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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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(k)ein Platz fürs Lastenrad?

Bild zum ArtikelPatricia Immler und Sohn Lionel auf dem täglichen Weg zur Kita
Torsten Willner

 

Alle wollen offenbar eines haben: Kaum ist ein Lastenrad-Förderprogramm aufgelegt, ist es auch schon überbucht, und die Lieferzeiten in den Läden ziehen sich fast so in die Länge wie der Bau eines Radschnellwegs. Auch auf der EUROBIKE wird diese Fahrzeug-Gattung wieder eine ganz große Bühne bekommen. Wäre die Nachfrage nach Lastenrädern allein ein Indiz für die gelingende Verkehrswende – Städte wie Frankfurt wären auf einem sehr guten Weg. An die schiere Präsenz der Transportvelos knüpft sich aber auch die Frage: Wie gut lassen sie sich eigentlich parken und mit welchen Problemen haben Lastenradnutzer:innen in Frankfurt zu kämpfen?

Neben dem Transport jüngerer Kinder gelten Einkäufe von Lebensmitteln und Getränken als hauptsächlicher Anschaffungsgrund. In Dänemark haben sich große Märkte wie Lidl mit speziellen Abstellplätzen auf ihre Lastenrad fahrende Kundschaft eingestellt. Anders als in Kopenhagen bietet das Stammhaus in seinen deutschen Filialen keine eigenen Lastenrad-Parkplätze, grundsätzlich sei man für solch einen Gedanken aber offen, sagt Melanie Pöter von der Lidl-Pressestelle: "Aktuell können Lastenräder an den herkömmlichen Fahrradstellplätzen abgestellt werden." Die Probe aufs Exempel beim Markt in der Platenstraße zeigt, dass dies tatsächlich möglich ist: die Fahrradbügel bieten einen komfortablen seitlichen Abstand von gut 1,20 Meter, auch in der Länge gibt es kein Problem. Ähnliche Platzverhältnisse bieten beispielsweise die Alnatura-Märkte in Bornheim und Eckenheim oder Aldi in der Raimundstraße.

Doch je zentraler ein Lebensmittelmarkt im Stadtgebiet liegt, umso heikler kann sich die Abstellsituation gestalten. Bei manchen Supermärkten ist es bereits mit einem herkömmlichen Rad schwierig, einen geeigneten Abstellplatz zu finden, mit einem Lastenrad wird das nicht leichter. Nehmen die Handelsketten überhaupt wahr, dass heute häufiger mit Lastenrad oder Rad eingekauft wird?

Einkaufen per (Lasten)Rad liegt im Trend

 

Stefan Lüdecke schließt sein Lastenrad auf einem dazu gedachten Parkplatz in der Wittelsbacherallee an. Hauptsächlich stehen hier aber normale Räder
Torsten Willner

Bei Kund:innen der Tegut-Märkte beobachtet Pressesprecher Matthias Pusch "seit jeher eine hohe Affinität zum Fahrrad. Grundsätzlich streben wir immer Abstellmöglichkeiten für Fahrräder im Rahmen von Neueröffnungen an." Alnatura-Sprecherin Stefanie Neumann hat aus ihren Märkten die Rückmeldung erhalten, dass Kund:innen die Fahrradständer dort "in den letzten Jahren mit steigender Tendenz" nutzen, eine systematische Zählung gibt es jedoch nicht.

Auch REWE hat dazu keine genauen Daten. "Die aktuelle Situation lässt jedoch vermuten, dass tatsächlich mehr Menschen das Rad nutzen", räumt REWE-Pressesprecherin Katrin Allstädt ein und findet diese Entwicklung auch begrüßenswert. Dass vor allem bei älteren innerstädtischen REWE-Märkten die Abstellsituation oft nicht optimal ist, weiß das Unternehmen: "Im Rahmen von Neu- und teilweise von Umbauten eines Marktes inklusive Außenanlagen werden Fahrradständer nach den vom ADFC-empfohlenen Standards ausgetauscht und montiert, teilweise auch für E-Bikes. Hier werden auch, sofern baulich möglich, die Fahrradständer unter einem Dach installiert", erklärt die REWE-Sprecherin.

Alnatura zeigt sich hier noch etwas offensiver: "Wo immer möglich, stellen wir direkt vor dem Markt eine Abstellfläche für Fahrräder und Lastenräder zur Verfügung", erläutert Alnatura-Sprecherin Stefanie Neumann. Der größere Platzbedarf für Lastenräder werde dabei berücksichtigt. "Wenn in der Planungsphase für einen neuen Alnatura Markt festgestellt wird, dass die dort vorhandenen Stellplätze nicht ausreichen, dann wird mit dem Vermieter und Stadtverwaltung geklärt, was möglich wäre und dann hoffentlich umgesetzt", beschreibt Neumann die Vorgehensweise – so geschehen etwa in der Landgrafenstraße im Stadtteil Bockenheim, wo die Stadt Frankfurt einen Kfz-Stellplatz in drei Lastenrad-Parkplätze umgewandelt hat.

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links:Eine junge Familie kauft per Lastenrad ein
Torsten Willner
rechts:Lastenräder sind etwas länger, man stellt sie daher besser schräg zur Straße ab
Stefan Lüdecke

Bei Alnatura gibt es zudem die besondere Situation, dass in mittlerweile 41 Märkten teilweise elektrisch verstärkte Lastenräder auszuleihen sind. Die Bio-Lebensmittelkette beteiligt sich damit aktiv im Netzwerk des VCD-Projekts main-lastenrad.de

Zum Erfolg von main-lastenrad.de haben auch Manfred Fußnecker und Patricia Immler beigetragen. Beide leben mit ihren Familien im Stadtteil Dornbusch und haben die Crowdfunding-Kampagne Lastenradler Frankfurt (Frankfurt aktuell 5/2018) zur Leih-Lastenrad-Finanzierung ins Leben gerufen. Insgesamt lassen sich in Frankfurt und Offenbach rund 20 Lastenräder kostenlos ausleihen: "Da können die Leute einfach mal eine andere Art der Mobilität ausprobieren – eine gute Sache!", findet Fußnecker. Wie Patricia Immler hat auch er bereits vor längerer Zeit den Pkw gegen ein eigenes Lastenrad getauscht.

Wenn Manfred Fußnecker sich per Lastenrad zu einem größeren Lebensmitteleinkauf auf den Weg macht, steuert er oft gleich einen der markteigenen Kfz-Parkplätze an. "Die stehen schließlich allen zu, die hier einkaufen – und es hat sich auch noch nie jemand daran gestört, dass ich den Platz mit meinem Lastenrad nutze." Allerdings hapert es hier mit Bügeln zum diebstahlsicheren Anschließen.

Ein Argument, das für die Einrichtung spezieller Lastenrad-Parkplätze – wie in der Bockenheimer Landgrafenstraße – spricht. Die regulatorische Voraussetzung, sie anlegen zu können, war die jüngste Novelle der Straßenverkehrsordnung, die nun ein Lastenrad-Parkplatz-Schild beinhaltet. Auf Asphalt kann außerdem ein Lastenrad-Piktogramm die Erkennbarkeit verbessern. Neben dem Standort in Bockenheim hat die Stadt Frankfurt jeweils einen weiteren Pilotstandort in Bornheim, im Gallus, im Europaviertel sowie zwei am Riedberg ausgewiesen, um erste Erfahrungen mit dem neuen Schild zu sammeln. "Wir haben fünf Lastenrad-Parkflächen ausgewählt, die uns die Ortsbeiräte vorgeschlagen haben – unsere Idee war, dass es sich besonders vor Supermärkten anbieten würde", erläutert Stefan Lüdecke, Referent im Mobilitätsdezernat und Leiter der Stabsstelle Radverkehr der Stadt Frankfurt am Main.

Ausgewiesene Lastenrad-Parkplätze…

 

Lastenradparkplatz am Bockenheimer Alnatura-Markt in der Landgrafenstraße
Torsten Willner

Zwar seien die Abstellplätze gut genutzt, "doch die Räder, die dort parken, sind in der Regel keine Lastenräder", lautet Lüdeckes erstes Fazit. Alle wollten ja, egal mit welchem Rad, so nah wie möglich ans Ziel heranfahren. Das führt in der Praxis dazu, "dass ein normales Rad auch auf einen Lastenradparkplatz gestellt und die Beschilderung ignoriert wird, wenn der günstiger liegt", so Lüdeckes Analyse: "Mein Eindruck ist, dass das nur an Standorten funktioniert, wo eine hohe, sehr spezifische Nachfrage für Lastenrad-Abstellplätze herrscht – etwa an einem Bio-Supermarkt."

Dabei gibt es im Stadtgebiet eine stattliche Zahl von Fahrradbügeln, und jedes Jahr kommen rund 2.000 neue dazu. Das Problem ist, dass viele im rechten Winkel zur Bordsteinkante angeordnet sind, was dazu führt, dass bei den längeren Lastenrädern dann das vordere oder hintere Rad auf die Fahrbahn oder den Gehweg ragt. "Schräg platziert würde der Platz aber in den meisten Fällen ausreichen", hat Lüdecke bereits aus eigener Erfahrung festgestellt. Er ist seit einem halben Jahr selbst regelmäßig mit einem "Bullit" in der Stadt unterwegs, in der Ladebox sitzt dann oft sein Hund.

…oder schräg aufgestellte Fahrradbügel?

 

Um den Bedarf an Abstellmöglichkeiten für Lastenräder möglichst zügig zu decken, sei es "zielführender, die Bügel grundsätzlich so zu platzieren, dass möglichst alle ihr Rad überall abstellen können", findet Stefan Lüdecke. Spezielle Lastenrad-Parkplätze werden auch künftig ausgewiesen, an diesen Standorten sollte es jedoch einen hohen konkreten Bedarf geben.

So könnte es demnächst mehr Abstellbügel geben, die für Lastenräder geeignet sind, ohne dass sie entsprechend beschildert sind. Praktisch kann das bedeuten, dass es kleinere, kürzere, schmalere Lastenräder etwas einfacher bei der Parkplatzsuche haben als besonders breite und große Modelle. "Man muss sicherlich mit dem Lastenrad in Kauf nehmen, dass man auch mal ein paar Meter mehr laufen muss, bis man einen sicheren Abstellplatz hat", räumt Lüdecke ein.

Grundsätzlich dürfen Lastenräder auch auf dem Gehweg abgestellt werden. Dabei darf die Breite des Gehwegs aber nicht so verengt werden, dass andere in ihrer Mobilität – etwa mit Rollstuhl, Rollator oder Kinderwagen – beeinträchtigt werden. Genau darauf achtet Manfred Fußnecker auch, bevor er sein Lastenrad auf dem Gehweg abstellt. Diese umsichtige Praxis beim Lastenradparken scheint in Frankfurt glücklicherweise die Regel zu sein, "bislang funktioniert das ganz gut", bestätigt Stefan Lüdecke.

Wenn Lastenradlerin Patricia Immler ihren sechsjährigen Sohn Lionel zum Kindergarten der Lebenshilfe im Stadtteil Hausen bringt, kann sie das Lastenrad ohne Probleme kurz auf dem Gelände abstellen (unser Titelfoto). Parkt sie es in der Stadt, hat sie erst dann ein gutes Gefühl, wenn auch der Rahmen an einem Bügel fest angeschlossen ist, "dafür habe ich mir auch ein gutes Schloss geleistet." Was sie aber bei den allermeisten Fahrradbügeln im Stadtgebiet vermisst, ist der Witterungsschutz: "Bei modernen Lastenrädern ist auch Elektrik an Bord, da wünsche ich mir schon, dass das nicht dem Regen ausgesetzt ist."

Möglichst nicht unter freiem Himmel, lautet auch die Devise, wenn es darum geht, das Lastenrad, etwa nachdem man die Kinder zur Kita gebracht hat, am Arbeitsplatz abzustellen. Patricia Immler ist sehr froh darüber, dass das bei ihrem Arbeitgeber möglich ist.

(Lasten)fahrradfreundlicher Arbeitgeber?

 

Die KfW-Bankengruppe hat schon vor 15 Jahren an dem ursprünglich vom ADFC Hessen und dem Regionalverband initiierten Projekt "bike + business" teilgenommen, das heute vom Land Hessen geleitet wird. Die damals vom Projektteam entwickelten Handlungsempfehlungen, mehr witterungsgeschützte und diebstahlsichere Abstellmöglichkeiten zu schaffen, hat das Unternehmen so gut umgesetzt, dass KfW-Angestellte Patricia Immler das Lastenrad heute problemlos in der Tiefgarage ihres Arbeitgebers abstellen kann.

Im Gegensatz zur sicheren Abstellmöglichkeit für herkömmliche Fahrräder zählen gute Lastenradparkplätze nicht zu den offiziellen Kriterien beim Audit für fahrradfreundliche Arbeitgeber, erläutert Sara Tsudome, die als Projektleiterin für den ADFC-Bundesverband die Zertifizierungen koordiniert. "Aber es gibt eine Reihe fahrradfreundlicher Arbeitgeber, die Mitarbeitenden, die mit dem Lastenrad kommen, einen Platz in der Tiefgarage oder dem Fahrradkeller anbieten können." In Frankfurt am Main ist das etwa am Standort der R+V-Versicherung oder dem Umweltamt der Stadt Frankfurt der Fall. Beide sind als fahrradfreundlicher Arbeitgeber in "Gold" zertifiziert.

Was beim mehrstündigen Parken am Arbeitsplatz gilt, trifft für das Abstellen der hochwertigen Fahrzeuge zu Hause, also über Nacht, allemal zu. Bei der Wahl ihres Lastenrads war es Patricia Immler wichtig, dass es nicht nur viel transportieren kann, sondern sich auch so kompakt machen lässt, um in den Keller getragen zu werden. Während die übrigen Räder der Familie im Freien stehen, kommt das für das Lastenrad nicht in Frage. Bei Manfred Fußnecker parkte das Transportvelo zuerst im eigenen kleinen Garten. Aber auf das Gefühl, es inzwischen mit den fünf anderen Rädern der Familie in einer dafür angemieteten Garage sicher untergebracht zu wissen, möchte der Lastenradler nicht mehr verzichten.

…und eine Vision

 

Dass viele, die mit hochpreisigen Rädern in der Stadt unterwegs sind, hier gerne eine witterungsgeschützte, sichere Abstellmöglichkeit nutzen würden, weiß auch Stefan Lüdecke: "Was ich mir wünsche, wäre ein kleines Fahrradparkhaus im Zeil-Umfeld, wo Kund:innen während des Einkaufs, Tourist:innen während des Stadtbummels ihr Rad bewacht abstellen, falls nötig den Akku aufladen können. Es ist natürlich nicht so einfach, da eine geeignete Fläche zu finden. Mittel- bis langfristig wäre das aber ein Ziel." Eine Vision, über deren Verwirklichung sich in Frankfurt sicher viele freuen würden – ob mit oder ohne Lastenrad.

 

Torsten Willner