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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Coole Perspektiven

Im Gespräch mit Jan Paulus und Mark Appel von der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main wird deutlich: Alle Berufe rund ums Fahrrad sind ausgesprochen zukunftsträchtig und ziemlich cool.

Auf der EuroBike direkt neben dem ADFC-Stand fällt ein wunderschönes klassisches Rennrad in knalligem Orange mit dem Label „Meisterschule Frankfurt“ auf. Es ist ein Ausstellungsstück der Bundesfachschule Zweirad der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main und tatsächlich dort in Handarbeit hergestellt. Ausbildungsmeister und Leiter des Fachbereichs Zweirad, Jan Paulus, betreut mit einem Team den Stand, informiert über Aus- und Weiterbildungsangebote und die wichtige Bedeutung des Zweiradhandwerks heutzutage. Wir verabreden uns zu einem ausführlichen Gespräch über die Fahrradzunft allgemein und die beruflichen Perspektiven im Besonderen in der Schönstraße im Gutleutviertel.

Man muss sich so ein bisschen durchfragen im Berufsbildungs- und Technologiezentrum der Handwerkskammer, aber dann ist der Fachbereich Zweirad erreicht. Jan Paulus und Mark Appel empfangen uns in einer perfekt aufgeräumten und übersichtlichen Fahrradwerkstatt, alles hat seinen Platz, nichts liegt herum. Es ist außergewöhnlich leise, obwohl im Nebenraum eine Lehrgangs-Klasse selbständig Aufgaben lösen muss. „Gerade geht es um die Vermessung einer Fahrradnabe, Skizzen müssen angefertigt werden, später werden wir damit rechnen. Mathe ist für manche hier eine Herausforderung.“, meint Jan Paulus. Das Gelände ist ein Bildungszentrum der Kammer für Gesellen, keine allgemeine Berufsschule für Auszubildende. „Wir führen überbetriebliche Lehrgänge durch, auch den Zweiradmechanikermeister bieten wir an“. Als Ausbildungsleiter des Fachzentrums Bundesfachschule Zweirad kennt er sich bestens aus und hat Kontakt zu den Ausbildungsbetrieben in ganz Hessen. Fahrradmonteur:in und Zweiradmechatroniker:in Fachrichtung Fahrradtechnik sind beides Berufe mit bester Zukunftsperspektive. „Wir sind große Idealisten, wir wollen, dass Wandel stattfindet und haben großes Interesse an einer Verkehrswende“, begeistert sich Jan Paulus. Da muss man dran bleiben und guten Service bereitstellen. „Wir können niemandem zumuten, eine Woche auf die Reparatur eines Lastenrads zu warten, wenn damit ein Kind täglich zur Kita gebracht werden muss“.

Die positive Entwicklung der Branche zeigt sich deutlich in der Statistik der Handwerkskammer. Die Anzahl von Zweiradmechanikerbetrieben im Kammerbezirk Frankfurt-Rhein-Main ist innerhalb von knapp vier Jahren (2020 bis Stand 31.8.2023) von 109 auf 143 gewachsen. „Das bedeutet eine Zunahme von über 31%“, erläutert Mark Appel begeistert, zuständig für Kommunikation und Marketing der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main. Auch die aktiven Ausbildungsverhältnisse haben sich innerhalb von zwei Jahren (2020-2022) um rund 36 Prozent erhöht. Der Frauenanteil ist jedoch immer gleich geblieben und liegt unter 10 Prozent. „Für viele Auszubildende ist es zwar eine große Umstellung, nach der Schule plötzlich 40 Stunden arbeiten zu müssen, aber es gibt kaum Ausbildungs-Abbrüche im Zweiradbereich. Die Leute kommen, weil sie vom Fahrrad überzeugt sind, in der Freizeit radeln und selbst reparieren“ freut sich Jan Paulus. Um für das Fahrradhandwerk zu werben, bietet der Fachbereich Zweirad für achte Klassen im Rahmen eines Berufsorientierungsprogramms einen Schnuppertag an, „dann werden einfach mal ,Platten‘ repariert, alles ganz niederschwellig“, natürlich mit dem Ziel, junge Menschen für eine Ausbildung zu motivieren. Denn der Fachkräftemangel hat auch die Fahrradbranche erreicht, überall wird qualifiziertes Personal gesucht. Laut Mark Appel gibt es noch offene Lehrstellen im Kammerbezirk Frankfurt-Rhein-Main, aktuell sind 19 Angebote für Zweiradmechatroniker:innen und sechs freie Ausbildungsstellen für Fahrradmonteur:innen gelistet. „Handwerk ist so wichtig für die Gesellschaft. Es wird immer attraktiver. Denn auch die Gehälter sind mit akademischen Abschlüssen in der Regel vergleichbar.“ Außerdem kann man schon in jungen Jahren Chef:in werden und einen Betrieb leiten oder übernehmen.

Das Fahrradhandwerk ist ein sehr junges Gewerk, es hat sich erst in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt, „vorher war man Mechaniker und hat auch Schreibmaschinen repariert, wie in den Frankfurter Adlerwerken zum Beispiel“, meint Jan Paulus. „Auch haben sich Ausbildungs-, Gesellen- und Meistergehälter stark verbessert.“ Darüber hinaus wird aktuell eine Empfehlung für höhere Gehälter von der Innung erarbeitet. „Das ist sehr wichtig, denn es ist ja schwierig, z. B. eine Wohnung in Frankfurt zu bezahlen, da braucht es ein gutes Gehalt.“

Die Fahrradmeisterkurse werden stark nachgefragt, obwohl es für die Betriebe bedeutet, ein halbes Jahr auf eine Fachkraft verzichten zu müssen. Zurzeit sind zwei Jahre Wartezeit auf einen Meisterkurs die Regel. Die Finanzierung übernehmen häufig die Betriebe, aber auch Unterstützung durch ein Meister-Bafög ist möglich. In Bayern werden die Meisterkurse sogar kostenfrei durchgeführt. „Es gibt Hoffnung, dass das bald auch bundesweit so kommt“, wünscht sich Jan Paulus. Viele innovative und spannende Ideen werden in den Klassen diskutiert. Entlastung, Zeitmanagement, Digitalisierung von Prozessen sind Themen der Teilnehmenden. Fragen wie z. B. „Gibt es eine Möglichkeit, das reparierte Rad an den Kunden zu übergeben, ohne dass ich im Betrieb bin? Habe ich vielleicht eine Box, ausgerüstet mit einem QR-Code, vor dem Laden zur Schlüsselübergabe, und der Kunde oder die Kundin bezahlt parallel die Rechnung per PayPal?“ werden debattiert. Das würde beiden dienen: Entspannte Kund:innen, die sich bei der Abholung ihres Rades nicht an die Ladenöffnungszeiten halten müssen, und ein früherer Feierabend für den oder die Fahrradmechatroniker:in. „Mehr Freizeit, dann wird auch der Job attraktiver.“ Auch klingelnde Telefone in der Werkstatt, die während der Arbeitszeit zu bedienen sind, können nervig sein. „Ein Headset rotiert unter den Arbeitenden im Laufe des Tages, nur ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin ist dann für das Telefon verantwortlich, nicht alle. Das sind alles Ideen, die besprochen werden“ meint Jan Paulus. Es gibt viele Projekte, die von der Handwerkskammer gefördert werden, zum Beispiel die Verkehrswende-Agentur und Projektschmiede „cargobike.jetzt“. „Darüber hinaus richten wir die Deutsche Meisterschaft im Handwerk, ,German Craft Skills‘, für Zweiradmechaniker:innen aus. Die besten aus ganz Europa werden dann im Rahmen des Europacup der Zweiradberufe gekürt“, ergänzt er.

Jan Paulus und Mark Appel freuen sich auch auf das neue Campusgelände in Rödelheim. Ein Neubau für das Berufsbildungszentrum und für die Philipp-Holzmann-Schule namens Campus für Berufliche Bildung ist dort geplant. In vier, fünf Jahren kann umgezogen werden. Denn das Handwerk an sich und der gesamte Zweiradbereich werden weiter wachsen. Da sind sich die beiden sicher.

Dagmar Berges

Bundesfachschule Zweirad der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main

Angebote zusammengefasst:

  • Zweiradmechanikermeister-Lehrgang, Schwerpunkt Fahrradtechnik und Schwerpunkt Motorradtechnik
  • Fahrradrahmenbau Seminar, Vom Rohr zum Rahmen
  • Überbetriebliche Lehrgänge für Auszubildende der Ausbildungen Zweiradmechatroniker (mit den Fachrichtungen Fahrradtechnik und Motorradtechnik) sowie Fahrradmonteur
  • Schnuppertag für achte Klassen im Rahmen eines Berufsorientierungsprogramms

Ausbildungsmöglichkeiten:

Es gibt zwei Ausbildungsberufe im Bereich Fahrradtechnik. Die Ausbildung zum Fahrradmonteur oder zur Fahrradmonteurin dauert 2 Jahre, die zum Zweiradmechatroniker Fachrichtung Fahrradtechnik 3,5 Jahre. Rechtlich ist keine bestimmte Schulbildung vorgeschrieben, aber in der Regel sind der Hauptschulabschluss oder höhere Schulabschlüsse gefragt. Handwerkliches Geschick, Interesse für moderne Technik, Verantwortungsbewusstsein und Freude an der Kommunikation mit Menschen sind Eigenschaften, die mitgebracht werden sollten. Auch mathematisches und physikalisches Verständnis sind von Vorteil.

Fahrradmonteur:innen bauen Fahrräder zusammen, übernehmen Wartungs- und Reparaturaufgaben und stellen sicher, dass die Fahrräder verkehrssicher und funktionstüchtig sind. Sie beraten Kunden und Kundinnen in unterschiedlichen Bereichen.

Zweiradmechtroniker:in Fachrichtung Fahrradtechnik warten und reparieren alle Arten von Fahrrädern, auch elektroangetriebene. Sie führen Montagearbeiten aus, rüsten Räder nach Kundenwunsch um, stellen Bauteile her oder auch komplette Fahrräder. Sie beraten die Kundschaft, verkaufen Räder und Zubehör, auch Spezialfahrzeuge.

Genauere Informationen unter handwerk.de oder planet-beruf.de

Kontakt: Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main, Bundesfachschule Zweirad • Schönstraße 21, 60327 Frankfurt am Main • www.hwk-rhein-main.de