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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

Artikel dieser Ausgabe
links: Spontan mit dem ICE nach Köln und weiter mit dem eigenen (!) Fahrrad über die Rheinbrücke fahren. Der Autor unterwegs auf seinem „Kwiggle“
rechts: Fällt in der Gepäckablage eines ICE kaum auf – ein Faltrad auf Reisen
Marco Prehler

Die faltbare Mobilitätswende

So (gut) funktioniert das Reisen mit Zug und Faltrad

Wer schon mal das Fahrrad im ÖPNV dabei hatte, weiß: So einfach ist das gar nicht. Klar, es gibt Radstellplätze – von S-Bahn bis ICE. Doch noch immer erfordert die Reise entweder Glück oder zumindest eine vergleichsweise aufwändige Planung. Vor allem zu Hauptverkehrszeiten sind die wenigen Plätze schnell besetzt. Abhilfe schafft hier das Reisen per Faltrad. Ich würde sogar so weit gehen und sagen: Das Faltrad im Zug ist ein Gamechanger. Woran das liegt, erkläre ich in diesem Artikel.

Radfahren als Teil der Identität

Innerhalb von Frankfurt bewege ich mich fast ausschließlich per Fahrrad, selbst für die kleinsten Strecken. Das liegt zum einen daran, dass ich Radfahren liebe, zum anderen bin ich ziemlich lauffaul. Bisher stand ich beim Pendeln in andere Städte vor dem Dilemma, dass ich mein Rad zu Hause gelassen habe und vor Ort per ÖPNV gereist bin und mich somit auf zu häufig weniger gut funktionierende Systeme verlassen musste. Doch seit knapp einem halben Jahr bin ich im Besitz eines Faltrades – und mein Reisegefühl hat sich seither stark verbessert.

Das Rad in Handgepäckgröße

Seit Jahren strömen immer mehr Marken auf den Markt, die innovative Falträder anbieten. Meines ist ein Kwiggle made in Germany. Damit das hier nicht zu sehr nach Werbung klingt, seien noch ein paar andere Anbieter genannt, z. B. das ästhetische Brompton aus London oder das deutsche Birdy aus dem Hause Riese & Müller. Meine Wahl fiel auf das Kwiggle, weil es das bislang kleinste Faltmaß aller Falträder erzielt, und darum geht es mir primär. Zusammengeklappt ist es exakt so groß wie ein Handgepäckkoffer, passt also auch unter Sitze in Bus und Bahn – und darf laut Herstelleraussage sogar mit ins Flugzeughandgepäck. Das liegt an seiner besonderen Rahmenform: Das Kwiggle hat keine klassische Sattelstütze – der Sattel „hängt“ am Edelstahl-Lenkrohr. Dadurch schwingt der Sattel beim Fahren von links nach rechts, was oft zu verwunderten Blicken führt. Doch laut Hersteller hat das einen effizienzsteigernden Effekt. Die seitliche Sattelbewegung sorgt dafür, dass das nach unten tretende Bein immer eine optimale Position über dem Pedal hat. So sorgt mein Gewicht fürs Vorwärtskommen und ich spare Kraft in meinen Oberschenkeln. Das Kwiggle gibt es aktuell in drei Varianten – von einem über drei bis zu sechs Gänge. Ich habe mir die Sechsgangvariante geholt und das bis heute nicht bereut. Das Kwiggle ist mit sehr kleinen 12-Zoll-Rädern ausgestattet, sein Erscheinungsbild entsprechend skurril. Wer Wert auf Unauffälligkeit im Straßenverkehr legt, sollte also zu einem anderen Faltrad greifen.

Räderfalten will gelernt sein

Zugegeben, das Zusammenklappen eines Faltrades ist zu Beginn nicht einfach: Ich erinnere mich an meine erste Fahrt zum Frankfurter Hauptbahnhof und den Versuch, das Faltrad am Eingang Nord „elegant und schnell“ auf Handgepäckgröße zu bekommen. Unter den Augen erstaunter und wahrscheinlich belustigter Menschen hat das weniger gut geklappt. Zu Hause habe ich das Falten parallel zum YouTube-Video noch sehr gut hinbekommen, unter Live-Bedingungen tat ich mich schwer. Der Hersteller wirbt mit 15 bzw. zehn Sekunden Ein- und Ausfaltzeit. Nun gut. Doch einmal zusammengefaltet habe ich das Rad dann hinter mir hergezogen – dank seiner kleinen zwei Trolley-Rollen wie einen Handgepäckkoffer.

Raus aus Frankfurt – das Rad über’m Kopf

An meinem ICE angekommen, konnte ich das 8,5-Kilo-Rad einfach mit zu meinem Platz nehmen und oben auf der Gepäckablage verstauen. Zu wissen, dass ich mein Rad jederzeit im Blick habe, gibt mir viel Ruhe. Zudem mag ich das Gefühl, am Zielort gleich auf’s Rad steigen und losradeln zu können. Ich hebe mein Faltrad herunter, steige aus, ziehe es bis zum Bahnhofsausgang hinter mir her und klappe es auseinander. Das geht übrigens um einiges leichter als das Zusammenfalten.

Klapprad vs. Faltrad

Der Vollständigkeit halber möchte ich auf die Unterschiede zwischen Klapp- und Falträdern hinweisen. Das mag kleinkariert klingen, ist aber recht wichtig, weil auch die Fachpresse zum Teil noch beide Varianten mischt, obwohl sie große Unterschiede aufweisen: Das Klapprad verfügt lediglich über einen Faltmechanismus in der Mitte des Rahmens. Falträder verfügen über mehrere Faltscharniere, die so natürlich auf ein besonders kleines Faltmaß zusammengeklappt werden können. Das führt wie z. B. beim Kwiggle dazu, dass die Geometrie des Rahmens anders aussieht, als wir sie von klassischen Fahrrädern kennen. Falträder sind deshalb meistens weniger stabil als Klappräder, aber natürlich trotzdem sicher. Im Fall des Kwiggle für Personen bis zu 100 kg. Zudem sind Falträder in der Regel leichter als Klappräder. Varianten mit Elektroantrieb gibt es für beide Fahrradtypen.

Die neue Spontanität

Das Reisen mit dem „Gepäckstück Rad“ im Zug habe ich sehr zu schätzen gelernt. Allein das Gefühl zu wissen, dass ich spontan in jeden Zug springen kann, ohne vorher zu reservieren oder Hauptverkehrszeiten einzurechnen, schenkt mir ein neues Gefühl von Freiheit. Heute will ich nicht mehr auf mein Faltrad verzichten, wenn ich außerhalb Frankfurts reise. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Anschaffung eines Faltrades aktuell noch eine recht privilegierte Angelegenheit ist. Doch da die oben erwähnte Faltradvielfalt eher steigen wird, ist künftig mit Falträdern für fast jeden Geldbeutel zu rechnen. Das wäre gut – für die individuelle Reisefreiheit und die viel geforderte Mobilitätswende.

Marco Prehler