr gebe und wir besser einen Kilometer zurückfahren sollten. Dort, im Eingangsbereich eines Billigmarktes, residiere der letzte Metzgereistand in der Stadt. Wir nehmen den zusätzlichen Kilometer in Kauf, tun uns aber weiterhin schwer, an dieser Art der Einkaufskultur am Rande großer Parkplätze Vergnügen zu finden. Doch das Picknick mit belegten Brötchen an einem ruhigen, schattigen Platz an der Saale lassen wir uns davon nicht vermiesen.

Die Saale mündet bei Gemünden in den Main, hier findet die gemütliche Fahrt am mäandernden Flüsschen ihr Ende. Nun sind wir auf dem Mainradweg, hier wird richtig Rad gefahren, hier ist was los. Der Marktplatz des kleinen Ortes ist gut gefüllt mit Radtouristen, die vor der Eisdiele Schlange stehen oder das Café bevölkern. Sage nur einer, Radelnde täten nichts für den Fortbestand der Gastronomie in Coronazeiten. Wir tun dies ebenfalls, fahren aber anschließend noch nach Lohr, um auch dort Gutes tun zu können. Da kamen wir jedoch etwas zu spät, denn an einem Freitagabend ist im historischen Zentrum des Mainstädtchens kaum ein Sitzplatz in einem der Straßenlokale zu finden. Die Betreiber der örtlichen Brauereigaststätte erbarmen sich jedoch und finden ein Eckchen für uns im Garten. Hier können wir die Tour zünftig-fränkisch bei Schweinsbraten und Dunkelbier ausklingen lassen.

"Hier sind wir in Bayern!" sagt der Zugchef im Main-Spessart-Express

Am Samstagmorgen sind wir nach Heigenbrücken geradelt, um von dort mit der Bahn nach Frankfurt zu fahren. Der Automat auf dem Bahnsteig spuckt ein "RMV-VAB-Übergangstarif-Ticket" aus. Die Fahrradmitnahme im RMV ist kostenlos, doch das sieht der Zugbegleiter anders. In Bayern müsse man eine Fahrradtageskarte kaufen – und wir seien hier in Bayern, betont er. Wir zahlen sechs Euro je Rad, prüfen aber zuhause umgehend, ob der Zugbegleiter im Recht ist. Ist er nicht, wie sich herausstellt, auf der (bayerischen) Strecke von Heigenbrücken zur hessischen Landesgrenze ist die Fahrradmitnahme kostenlos. Eine E-Mail an die Bahn wird wenige Tage später beantwortet. "Kundendialog DB Regio Bayern" entschuldigt sich für die uns bereitete Unbill und besänftigt uns mit einem Gutschein in Höhe von 15 Euro. Geht doch! Vielen Dank dafür!

Peter Sauer