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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Aus dem breit gefächerten Mobilitätsangebot stellen sich die Frankfurter ganz nach Gusto ihren persönlichen Mobilitäts-Mix zusammen. Der Trend: mehr Fahrrad, mehr öffentlicher Nahverkehr und immer weniger Auto, vor allem immer weniger eigenes Auto. Auf diesen Zug springen private Carsharing-Anbieter ebenso wie Frankfurts Wohnungsbaugesellschaften und Energiedienstleister auf.

1/3 ÖPNV, 1/2 Rad und etwas Auto bitte

Mobilitätsmix in Frankfurt, v. l. n. r.: Carsharingstation vor dem Hauptbahnhof; Park& Ride-Anlage am Autobahnende in der Borsigallee; platzsparende Lösung für alle Fälle
Fotos: Jörg Hofmann, Martha Schmidt, Uwe Hofacker

Der Trend zu alternativen Mobilitätskonzepten jenseits der Auto-Fixierung freut die Fahrrad-Begeisterten im ADFC Frankfurt. Das ist logisch. Er erfreut aber auch die Stadtverwaltung und sogar die Autofahrer. Logisch: Diese freuen sich über den nachlassenden Parkdruck in Frankfurts Vierteln. Logischerweise freuen sich auch die Verkehrsbetriebe über die steigende Nachfrage des öffentlichen Nahverkehrs. Besonders freuen sich derzeit die Carsharing-Anbieter. Auch das liegt in der Logik der Sache: Immer mehr Städter wollen nur noch ein bisschen Auto haben, mal für eine Stunde, einen Tag oder hin und wieder ein Wochenende. Und dafür wollen sie sich nicht mit einem eigenen Auto belasten. Der Trend zum geteilten Auto ist bundesweit und verspricht für Carsharing zweistellige Wachstumsraten. Die beiden alteingesessenen Frankfurter Carsharing-Anbieter stadtmobil und book-n-drive boomen. 2011 gewann book-n-drive innerhalb des Rhein-Main-Gebietes monatlich 100 neue Kunden, 2012 steigerte sich die Zahl auf 200 Neukunden und 2013 waren es 400 neue Mitglieder im Monat. Eine kontinuierlich positive Entwicklung, sowohl hinsichtlich des wachsenden Kundenstammes, als auch der Ausweitung von Fahrzeugen und Stationen verzeichnet auch stadtmobil, die Nummer zwei in FrankfurtRheinMain.

Carsharing wird günstiger
Letzten Oktober ist den beiden Platzhirschen ein junger Bock ins Gehege gekommen. Purzelnde Preise und neue Konzepte versprach Bill Jones, CEO von CiteeCar, beim Markteintritt in Frankfurt am Main. Mit dem Kampfpreis ein Euro pro Stunde und 20 Cent pro Kilometer inklusive Tanken buhlte "Deutschlands günstigster Carsharing-Anbieter" um Kunden. Doch book-n-drive parierte den Angriff mit seinem City Flitzer: Ein Euro pro Stunde und 20 Cent pro Kilometer sollte auch sein Carsharing-Kleinwagen kosten.

Neue Stellplatz-Konzepte
Der Newcomer CiteeCar bescherte Frankfurt nicht nur günstige Tarife, sondern auch neue Stellplatz-Konzepte. Sein bereits in Berlin getestetes Host-Konzept übertrug CiteeCar auf Frankfurt:

Wer als Host einen privaten Parkplatz zur Verfügung stellen kann, erhält Vergünstigungen bei der Buchung und hat zudem einen nagelneuen Carsharing-Wagen direkt vor seiner Haustüre stehen. Die anderen CiteeCar-Kunden nutzen den Wagen wie bei anderen stationären Carsharing-Anbietern auch, eine persönliche Übergabe des Fahrzeugs oder Autoschlüssels ist auch bei dem Host-Modell nicht nötig: Die Kunden buchen das Auto in der Zentrale – per Telefon, Handy oder Internet –, entriegeln es mit Ihrer Kunden-Chipkarte und fahren los. Book-n-drive greift diese, so dessen Prokurist Martin Trillig, "clevere Idee" auf. Was für CiteeCar der Host ist, ist für book-n-drive der Autopate. Auch der soll für das Carsharing-Auto einen eigenen Stellplatz zur Verfügung stellen und ein Auge auf das Fahrzeug haben: den Flitzer mal durch die Waschstraße schicken und kleine Probleme selber lösen. Den technischen Support und die Innenreinigung behält sich allerdings book-n-drive vor.

Book-n-drive zielt mit dem Autopaten-Modell nicht nur auf Besitzer eines Stellplatzes, sondern auch auf Frankfurter, die einen Bewohnerparkausweis haben. Speziell in Stadtteilen wie dem Nordend ist das attraktiv. Inzwischen hat die Stadt ein Tor für Autopatenschaften geöffnet. "Wer seinen Hauptwohnsitz im Bereich einer Bewohnerparkzone hat, kann unter Einreichung eines Carsharing-Vertrages einen Bewohnerparkausweis beantragen", erklärt Michael Jenisch, der Sprecher des Ordnungsamtes. Allerdings, so schränkt er ein, sei der Bewohnerparkausweis an die Person gebunden und könne nicht übertragen werden. Auch wenn die Rechtslage noch eher gräulich denn glasklar ist, fühlt sich book-n-drive von dieser Regelung ermutigt. Unter seinen Mitgliedern hat das Unternehmen für Autopaten geworben. Unter den 190 Interessenten werden derzeit 28 Autopaten ausgewählt.

Schwung in der Mobilität
Die Preise purzeln tatsächlich. Ab 15. Februar rollt der Kleinwagen für nur 0,19 Euro Kilometerpauschale inklusive Tanken durch die Städte, kündigte Martin Trillig Anfang Februar auf einem Mitglieder-Treffen in den Räumen der ABGnova, einer Tochter der Mainova AG, an. Book-n-drive senkt den Kilometer-Preis, weil kürzlich der ADAC-Kraftstoffindex herabgestuft wurde, an dem der Carsharing-Anbieter seine Kilometerpauschale orientiert.

Der Schwung, den CiteeCar in die Branche brachte, trägt über die günstigen Preise und das Host- oder Autopatenkonzept hinaus. Book-n-drive greift den Community-Gedanken, der hinter dem Host-Konzept steckt, auf und versucht ihn zu vertiefen. Back to the roots: Schließlich hat der Carsharer seine Anfänge in der alternativen Szene, das Ursprungsunternehmen saß nicht zufällig im Ökohaus. Damals war Carsharing wie Müsli-Essen: ein Gegenentwurf. Der gelang und das Projekt mauserte sich zu einem professionell agierenden Unternehmen. Dem regionalen Carsharing-Marktführer ging dabei ein bisschen der Glanz als verkehrspolitische Avantgarde verloren. Die verblichene Spitze wird jetzt aufpoliert als "Community". Die book-n-drive-Mitglieder sollen sich wie in alten Tagen für die Idee engagieren – als "Community-Paten", so der Anglizismus, für den Trillig noch einen besseren Begriff sucht. In der Web-Community oder durch Beteiligung an Testanwendungen sollen sie beispielsweise aktiv werden.

Das Frankfurter Dreigestirn
Für neue Tests setzt book-n-drive nicht zuletzt auf seine regionale Verwurzelung und die gewachsene Partnerschaft mit dem Energiedienstleister Mainova AG und dem großen Frankfurter Wohnungs- und Immobilienkonzern ABG Holding GmbH. Das Dreigestirn ist durch Beteiligungen inzwischen verwachsen: Die Mainova und die ABG sind mit jeweils 33 Prozent bei dem Carsharing-Unternehmen beteiligt. Die ABG verspricht sich von der Kooperation unter anderem eine Senkung des Stellplatzschlüssels für Neubauprojekte. Denn laut einer Umfrage von book-n-drive haben 40 Prozent der Carsharing-Kunden kein eigenes Auto. Die Reduzierung der gesetzlich geforderten Stellplätze durch Carsharing-Modelle verspricht der ABG also deutliche Kostensparpotentiale. Logisch also, dass sich die ABG bei book-n-drive eingekauft hat. Aber was hat der Energiedienstleister von der Kooperation mit dem Carsharing-Unternehmen?

Mainova denkt dabei vor allem an die Elektromobilität. Diese Zukunft ist bereits nah: Im Frankfurter Nordend plant book-n-drive eine Station für Elektrosmarts. Wenn wie geplant der Zähler für die Ladestation installiert wird, startet das Projekt am 1. März.

Multimodaler Mix
Immer mehr Menschen und nicht nur in Frankfurt sind auf dem Sprung weg vom eigenen Auto hin zu Carsharing. "Großstädte sind der Motor dieser Entwicklung", erklärt der Geschäftsführer des Bundesverbandes Carsharing e.V., Willi Loose. "Carsharing funktioniert dort am besten, wo die Alternativen zum eigenen Auto, insbesondere der Öffentliche Personennahverkehr, ausgebaut sind." In anderen Städten, etwa Münster und Freiburg, sei der ÖPNV nicht so gut ausgebaut, dafür sei der Fahrradverkehr als Alternative zum eigenen Auto stark und Carsharing funktioniere deshalb auch dort. Das lässt durchaus den Umkehrschluss zu: Je mehr Alternativen das lokale Mobilitätsangebot bietet, um so besser entwickelt sich der Fahrradverkehr.

Große Mobilitätsdienstleister wissen längst um die multimodale Verflechtung und setzten das in ihrer Unternehmenspolitik um, allen voran die Deutsche Bahn AG. Die schickt nicht nur Züge auf die Gleise, sondern auch Laster und Busse auf die Autobahnen und den Flinkster auf die Straße. Die Deutsche Bahn AG betreibt mit dem Flinkster in 140 Städten das flächengrößte Carsharing-Netz in Deutschland. Der Fuhrpark umfasst 3.000 Autos, darunter 70 Hybrid- und Elektroautos. In Kooperation mit Citroen Multicity stellt Flinkster in Berlin 100 Elektroautos bereit. Flinkster ist network-mäßig auch mit Frankfurts Platzhirsch book-n-drive verbandelt. Dieser nutzt die Buchungsplattform von Flinkster. Der book-n-drive-Kunde allerdings merkt das nicht, denn wenn er anruft, stellt sich ihm das Call-Center brav als book-n-drive vor. Die Deutsche Bahn AG ist in Frankfurt auch erfolgreich mit ihrem Mietradsystem Call a Bike vertreten. Das ist in der Philosophie der Bahn-Mobilität das letzte Glied in der CO2-freien Reisekette.

Der Rad-Mix
Die Radfahrerinnen und Radler in Frankfurt bewegen sich also in einem komfortablen multimodalen Angebots-Mix. Optimal? Im Prinzip ja, aber … Wer mit seinem Fahrrad durch die Stadt fährt, erlebt das Fahrradfahren allzu oft als Wagnis. So wichtig die Radler für den Frankfurter Mobilitäts-Mix auch sind und wie angenehm ihre platzsparende, saubere, gesunde und ökologische Bewegungsweise für Frankfurt auch ist – die selbstverständliche Anerkennung als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer erleben sie nicht durchgängig. Der ADFC Frankfurt will seinem beharrlichen Engagement für eine fahrradfreundliche Stadt neuen Schwung geben und seine Vorstellungen in einem verkehrspolitischen Programm auf den Punkt bringen. Der Mobilitäts-Mix in der Stadt wird darin aus der Perspektive der Radfahrenden gedacht: ein Viertel ÖPNV und etwas Auto für das Rad bitte.

Martha Schmidt