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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

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links: Frankfurter Straße stadteinwärts: Radfahrende werden ausgebremst und abgedrängt, für Kfz wird die Fahrbahn erweitert.
Foto: Theo Sorg
rechts: Vorgezogene Aufstellflächen für Radfahrende. In Gießen geht's. In Bad Vilbel nicht?
Foto: Jan Fleischhauer


Radverkehrskonzept verabschiedet

An vielen Stellen des Konzepts ist der Vorrang des motorisierten Individualverkehrs zu erkennen.

Dass die Stadt Bad Vilbel nun endlich ein Radverkehrskonzept vorgelegt und Anfang Februar 2018 im Stadtparlament auch durchgebracht hat, ist zu begrüßen. Das Konzept enthält sinnvolle und notwendige Maßnahmen. Beispielsweise sollen die Radverkehrsverbindungen zwischen Massenheim und Dortelweil entlang der B 3 sowie zwischen Dortelweil und der L 3008 baulich aufgewertet werden.

Andererseits handelt es sich bei dem Konzept in weiten Teilen lediglich um eine Bestandsaufnahme des mit dem Rad befahrbaren Wegenetzes und eine Beschreibung der bereits beschlossenen und teils auch bereits angestoßenen Maßnahmen. Wir vermissen demgegenüber neue Ideen zum Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur.

Das in der Wetterau und im Main-Kinzig-Kreis steigende Kfz-Verkehrsaufkommen führt in Bad Vilbel zu immer längeren Staus und zu Belastungen der Umwelt mit Lärm und Abgasen – mit den bekannten Folgen für die Menschen nicht nur hier. Der ÖPNV hält nicht mit. Politik reagiert, anstatt zu gestalten. Angesichts dessen wird ein in seinen Grundzügen im Wesentlichen konservatives Radverkehrskonzept nicht ausreichen.

An vielen Stellen des Konzepts ist der Vorrang des motorisierten Individualverkehrs zu erkennen. Dabei ist laut Infas Berlin in Deutschland knapp die Hälfte aller Wege, die mit dem Pkw zurückgelegt werden, kürzer als fünf Kilometer. Warum wird für diese Strecken nicht das Fahrrad benutzt? Fragt man die Leute, so sagen viele, dass sie gerne mit dem Rad fahren würden, wenn sie sich dabei sicherer fühlten. Warum ist man in Bad Vilbel so zögerlich, wenn es darum geht, umzusteuern und Chancen zu nutzen? Fehlt es hier an Mut?

Eine wiederkehrende Empfehlung der Autoren des Konzepts, wenn es knapp wird: Führung im Mischverkehr – ungeachtet der da und dort verminderten Sicherheit für Radfahrende – oder Freigabe von Gehwegen für Radfahrer. Vor allem Letzteres ist kaum jemals eine valide Lösung. Vor allem für Menschen, die im Alltag mit ihrem Rad unterwegs sind, ist sie inakzeptabel. Überdies setzt eine Mischverkehrsführung nicht selten falsche Anreize für Autofahrer/-innen. Ohnehin ist es im Kreis der Motorisierten nicht hinreichend bekannt, dass Gehwege in aller Regel Fußgängern vorbehalten und dass umgekehrt Radwege nicht per se benutzungspflichtig sind. Deshalb werden Radfahrende oft von Auto­fahrer/-innen durch Nichtbeachtung der Sicherheitsabstände bedrängt und genötigt, ihrer vermeintlichen Pflicht zur Benutzung von Gehwegen nachzukommen.

Wer mit dem Rad einen freigegebenen Gehweg benutzt, der hat Fußgängern gegenüber Rücksicht zu nehmen; die aktuelle Rechtsprechung geht von einer maximal vertretbaren Fahrgeschwindigkeit von 6 km/h aus. In der Literatur findet man eine Mindestgeschwindigkeit von 7 km/h für eine sichere Fortbewegung auf dem Rad ohne Schlangenlinien. Auf ein Kfz übertragen würden die besagten 6 km/h eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 17 km/h bedeuten. Wer würde das hinnehmen? Selbst in verkehrsberuhigten Zonen wird im Allgemeinen schneller gefahren.

Konfuzius wird die Weisheit nachgesagt, wonach die Menschen nicht über Berge stolpern, wohl aber über Maulwurfshügel. Was ist mit den vielen Problemen, die erst bei näherem Hinsehen offenkundig werden, zum Beispiel den unterschiedlich geregelten/markierten Kreisverkehrsanlagen, der Frage der Einfädelung des Radverkehrs in den fließenden Verkehr, fehlenden Querungshilfen und dem oft unverständlichen Schilderwald? An manchen Stellen führt die Verkehrsführung in Bad Vilbel dazu, dass regelwidriges Handeln geradezu provoziert wird.

Die Liste der Probleme im Detail ist lang, wie etwa die Arbeiten Joachim Brendels, des ehemaligen ehrenamtlichen Radverkehrsbeauftragten der Stadt, zeigen. Hier ließe sich ein wenig Abhilfe nicht zuletzt auch dadurch schaffen, dass das Wissen der direkt betroffenen Radfahrenden, das diese in die Meldeplattform Radverkehr einspeisen, von der Stadt konsequent ausgewertet wird. Immerhin hat sich die Stadt bereits vor mehreren Jahren dieser Plattform angeschlossen, doch bislang ist für Außenstehende nicht erkennbar, dass die in sie einfließenden Informationen auch verwertet werden.

Erfreulich ist, dass wesentliche Vorarbeiten des ADFC Bad Vilbel für überörtliche Radwegeverbindungen in die Nachbarkommunen nach Karben und Bergen-Enkheim sowie den Frankfurter Norden fast ohne Änderung Eingang in das Konzept gefunden haben. Diese Vorarbeiten fanden unter anderem während zweier Raderkundungsfahrten des ADFC Bad Vilbel im Jahr 2016 statt und wurden wenig später dokumentiert. Zumindest hier hat sich die kontinuierliche Arbeit für die Verbesserung des Fahrradverkehrs gelohnt (obgleich die Autoren des Radverkehrskonzepts in Guttenberg'scher Tradition entsprechende Fußnoten vergessen zu haben scheinen).

Die bislang in Bad Vilbel grundsätzlich herrschende zögerliche Art des Umgangs mit dem Radverkehr, die manches Mal geradezu wie eine Bekämpfung des Radverkehrs anmutet, hat überall in der Stadt ihre Spuren hinterlassen. Nach der Vorlage des Radverkehrskonzepts vom August 2017 sollte man nun erwarten dürfen, dass durchgängige und sichere Radrouten – gerade auch zwischen den Stadtteilen und zwischen der Stadt und ihren Nachbargemeinden – im Detail entworfen, geplant und realisiert werden.

Wir sehen es jedenfalls gerne, dass die städtische Verkehrskommission, die bisher nur sehr selten und in unregelmäßigen Abständen einberufen wurde, von der Stadt zu einem Gremium aufgewertet werden soll, in dem Projekte zur Förderung des Radverkehrs systematisch erarbeitet und zur Beschlussreife geführt werden. Dieser auch von uns nachdrücklich empfohlene Schritt wurde im Stadtparlament zusätzlich beschlossen. Das ist gut zu wissen und lässt für die Zukunft hoffen.

Ute Gräber-Seißinger,
Theo Sorg, Christian Euler