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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Unplugged

Zwei Straßenmusiker gehen mit dem Fahrrad auf Tour

Ein Samstag im September. Die Sonne scheint, es ist, wie wir inzwischen gelernt haben, „für die Jahreszeit zu heiß“. Viel zu heiß am Neckar, irgendwo zwischen Heidelberg und Neckarelz, und die Wasserflasche ist leer. An einem Naturfreundehaus wird die Frage nach Wasser mit einem „Dreh dich um, hinter dir am Haus ist ein Wasserhahn“ beantwortet. Der Blick zurück bestätigt die Antwort. Dabei geraten auch zwei Musiker ins Blickfeld, die gerade ihre Instrumente einpacken. Wir kommen ins Gespräch. Andreas (links im Bild) und Gernot (beide 63) sind als Straßenmusiker mit dem Fahrrad unterwegs und haben ihren Auftritt am Naturfreundehaus Zwingenberger Hof gerade beendet. Für ein Foto greifen sie, der Zahnarzt aus Wiesbaden und der ebenfalls aus Wiesbaden stammende Mathematische Biologe an der TU Dresden, noch einmal zu Saxophon und Gitarre. Am Neckar erklingt Rockmusik.

Wie kamt ihr zur Straßenmusik?

Die Idee hatten wir schon eine ganze Weile. Straßenmusik, Musik auf der Straße vor Leuten, die uns nicht kennen. Unplugged. Und wir wollten die Tour mit dem Fahrrad machen, uns und unsere Instrumente von Ort zu Ort mit dem Fahrrad bewegen.

Seit wann macht ihr das?

Wir sind beide hobbymäßig seit Kindesbeinen musikalisch unterwegs und haben schon gemeinsam zum Geburtstag von Freunden gespielt. Aber auf der Straße? Konkreter wurde unsere Idee im Jahr 2019. Wir merkten schnell, dass einige Vorbereitungen notwendig sind. Nur Instrumente einpacken und los, das würde nicht reichen. Wir begannen an einem kleinen Programm zu arbeiten – Stücke für Gitarre, Gesang und Saxophon herauszusuchen, trafen uns einige Male zum gemeinsamen Üben und dachten über mögliche Auftrittsorte nach. Schließlich entschieden wir uns für eine Ostseetour.

Wie lang sind eure Straßenmusik-Touren, wo wart ihr bisher unterwegs?

Unser erstes Jahr führte uns, wie gesagt, an die Ostsee. Wir starteten in Greifswald und fuhren weiter über Stralsund und den Bodden nach Schwerin. Das Ganze dauerte eine Woche. In den Folgejahren waren wir meist kürzer unterwegs, oft nur über verlängerte Wochenenden. 2020 waren wir in der Südpfalz und spielten dabei sogar einmal in Frankreich. Andere Touren brachten uns zum Kaiserstuhl, an die Tauber und eben dieses Jahr an den Neckar. Wir haben es seit 2019 geschafft, jedes Jahr einmal zu spielen.

Ist das Teil eures Jahresurlaubs?

Ja, allerdings sind es leider jedes Jahr nur wenige Tage, in diesem Jahr sogar nur ein Wochenende, an dem wir gemeinsam Zeit finden.

Wie ist die Zimmersuche, wenn man mit einer Gitarre auf dem Rücken oder dem Saxophon in der Radtasche vor dem Gasthaus steht?

In den ersten Jahren reisten wir von Ort zu Ort. Dabei war die spontane Zimmersuche in der Tat nicht ganz einfach. So sind wir dazu übergegangen, für den gesamten Zeitraum ein Apartment bzw. Zimmer zu mieten. Von dort schwärmen wir dann in die Umgebung zu Tagestouren aus. Besonders unser Quartier im vergangenen Jahr ist uns in guter Erinnerung. Wir übernachteten bei einer Imkerfamilie am Tauberradweg, die sich besonders darüber freute, dass wir das Apartment auch zum Proben nutzten.

Ist es einfach nur Spaß am Musik machen, oder verfolgt ihr einen (guten) Zweck? Mit euren Jobs seid ihr wahrscheinlich nicht aufs Geldsammeln angewiesen.

Primär ist es der Spaß an der Musik. Wir sammeln allerdings seit Beginn für die Kindernothilfe und es ist über die Jahre ein erklecklicher Betrag für die Kinder zusammengekommen.

Wie transportiert ihr die Instrumente und euer Reisegepäck?

Da sind wir flexibel. Im ersten Jahr an der Ostsee war ein Anhänger unser regelmäßiger Begleiter. Wir haben allerdings mittlerweile unsere Ausrüstung reduziert und spielen unplugged, also ohne schweren Verstärker. So bekommen wir unsere Instrumente in den Fahrradtaschen oder auf dem Rücken unter.

Fahrt ihr auch sonst Fahrrad, im Alltag und in der Freizeit?

Diese Frage muss der Interviewer beantworten: Ja, das tun sie, täglich! Doch reicht hier leider der Platz nicht aus, um die beeindruckende Fahrrad-Biographie der beiden wiederzugeben. Versuchen wir es kurzgefasst: Vom Schulweg per Fahrrad über die erste große Frankreich-Tour im jugendlichen Alter bis hin zu Fernfahrten über hunderte von Kilometern als Erwachsener oder der Begeisterung für Triathlon ist so ziemlich alles vertreten, was wir mit Fahrrad-Verrücktheit verbinden. Der Weg zur Arbeit ist da noch das Normalste. Wie ja auch, hin und wieder mit Saxophon und Gitarre durch die Lande zu fahren.

Peter Sauer