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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

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Was ist eigentlich eine

Arschrakete?

„Bitte wo rein?“, dachte ich, als Claudia Fischer mir erzählte, dass sie bei ihrer Radtour nach Spanien die Ausrüstung „einfach in die Arschrakete“ packte. Wissend genickt habe ich trotzdem und konnte mir anhand ihrer Fotos auch relativ schnell zusammenreimen, was damit wohl gemeint ist.

Die Arschrakete ist eine größere Satteltasche und Teil der sogenannten Bikepacking-Ausrüstung. Der Begriff setzt sich aus „bike“ und „backpacking“ zusammen und kommt aus den USA. Wie beim Rucksackwandern werden hier naturnahe Routen auf teils unwirschem Terrain erkundet, aber eben mit dem Fahrrad. Dieses muss dafür gleichzeitig robust und wendig sein (Stichwort: Gravelbike). Um das zu gewährleisten, wird nur das Nötigste eingepackt und in Taschen nahe der Fahrradmitte verstaut, z. B. am Oberrohr, am Lenker oder eben in der Arschrakete am Sattel. So liegt der Schwerpunkt zentraler als bei den klassischen Front- und Hinterradtaschen.

Das klingt nach einer ganz anderen Art des Radwanderns als ich es kenne. Höchste Zeit also, sich nochmal mit Claudia und ihrem Freund Tim zu treffen. Die beiden machen fast nur noch Bikepacking-Urlaube, entweder in Deutschland, aber auch im kalten Schottland oder über die Schweiz bis nach Spanien runter. Wie schaffen es die zwei, sich auf so wenig Gepäck zu beschränken? Claudia erklärt mir, dass jeder von ihnen nur zwei Outfits dabei hat: Eins für auf dem Rad und eins für die Freizeit. „Das befreit enorm,“ sagt sie. „Man muss während einer Radreise jeden Tag so viele Entscheidungen treffen. Die Entscheidung, was man anzieht, fällt dann schon mal weg.“ Die Planung des restlichen Equipments sei im Vorfeld zugegebenermaßen „schon mega stressig“ erklären die beiden, aber auf der Reise „erlebt man dann das Glück des Minimalismus. Alles, was man braucht, hat man dabei.“ Und mit welcher Arschrakete sind sie unterwegs? Beide nutzen ein 14-Liter-Modell, das, wie alle Taschen dieser Art, an der Sattelstütze und am Gestell des Sattels festgemacht wird. Bei Claudias Fahrrad der Größe XXS ist der Abstand zwischen Tasche und Hinterrad dann minimal, aber sie kommt gut damit zurecht. „Wichtig ist, dass man schwere Sachen ganz nach unten packt, damit der Hebel kleiner wird“, erklärt Tim. Beiden gefällt auch, dass ihr Modell über einen Drybag mit Ventil verfügt. So können sie das Gepäck quasi einvakuumieren und müssen abends nur den Drybag rausnehmen, die Rakete selbst bleibt am Sattel montiert (ein Feature, dass es mittlerweile bei vielen Herstellern gibt). Während der Fahrt dient sie wiederum als Ablagefläche für Handtücher, die trocknen müssen. Wenn ich mir die Bilder von Claudia und Tim genauer ansehe, merke ich, dass es beim Bikepacking ganz normal zu sein scheint, zahlreiche kleinere Gegenstände mit Gummiriemen an diverse Taschen zu binden, seien es Kaffeetassen, Essensbeutel oder Sandalen. Das finde ich bei all dem Minimalismus dann doch beruhigend.

Obwohl der Trend des Bikepackings aus den USA kommt, gibt es im Englischen übrigens keinen so schönen Begriff, wie den der Arschrakete. Immer beliebter wird das Thema allerdings auch in Deutschland. Das bestätigen mir die beiden deutschen Hersteller von Bikepacking-Ausrüstung, Ortlieb und Vaude. Ortlieb, die seit 2016 auf Bikepacking setzen und eine eigene sehr beliebte Produktreihe dazu haben, erklären: „Auch durch die Entwicklung und Etablierung der Gravelbikes und dem damit auch in Europa etablierten Trend Bikepacking ist das gesamte Taschensortiment für diesen Bereich für uns relevant.“ Vaude, die rund ein Jahr später mit einer großen Satteltasche nachzogen, berichten Ähnliches: „Die Zielgruppe ist bei weitem nicht so groß, aber stark wachsend. Gravel Bikes schließen die Lücke zwischen Rennrad und Mountainbike, daher sehen wir noch großes Potenzial.“ Ich kann es mir nicht verkneifen und möchte von beiden Firmenansprechpartnern noch wissen, ob sie auch den Begriff Arschrakete verwenden. Bei Vaude falle der Ausdruck in internen Meetings, spiele aber in der Marketing-Kommunikation keine Rolle. Der Kontakt von Ortlieb meint: „Der Spitzname ist doch nett, er sagt sofort aus, wo die Tasche verwendet wird und wie sie aussieht.“ Einen besseren Schlusssatz hätte ich nicht finden können.

Hannah Kessler