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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Foto: Peter Sauer

Auch wegen uns – wenn kein Radweg, dann Tempo 30

Aktuell ist es sogar ein Streitthema in der Römer-Koalition: Tempo 30 für mehr Lärmschutz in der Nacht. Dazu gab es noch unter dem ­grünen Dezernenten Stefan Majer einen Test an bestimmten stark belasteten Straßen. Nicht ganz überraschend ist das Resultat, dass langsamere Autos auch leiser fahren – die Frage ist halt, wie wichtig einem das ist. Vor Schulen, Kitas, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen können Kommunen auf 300 Metern Länge Tempo 30 verfügen. Es gibt momentan dazu eine Auseinandersetzung im Bundesrat, Full-Speed-Lobbyisten möchten das wieder verwässern, der ADFC-Bundesvorstand hat dagegen protestiert. Bei Redaktionsschluss sieht es so aus, dass der Protest des ADFC Wirkung gezeigt hat.

Aber nicht nur Kinder, Kranke, Alte und Lärmgeplagte brauchen einen langsameren Autoverkehr um sich herum. Auch Radfahrer müssen in Großstädten wie Frankfurt oft Straßen bzw. Straßenabschnitte befahren, wo es bei starkem und schnellem Autoverkehr keine sichere Führung für sie gibt, weder Radweg noch Radstreifen noch Schutzstreifen.

Solche Zustände darf es nicht länger geben! Eine moderne Verkehrspolitik in einer wachsenden und sich verdichtenden Großstadt wie Frankfurt muss dafür arbeiten, dass mehr Menschen das emissionsfreie und vor allem platzsparende Verkehrsmittel Fahrrad nutzen. Dann dürfen Radfahrer aber nicht Verkehrsszenarien ausgesetzt werden, die nur die gestähltesten unter ihnen gerade noch als zumutbar empfinden.

Radfahren ist kein Risikosport
Natürlich gibt es Radfahrer, die bei Tempo 50 vergnügt im Mischverkehr dabei sind und zum direkten Abbiegen auch mal locker über drei Spuren nach links rüberziehen. Am Baseler Platz oder am Eschenheimer Tor kann man das beobachten. Denen steigt auch nicht der Puls, wenn hinter ihnen ein Autofahrer hupt, drängelt und dann mit einer Handbreite Abstand überholt – da fährt ihnen allenfalls der ­Effenberg-Finger aus. Das sind aber nur wenige.

Für die Mehrheit der Radfahrer ist Tempo 50 ohne jede Radverkehrsführung subjektiv bedrohlich und daher auch gefährlich, denn wer nicht souverän ist, macht Fehler. Viele weichen auf den Bürgersteig aus und bedrängen dort die Fußgänger. Oder sie lassen das Radfahren gleich ganz sein und umgeben sich wieder mit einer Tonne Blech – das fühlt sich immer noch sicherer an. Beides kann nicht Sinn moderner Verkehrspolitik sein. Wer den Radverkehrsanteil steigern will, darf Situationen nicht länger hinnehmen, bei denen Radfahren eine Mutprobe ist.

Radverkehrsführung bessern oder Tempo runter!
Es gibt zwei Möglichkeiten, die objektive und subjektive Sicherheit des Radfahrens zu erhöhen: die Radverkehrsführung verbessern bzw. überhaupt erst eine schaffen und/oder das Tempo des Autoverkehrs reduzieren. Wenn ersteres nicht möglich ist (zu enger Straßenquerschnitt) oder partout nicht ­gewollt ist (Kfz-Durchsatz, Park­plätze), muss wenigstens die Geschwindigkeit des Kfz-Verkehrs so weit reduziert werden, dass Reaktion und Interaktion "fehlerverzeihend" möglich ist.

Die Anordnung von Tempo 30 hat derzeit sehr hohe Hürden zu nehmen, trotz der Änderungen der Verwaltungsvorschriften zur StVO, um die gerade im Bundesrat noch gerungen wird. Es muss eine besondere Gefahrenlage als Begründung nachgewiesen werden. Wir meinen: in einer wachsenden Stadt und bei zwangsläufig wachsendem Verkehr ist eine Gefahrenlage schon dann gegeben, wenn der Radfahrer keine legale und sichere Führung auf oder neben der Straße vorfindet, wenn dadurch das Mitschwimmen im Kfz-Verkehr alternativlos ist.

Die Radfahrer auf Umwege durch Nebenstraßen zu schicken, ist keine Option. Wo Radfahren erlaubt ist, muss es auch sicher sein. Die Einführung von Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts, wobei Ausnahmen dann auszuschildern wären, fordern der ADFC und andere Verkehrsverbände bundesweit, aber noch gibt es keine parlamentarische Mehrheit dafür.

Konkret im Zentrum Frankfurts: wo muss etwas passieren?
In Frankfurt gibt es schon sehr viele Tempo-30-Zonen in den Wohngebieten. Die Grundnetzstraßen haben aber in der Regel Tempo&xnbsp;50. Auf weiten Strecken haben sie Radwege, Radstreifen oder Schutzstreifen in unterschiedlicher Qualität, an vielen Abschnitten aber überhaupt nichts dergleichen. Auf der folgenden Doppelseite haben wir dargestellt, an welchen Strecken in den zentralen Stadtteilen Frankfurts die Situation Tempo 50 ohne Radverkehrsführung anzutreffen ist. In allen Fällen wäre Tempo 30 erst einmal richtig. In einigen Fällen würde das sogar reichen, in anderen muss auf mittlere Sicht eine Radverkehrsführung nach modernem Standard her.

Die dargestellten Strecken betreffen erst einmal nur den inneren Bereich mit City, Gründerzeitring und einige Stadtteilzentren. In äußeren Bereichen ist zwar in der Regel mehr Platz für eine Radverkehrslösung vorhanden, aber es gibt auch absolute Engstellen wie die Ortsdurchfahrt Bonames. Auch im Bereich von Haltestellen von U- und Straßenbahn wird es z.??T. so eng, dass eine irgendwie geschützte Radverkehrsführung nicht möglich ist, z.&xnbsp;B. im Bereich der Haltestelle Lindenbaum an der Eschersheimer Landstraße. Hier muss dann das Tempo reduziert werden, auch wegen der Fußgänger.

Idee für die mittlere Eschersheimer: "shared bike lane" – links 50, rechts 30!
Apropos Eschersheimer Landstraße: der weniger frequentierte nördliche Teil soll ja bald mit Schutzstreifen umgestaltet werden. An den Teil südlich davon, zwischen Hügelstraße und Dornbusch, traut sich so recht niemand heran mit einer Radverkehrslösung, weil er sehr stark befahren ist. Hier wäre eine kreative Lösung aus den USA für mehrspurige Straßen durchaus zu empfehlen, die Tempo 30 intelligent mit einsetzt: die "shared bike lane": Die rechte Spur hat Tempo 30 und Fahrradpiktogramme mitten auf der Spur, die linke Spur hat Tempo 50, dort wird überholt bzw. normal zügig gefahren. Das wird in den USA und Kanada hin und wieder dort eingesetzt, wo es keine Seitenräume mehr gibt, und funk­tio­niert da ganz gut.

Bertram Giebeler