Skip to content

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main   

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

Artikel dieser Ausgabe

Nach Wetzlar zur "Fahrrad-Lobby"

Eine Wochenendradtour durch den Hintertaunus

Kein roter Teppich empfängt die Radler, aber die verglaste Hotellobby ist als Radabstellanlage mehr als ausreichend
Foto: Wolfgang Maier

Der Beitrag über ein fahrradfreundliches Hotel in Toulouse in der letzten Ausgabe von Frankfurt aktuell löst Erinnerungen aus. Ja, wir schieben heutzutage selbstbewusst unsere Fahrräder durch mehr oder weniger exklusive Lobbys. Auch in Hessen. Gern übernachte ich im Michel Hotel Wetzlar, wo unsere Räder königlich in der Hotellobby ruhen.

Eine Wochenendradtour nach Wetzlar im November? Warum nicht, wenn sonnige 20 Grad angesagt werden. Und der Weg scheint kurz, in der Zeit der Navis lässt man sich doch einen Routenvorschlag zeigen und aha, es sind schlappe 46 km von Bad Homburg zum Ziel. Also fahren wir morgens los und nehmen das Wetter auf die leichte Schulter, kleiden uns entsprechend der Temperaturen auch leicht, aber anscheinend nicht leicht genug, bei herbstlicher Vorsicht schwitze ich auf der kurzen Anhöhe zu den Eschbacher Klippen, wo wir unser Mittagspicknick einnehmen. Deshalb entledige ich mich überflüssiger Kleidungsstücke und picknicke kurzärmelig. Durch Michelbach und weitere Hintertaunusdörfer, es ist ein milder angenehmer Tag, schade so früh ans Ziel zu kommen, wir gönnen uns noch eine Schleife auf einem Wanderweg und gelangen auf verwunschenen Pfaden durch hügelige Randgebiete quasi durch die Hintertür in unser Hotel. Von hinten angekommen, aber dafür auf dem Präsentierteller geparkt, unsere Räder dürfen selbstverständlich wie im letzten Sommer in der verglasten Lobby übernachten. Später laufen wir durch fachwerkgesäumte Gassen zur Lahn, sie sind ruhiger als im Sommer, die Urlaubsstimmung der Straßencafés ist endgültig verflogen. Leere Schaufenster in der Nähe zeigen, dass der lange Sommer nicht genug Touristen gebracht hat. Unser Hotel liegt an der Hauptstraße, jedoch das Zimmer nach hinten hat Ausblick zur alten Villa mit Garten.

Am nächsten Tag radeln wir durch hügelige Wälder zur Burg Hohensolms. Auf den Wiesen grasen Pferde und Kühe, ein paar Tropfen Regen, verlassene Campingplätze, der Aartalsee im Winterschlaf. Vor Herborn verdichten sich die sonst verschlafenen Dörfer, Autobahnauffahrt in der Nähe bringt die übliche Infrastruktur mit Tankstellen, Fast-Food-Restaurants und Discountern. Kurzer Stopp im historischen Stadtzentrum mit Fachwerkensemble. Aber danach wieder einige wenig attraktive Dörfer und Radweg an der Bundesstraße, ich weiche aus, unser Feldweg mündet aber in einen dunklen Kanal unter der Bundesstraße, ein wackeliger Steg, halb im Wasser eingetaucht, führt in das dunkle nasse Nichts. Wir probieren es einfach und schieben auf den alten Brettern, das Tageslicht erscheint wieder, dschungelartiges, wild zugewachsenes Naturparadies mit Dornen geht über in ziemlich matschige Auenwiesen, aber wir sind durch. Bei Dämmerung führt uns der R6 durch das Wetzlarer Industriegebiet zurück, gespenstisch wirken die großen Lagerhallen in menschenleerer Landschaft bei schwindendem Tageslicht, ja die Tage sind halt im November kürzer, das öffnet neue Perspektiven.

Burg Hohensolms
Foto: Wolfgang Maier

Am Sonntag scheint wieder die Sonne und wir entscheiden uns für den Lahntalweg nach Weilburg und dann den Weiltalweg nach Hause. Der in Prospekten gelobte Lahntalweg, der in diesem Abschnitt die Lahn nie berührt und oft stur die Bundesstraße kopiert und malerische Ecken einfach beiseite liegen läßt. Die Lahn dürfen wir erst in Weilburg wieder grüßen, da ertönt die Kirchenuhr, es ist schon 1 Uhr. Die Zeit drängt, der Weiltalweg hat nämlich auch seine Macken und erfordert Zeit. Vor allem erscheint er nach dem Bundesstraßen-Hick-Hack der letzten Kilometer wie eine grüne Oase. Zurück im heimischen Taunus, wir rasen durch diese wiedergefundene Idylle und sind in einer halben Stunde in Weilmünster, die Idylle unterbrochen durch einen bunten Künstlermarkt, dessen zahlreiche Besucher schlendern, plaudern, Bier trinkend Wege versperren. Schnell weiter, Idylle entfaltet sich wieder vor uns, keine Menschen mehr zu sehen an diesem Bilderbuchtag, wir gleiten durch die Wälder in sanftem Auf und Ab. Es wird Zeit, die Weil zu verlassen, zur Quelle am Rotkreuz möchten wir sie heute nicht begleiten. Eher die Luftlinie Richtung Bad Homburg durch weniger hügelige Umgebung nehmen. Nach dem knackigen Aufstieg nach Neuweilnau gönnen wir uns Kaffee und Kuchen mit Ausblick auf die Burg in unserem Geheimtipp Espabar und dann ist es schon unsere alte bekannte Strecke, x-mal gefahren, im Kopf gespeichert, keine bösen Überraschungen, nur die tiefgehende Novembersonne genießen, die jeden Tag ein bisschen ihrer Kraft verliert und deshalb uns jetzt jedes Mal noch mehr erfreut.

Andrea Maier-Pazoutova