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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Es geht in Bad Homburg immer lustig weiter …

…und zwar so:

"Junck gebohren, junck gestorben" – und: "Gott verleihe ihm eine fröliche Aufferstehung!" Das steht auf zwei Grabsteinen aus dem 17. Jahrhundert an der Mauer des Bad Homburger Schlosses, in Erinnerung an einen Mann namens Junck, der im jugendlichen Alter von 25 Jahren verstarb.

Frei für Fahrer beladener Räder bis 11 Uhr?
Foto: Günther Gräning

Man sieht also, dass die Komik in Bad Homburg eine lange Geschichte hat. Kein Wunder, dass es heute hier ein Äppelwoi-Theater, einen Hindenburgring, ein kaiserliches Klo, eine Spielbank, ein Zeppelin-Denkmal, die Rallye Monte Carlo, Hunderennen und einen Prinzen mit einem Silbernen Bein gibt. Aber auch das tägliche Leben ist randvoll mit Komik:

Am 09.1.2018 gegen 10:40 Uhr habe ich auf dem Wochenmarkt 10 kg Kartoffeln und 10 Eier gekauft, die ich in meine linke Gepäcktasche am Hinterrad geladen habe. Mit diesem einseitig beladenen Rad fahre ich die Fußgänger­zone abwärts. Plötzlich stehen drei schwarzgekleidete Stadtpolizisten vor mir, darunter eine junge Frau. Ich solle anhalten und absteigen. – Warum das? – Radfahren sei hier um diese Zeit verboten. – Ich: Irrtum; an der Einfahrt zur Fußgängerzone stehe "Be- und Entlader frei 6-11 Uhr". – Antwort: Ich sei kein Belader. Ich verweise auf meine schwere Gepäcktasche mit den Kartoffeln und den Eiern. Was denn wohl sonst ein Belader sei? Ein Mensch oder ein Fahrzeug? Oder ein Mensch mit einem Fahrzeug? Ein Lastenrad? - Der Polizist druckst hilflos herum. Seiner jungen Kollegin ist die Szene (drei Polizisten gegen einen Radler) offensichtlich peinlich. Um die Situation aufzulösen, fragt sie nach meiner Adresse und meinem Namen. Also reiche ich ihr meinen Personalausweis. Sie notiert und gibt mir den Ausweis zurück. Wir trennen uns, ich fahre unbehelligt weiter.

Die Stadt Bad Homburg hätte am Beginn und Ende der Fußgängerzone das Zusatzschild mit der Nummer 1026-35 ("Lieferverkehr frei") aufstellen können. Das hat sie aber offensichtlich bewusst nicht getan, sondern allen "Bela­dern", auch denen mit Fahrrad oder Lastenfahrrad, das Befahren der Fußgängerzone von 6 bis 11 Uhr erlaubt. Mit einem unbeladenen Fahrrad fahre ich nur bis 9 Uhr in der Fußgängerzone, mit einem schwer beladenen seit Jahren unbehelligt bis 11 Uhr.

Das alles hätte ich den Polizisten sehr gerne erklärt – wenn sie nicht unbedingt lieber meine Adresse hätten haben wollen.

Ein paar Tage später erhalte ich ein Schreiben vom "Oberbürgermeister als Ordnungsbehörde". Darin werde ich einer Ordnungswidrigkeit bezichtigt, die ich durch Zahlung von 15 € anerkennen und aus der Welt schaffen solle. Ich antworte mit denselben Argumenten wie oben geschildert und verweigere sowohl Zahlung als auch Anerkennung. Wieder kommt ein Schreiben vom "Oberbürgermeister als…", darin eine Drohung mit "Bußgeldbescheid" und wörtlich der folgende Satz "Für Ihre vorgebrachten ­Argumente habe ich Verständnis, vermag das Verfahren aus rechtlichen Gründen jedoch leider nicht einzustellen." Ich bin sehr gerührt über so viel Einsicht und Mitgefühl, kann mir unter "rechtlichen Gründen" nichts Vernünftiges vorstellen, schreibe eine E-Mail an die Rechtsabteilung des ADFC in Berlin, bitte dort um Auskunft, ob ich zahlen soll oder nicht, teile das dem "Oberbürgermeister als…" mit und bitte um etwas Geduld bis zur Antwort aus Berlin.

Bald schon kommt die Antwort des Rechtsreferenten des ADFC, Herrn Roland Huhn. Er bestätigt: "Be- und Entlader frei" sei kein Zusatzzeichen der StVO. Es liege "ein Missverständnis aufgrund der nicht StVO-konformen Beschilderung" vor. Und selbstverständlich könne die Behörde das Verfahren jederzeit einstellen. Daran sei sie nicht "aus rechtlichen Gründen" gehindert, "besonders, wenn sie die Argumentation des Betroffenen nachvollziehbar findet". Laut § 47 Abs. 1 OWiG gilt: "Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde. Solange das Verfahren bei ihr anhängig ist, kann sie es einstellen."

Unter Hinweis auf diese Aussagen des Rechtsreferenten fordere ich den "Oberbürgermeister als…" schriftlich auf, die fehlerhafte Beschilderung zu korrigieren und das bei ihm anhängige Verfahren "aus rechtlichen Gründen" gemäß § 47 Abs. 1 OWiG einzustellen.

Die Sache landet jetzt beim Regierungspräsidenten in Kassel, der mir einen Bußgeldbescheid schickt, ohne das Zeichen "Be- und Entlader frei" zu erwähnen. Ich weise auf das "Missverständnis aufgrund der nicht StVO-konformen Beschilderung" hin. Das Präsidium wertet das freundlicherweise als Einspruch, erklärt mir, was eine Fußgängerzone ist und gibt mir Zeit für eine weitere Stellungnahme, erwähnt aber den "Belader" wieder nicht. Ich sehe mein Ziel erreicht: Offenbar ist der "Be- und Entlader" ein heißes Eisen. Das Bußgeld zahle ich gerne, nicht ohne auf das heiße Eisen noch einmal hinzuweisen.

Sollte einer meiner Leser beim Lesen Spaß gehabt haben, so kann er mir gerne Geld spenden. Wenn die Spenden das Bußgeld übersteigen, gebe ich den Rest der Stadt Bad Homburg, damit sie sich davon gültige Verkehrszeichen kaufen kann.

Günther Gräning