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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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„Wir dürfen gerne noch etwas ­vielfältiger werden“

Foto: Torsten Willner

Fünf Fragen an Sofrony Riedmann, seit Juli Geschäftsführer des ADFC Hessen

Seit Juli 2022 hat der ADFC Hessen einen neuen Geschäftsführer: Sofrony Riedmann ist der Nachfolger von Norbert Sanden, der in diesem Sommer in den Ruhestand geht. Eine erste Gelegenheit, Sofrony Riedmann kennenzulernen, bietet dieses Interview.

Wie können wir uns die Person ­Sofrony Riedmann vorstellen?
Ich bin in Schwerin aufgewachsen, habe in Erlangen, Tübingen und in Schweden Geographie studiert, auch mal in Lohr am Main gewohnt und lebe jetzt seit gut fünf Jahren in Frankfurt. Ich habe mich eigentlich immer für ökologische und soziale Fragen interessiert und auch engagiert. Schon als Schüler, als ich eine Demo gegen den damaligen Irakkrieg mit­organisiert habe. Während des Studiums ging es viel um Atomkraft, Klimaschutz, Studiengebühren. In den letzten Jahren habe ich mich in Frankfurt auch für bezahlbares Wohnen engagiert. Verkehrsthemen spielten immer eine wichtige Rolle, vor allem im Studium selbst, aber auch beim VCD habe ich mal gearbeitet. Engagement ist mir also wichtig. Außerdem ist mir wichtig, viel Zeit mit meinen drei Kindern verbringen zu können, die im Kita- und Grundschulalter sind. Fahrrad fahren wir da durchaus auch viel. Und dabei habe ich inzwischen ganz gut gelernt, unsere Städte mit den Augen der schwächsten Verkehrsteilnehmer zu sehen, auch wenn ich persönlich eher zum Typus des unerschrockenen Radfahrers zähle. Als letztes würde ich noch sagen, dass es auf jeden Fall immer mein Anspruch ist, allen Menschen mit Wertschätzung zu begegnen – ich hoffe sehr, dass das möglichst häufig auch gelingt!

Was hat Dich besonders motiviert, Geschäftsführer des ADFC Hessen zu werden?
Auf der einen Seite motiviert mich der enorme Veränderungsbedarf unseres autozentrierten Verkehrssystems. Da geht es um den Klimaschutz, wo der Verkehrssektor einfach nicht vorankommt, aber auch um die Lebensqualität in unseren Städten und Dörfern. Viele Menschen sind damit einfach nicht mehr zufrieden und fordern eine Verkehrswende weg vom Auto. Die nächsten 10 Jahre werden, glaube ich, dafür entscheidend sein. Die Autoindustrie arbeitet daran, massentaugliche Elek­troautos zu entwickeln und auf den Markt zu bringen, damit es eben keine Verkehrswende, sondern nur eine Antriebswende gibt. Teile der Politik unterstützen das leider noch immer.

Mich motiviert also schon dieser Handlungsdruck, auf der anderen Seite aber auch die enorme Veränderungsbereitschaft in der Gesellschaft, die ja auf ganz vielfältige Weise zum Ausdruck kommt: Dazu zählen die zahlreichen Radentscheide in ganz Deutschland, die vielfältigen Aktionen und Proteste, z.B. zur IAA, die Begeisterung für das 9-Euro-Ticket, aber auch die steigenden Verkaufszahlen für E-Bikes. Es treten auch immer mehr Menschen in den ADFC ein, der ja überall kräftig mitmischt. Zu sehen, dass die Zustimmung zu einer sozialen und ökologischen Verkehrswende groß ist und immer weiterwächst, das motiviert natürlich.

Was sind die drei wichtigsten Ziele der kommenden Jahre?
Mein Ziel ist es, viel aus Frankfurt raus und mit den ADFC-Aktiven vor Ort in Kontakt zu kommen. Was läuft gut, wo drückt noch der Schuh und wie können die Landesgeschäftsstelle und der Landesvorstand vielleicht unterstützen? Ich freue mich auch über Einladungen zur Jahresversammlung oder zu anderen wichtigen Events. Das wäre Ziel Nummer 1!

Als zweites scheint mir für den ADFC Hessen insgesamt wichtig, die Initiative für ein Verkehrswende-Volksbegehren zu einem politischen Erfolg zu führen. Wir haben im April auf der Landesversammlung in einem Leitantrag entschieden, dass wir die Umsetzung einer sozialen und ökologischen Verkehrswende vehementer und ungeduldiger vorantreiben und einfordern wollen. Am 28.8. übergeben wir die Unterschriften in Wiesbaden an den Verkehrsminister (siehe dazu auch Beitrag auf Seite 4).

Drittens ist mir wichtig, dass wir unsere Willkommenskultur im ADFC noch weiter ausbauen. Als ADFC sollten wir ausstrahlen, dass wir offen für Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen sind, aber auch für neue Ideen und Aktionsformen sowohl vor Ort in den Gliederungen als auch auf Ebene des Landesverbandes.

Wo wirst Du versuchen, neue Impulse zu setzen?
Der ADFC Hessen ist ein über viele Jahre sehr gut geführter Verband, in dem sich viele Menschen auf überaus tolle Weise einbringen. Die Mitgliederzahlen steigen ja nicht zufällig seit Jahren und das Ansehen des ADFC in der Öffentlichkeit ist groß. Im April wurden aber auf der Landesversammlung zwei Leitanträge beschlossen, die aus meiner Sicht wesentliche Herausforderungen für die Zukunft sehr klar benennen.

Zum Beispiel dürfen wir als ADFC gerne noch etwas vielfältiger werden. Dabei ist es z.B. ausdrücklich kein Problem, dass sich viele Menschen im Rentenalter bei uns engagieren. Im Gegenteil, das ist ganz, ganz toll und das sollten wir beibehalten. Aber eine etwas buntere Mischung, die vor allem auch unterschiedliche Lebenslagen abbildet, das würde uns sicher guttun. Die angesprochene Willkommenskultur ist dafür sehr wichtig.

Zweitens sollten und müssen wir mit vielen Partner:innen aus der ­Zivilgesellschaft die Verkehrswende noch etwas lauter einfordern, denn es geht einfach zu langsam voran, um allein dem Klimaschutz gerecht zu werden.

Und drittens, und das ist mir sehr wichtig, sollten wir noch stärker betonen, dass die Verkehrswende nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Frage ist. Mobilität ist schließlich entscheidend für die soziale Teilhabe, auf die jeder Mensch ein Recht hat.

Was wird beim ADFC Hessen aber auf jeden Fall so bleiben, wie wir es kennen?
Wie der ADFC durch sein Engagement für den Radtourismus und durch sein umfangreiches Tourenprogramm das Kulturgut „Radtour“ pflegt und fördert, ist wunderbar. Als ADFC sollten wir uns unbedingt weiter dafür engagieren und die Radtour auch ganz praktisch als Teil unserer Verbandskultur pflegen und weiterentwickeln.

Und zu guter Letzt sollte es in der Landesgeschäftsstelle weiterhin stets Kekse und einen guten Kaffee geben!

Die Fragen stellte Torsten Willner