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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Ein Schritt nach vorn, aber noch „viel Luft nach oben“

Machbarkeitsstudie FRM6:

Mit Beharrlichkeit hat sich der Regionalverband FrankfurtRheinMain für den Bau der Raddirektverbindung FRM6 von Butzbach durch die Wetterau bis nach Frankfurt am Main eingesetzt. Drei Jahre nach der Beauftragung konnte im Dezember 2023 die fertige Machbarkeitsstudie präsentiert werden. Die Trassensuche hat ergeben, dass die Realisierung der Verbindung einen hohen Nutzen für die Region bedeutet. Allerdings weist die aktuell favorisierte Trasse einige Schwachstellen auf. Damit die Verbindung von vielen Menschen genutzt und die erhoffte Verlagerung vom Auto zum Rad real wird, müssen Trassenverlauf und Zustand der Verbindung hochattraktiv für Radfahrende sein.

Der ADFC-Landesvorstand hat die Fertigstellung der Studie in einer Pressemitteilung als Meilenstein begrüßt und gleich die Schritte skizziert, die als nächstes erforderlich sind:

„Die beteiligten Kommunen sollten nun zügig die nötigen Beschlüsse fassen, um in die konkrete Planung einzusteigen. Ziel sollte weiterhin sein, dass 2030 die ersten Räder auf dem FRM6 rollen.“

Bekanntlich sind die wichtigsten Eigenschaften eines Radschnellweges mit vier Metern oder einer Raddirektverbindung mit drei Metern Breite glatter Asphalt, ein steigungsarmes Profil, wenig Kurven und Umwege sowie möglichst wenig Querungen, an denen anderem Verkehr Vorfahrt gewährt werden muss. Dadurch ist eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 km/h möglich, so dass das Rad auch auf längeren Strecken gegenüber dem Auto attraktiv für Berufspendelnde wird. Diese Kriterien sind in den vom Land Hessen herausgegebenen „Qualitätsstandards und Musterlösungen“ für das hessische Rad-Netz festgelegt.

Das Problem: Diesen Qualitätsstandards des Landes Hessen wird der FRM6 bei der gegenwärtigen Planung nicht gerecht. Das Paradoxon: Obwohl das Land die Qualitätsstandards für die Radschnell- und Raddirektverbindungen definiert hat, liegt die Baulast in Hessen bei den Kommunen. Das Land gibt, je nach Finanzkraft der Kommune, 70 bis 90 Prozent der Planungs- und Herstellungskosten als Förderung. Förderbedingung ist die Einhaltung der Qualitätsstandards.

Welche konkreten Problemstellen weist der angedachte Trassenverlauf des FRM6 nun auf? Wir haben vier konkrete Beispiele herausgegriffen:

1. „Berg-und-Tal“-Bahn bei Wöllstadt

Obwohl die vorgesehene Trasse Im nördlichen Teil des FRM 6 von Friedberg nach Nieder-Wöllstadt nahezu parallel zur Bundesstraße B3 verlaufen soll, müssen Radfahrende zwischen den beiden Orten 79 Höhenmeter erklimmen (in Gegenrichtung 100 Höhenmeter), während Kraftfahrzeuge auf der B3 lediglich 12 Höhenmeter (in Gegenrichtung 44) zu bewältigen haben. Grund dafür ist, dass die Trasse der Raddirektverbindung auf bestehenden Wirtschaftswegen ohne Höhenausgleich verlaufen soll. Doch mit diesem Höhenprofil ist die angestrebte Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 km/h nicht erreichbar. Für den Ausgleich der Niveauunterschiede sind daher bauliche Maßnahmen nötig, wie sie auch für den Kfz-Verkehr auf der B3 realisiert wurden.

2. Gefährliche und zeitraubende Querungen

Ebenfalls im Bereich von Wöllstadt muss die frühere B3 zweimal gequert werden, wobei dem hier mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h fahrenden Kfz-Verkehr die Vorfahrt zu gewähren ist. Aufgrund der teils ungünstigen Sichtbeziehungen ist dies nicht nur zeitraubend, sondern auch gefährlich. Zudem müssen Radfahrende im Bereich der Querungen zweimal 90-Grad-Kurven meistern und dazu das Tempo erheblich reduzieren. Die Qualitätsstandards des Landes sehen hingegen vor: „An Knotenpunkten sollen Radschnellverbindungen und Raddirektverbindungen vorwiegend bevorrechtigt sein und eine Fahrt mit möglichst geringen Verlustzeiten ermöglichen.“

links: Diese 180-Grad-Kehre ist für Lastenräder oder mit Radanhänger praktisch nicht befahrbar.
mitte: Anders als die B3 weist der begleitende Weg erhebliche Höhenunterschiede auf.
rechts: Zahlreiche Transporter und Lkw bahnen sich ihren Weg im Gewerbegebiet durch die Eibenstraße. Weil sie so schmal ist, kann keine separate Führung für den Radschnellweg eingerichtet werden.
Theo Sorg (2)
oben: Diese 180-Grad-Kehre ist für Lastenräder oder mit Radanhänger praktisch nicht befahrbar.
mitte: Anders als die B3 weist der begleitende Weg erhebliche Höhenunterschiede auf.
unten: Zahlreiche Transporter und Lkw bahnen sich ihren Weg im Gewerbegebiet durch die Eibenstraße. Weil sie so schmal ist, kann keine separate Führung für den Radschnellweg eingerichtet werden.
Theo Sorg (2)

3. Führung im Mischverkehr mit schweren Lkw

Im südlichen Teil des FRM6 führt die Trasse im Bad Vilbeler Ortsteil Dortelweil durch die Eibenstraße – eine Industriestraße mit Schwerlastverkehr, welche als Fahrradstraße ausgewiesen werden soll. Aufgrund der geringen Breite ist auf dieser Straße kein separater Radweg vorgesehen, so dass im Mischverkehr mit großen Lkw geradelt werden muss.

4. Zu kurvige Rampe zur Bahn-Unterführung

Einige Kilometer weiter südlich, am S-Bahnhof Bad Vilbel Süd sieht der Trassenverlauf in der Machbarkeitsstudie die Querung der Bahnstrecke vor. Um die hierfür nötige Unterführung zu erreichen, müssen Radfahrende eine lange, steile Rampe nutzen, die lediglich 2,5 Meter breit und mit einer 180-Grad-Kehre versehen ist. Für Lastenräder und Räder mit Kinderanhängern ist diese Stelle praktisch nicht befahrbar. Zudem sind hier Personen mit Rollstühlen, Kinderwagen und Rollatoren unterwegs – ein Nutzungskonflikt, den es nach den Qualitätsstandards des Landes Hessen ausdrücklich zu vermeiden gilt. Ärgerlich ist auch, dass die Deutsche Bahn AG eine nahgelegene, bereits bestehende Bahnunterführung im Zuge des Ausbaus der Main-Weser-Bahn zugeschüttet hat.

Die geschilderten vier Stellen sind lediglich ein Ausschnitt einer längeren Liste von Problemstellen in der Machbarkeitsstudie. Insgesamt sind Radfahrende auf der geplanten Trasse des FRM6 zwischen Butzbach und Frankfurt rund 47 Kilometer unterwegs – mit dem Auto über die B3 sind es nur 40 Kilometer.

Theo Sorg und Torsten Willner
Ein Kommentar von
Theo Sorg, ADFC Bad Vilbel
Mehr denn je bedarf das FRM6-Projekt Know-how und Engagement des ADFC

Weil’s gut werden muss!

Auch wenn die jetzt gefundene Vorzugstrasse für den Wetterau-Radschnellweg FRM6 keine Begeisterungsstürme auslöst, schafft sie erstmals die Voraussetzung, dass acht verschiedene Baulasttragende an einer zusammenhängenden Radverbindung bauen können. Hätte der Regionalverband sich nicht mit so viel Engagement dafür eingesetzt, gäbe es bis heute sicher noch nicht einmal einen Trassenvorschlag. Dass es ihn gibt, freut uns!

Doch das Ergebnis – eine umwegreiche, wellige Route, die häufig die Führungsform wechselt und nur ein niedriges Durchschnittstempo ermöglicht – ist stark verbesserungsbedürftig. Die Mängel resultieren daraus, dass jede Kommune hier nach ihren ganz eigenen Prioritäten vorgegangen ist. Es fehlt der Blick fürs große Ganze. Das hat vor allem politische Gründe: Vehement hat die bisherige Landesregierung jede gesetzliche Regelung abgelehnt, durch die das Land selbst Baulastträger für Radschnellwege geworden und die Planung die Planung somit aus einer Hand durchführen könnte.

Partikularinteressen einzelner Kommunen dürften auch der Grund dafür sein, dass die ursprüngliche, das Projekt initiierende Idee des ADFC, die Trasse entlang der Ausbaustrecke der Main-Weser-Bahn zu führen (Frankfurt aktuell 2/2019), nicht verfolgt wurde. Fahrradtaugliche Teilstrecken sind mittlerweile zurückgebaut, mögliche Synergieeffekte somit dahin! Es hilft aber nicht, über verschüttete Milch zu weinen. Es gilt, den Blick nach vorn zu richten.

Die Machbarkeitsstudie geht jetzt bei den beteiligten Gemeinden in die Gremien, wird dort beraten, Beschlüsse vorbereitet. Laut Regionalverband sollen diese 2024 vorliegen. An zahlreichen Stellen sind Verbesserungen notwendig, um eine sichere und komfortable Wegführung zu erreichen. Das ist umso wichtiger, damit der Wetterau-Radschnellweg auch von den Berufspendelnden angenommen wird, die gerne auf das Fahrrad umsteigen möchten.

Wollen wir diese Verbesserungen erreichen, bedeutet das für uns, Überzeugungsarbeit bei den Entscheidungsstellen vor Ort zu leisten. Das ist bei acht Kommunen eine Herkulesaufgabe! Aber wir werden uns darauf gut vorbereiten, Vorschläge entwickeln, Argumente darlegen – so wie wir es in den vergangenen vier Jahren bereits getan haben. Spätestens an dieser Stelle ist mehr als einem Dutzend Ehrenamtlichen im ADFC zu danken, die sich bisher in oft mühsamer Kleinarbeit in der Freizeit für den FRM6 eingesetzt haben. Dieses gebündelte Know-how und Engagement hat sicherlich noch niemand angemessen gewürdigt – und es ist im Einzelnen gar nicht mehr aufzulisten.

Jetzt muss es weitergehen damit, weil der FRM6 gut werden muss – richtig gut! Wir brauchen aber noch mehr als unseren Einsatz: Offene Ohren in den Rathäusern und die Einsicht, dass Verbesserungen wirklich notwendig sind!