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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Bild zum Artikel Illegale Radverkehrsführung in Sossenheim – nun bereits seit einem Jahr
Gabriele Wittendorfer

Stadt Frankfurt führt Radverkehr in die Illegalität

Die Stadt Frankfurt kappt eine Verbindung für täglich bis zu 1.000 Radfahrende* zwischen Sulzbach und Sossenheim – und tut so, als ginge sie das nichts an

Wie relevant das Fahrrad als Verkehrsmittel im Ballungsraum ist, konnte spätestens seit dem letzten Frühjahr auch der letzte live und in Farbe erleben: Alle, die den ÖPNV meiden wollten, pendelten per pedale zur Arbeit. Die anderen, die im Homeoffice festsaßen, nutzten jede freie Minute, um sich zu Fuß oder auf dem Rad mit Bewegung und frischer Luft von sozialer Distanz und/oder Lagerkoller zu erholen.

Eine zentrale Radverbindung sowohl für Pendler:innen als auch Freizeitfahrer:innen zwischen MTK und Frankfurt führt immer am Sulzbach entlang: zunächst durch den unsäglichen Rattentunnel unter der A66 hindurch und nord-östlich der Henri-Dunant-Siedlung über das Sossenheimer Unterfeld an die Nidda.

Über Nacht wird die geöffnete Einbahnstraße für den Radverkehr geschlossen, eine Alternative nicht angeboten

Als ich vor Corona 2020, von der Nidda kommend, gewohnheitsmäßig in die bisher freigegebene Lindenscheidtstraße radelte, fiel es mir auf: An der Einfahrt von der Kurmainzer Straße war ein Vorschriftszeichen 267 (Verbot der Einfahrt) aufgestellt worden. Daran änderte sich bis zum 24. März nichts, so dass ich das Problem in die Meldeplattform Radverkehr eingab. Für alle, die diese Stelle nicht kennen: Durch die Lindenscheidtstraße leiten nicht nur normgerechte Radschilder, sondern auch der Regionalpark führt hier seine Safariroute von Zoo zu Zoo. Bis heute.

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links: (Foto 2) Überbauung des Kirdorfer Bachs
rechts: (Foto 3) Brücke für den Rad- und Fußverkehr bei Bonames
Gabriele Wittendorfer

Einen Monat nach meiner Meldung folgte der automatisierten "Vielen Dank für Ihre Meldung (Meldungsnummer 2020234601)"-E-Mail eine zusätzliche E-Mail aus dem Frankfurter Straßenverkehrsamt: "Vielen Dank für Ihre Meldung. Wir haben die Meldung mit der Bitte um Prüfung und Beseitigung des Mangels an den zuständigen Kollegen vom Radfahrbüro weitergeleitet. Aufgrund der Corona-Pandemie hat das Straßenverkehrsamt zur Minimierung der sozialen Kontakte die Anwesenheit der Mitarbeitenden im Büro auf ein Minimum reduziert. Aus diesem Grund bitten wir Sie um Geduld bei der Bearbeitung Ihrer Meldung.

Bitte bei zukünftigen Meldungen aussagekräftige Bilder mitschicken!" Hier hätte ich schon stutzig werden sollen: Ein genau beschriebener Mangel (Ortsangabe plus Verbot der Einfahrt) braucht keine Bilder.

Ehrenamtlicher ADFC macht Arbeit der Stadt Frankfurt

Weitere zwei Monate gingen ins Land, ohne dass sich etwas getan hatte. In der Zwischenzeit fuhren auch Corona-bedingt immer mehr Radfahrende durch die Lindenscheidtstraße (gewohnheitsgemäß oder der Beschilderung folgend). Also habe ich mir erlaubt, beim Frankfurter Radfahrbüro anzurufen. Ein längeres Telefonat mit dem dortigen Sachbearbeiter vermittelte mir zunächst das Gefühl, dass das Problem angekommen sei und meine Lösungsvorschläge – entweder Ausschilderung einer Umleitung oder weg mit dem VZ 267 – verstanden wurden. Wieder wurde ich gebeten, die Stelle zu fotografieren, was ich dann auch gemacht habe. Ich bin extra in meiner Mittagspause zur Einmündung gefahren. Dafür musste ich mich – Corona hin oder her – durch den viel zu engen Rattentunnel quetschen. Bin ich es eigentlich, die hauptamtlich für den Radverkehr zuständig ist?

Seit dem 22. Juni lag der Stadt Frankfurt also nicht nur die Mängel-Meldung samt der gewünschten Fotos vor. Am 8. Juli war die Lage vor Ort unverändert, worauf ich mein Unverständnis in einer E-Mail an das Radfahrbüro zum Ausdruck gebracht habe und um einen Ortstermin bat. Der ADFC Frankfurt war in Kopie gesetzt. Von der Stadt Frankfurt habe ich seitdem nichts gehört, der Ortstermin hat nie stattgefunden. Stattdessen meldete sich eine Ehrenamtliche des ADFC Frankfurt bei mir, um zu berichten, dass bereits bei den Ortsbeiratssitzungen zu diesem Thema (die Beschilderung war eine Folge von Umbauplänen in Sossenheim) sowohl die Herren vom Amt für Straßenbau als auch die Leiterin des Baubezirks West einfach nur genervt waren, als man sie bereits im Februar 2020 auf die Folgen der Baustelle für den Radverkehr aufmerksam gemacht hat. Ungefähr zur gleichen Zeit hat der ADFC Frankfurt auch das Radfahrbüro bereits über die fehlende Umleitung informiert.

Radverkehrsförderung auf der Homepage, Radverkehrsignoranz in der Praxis

"Wir schaffen Platz für den Radverkehr" verkündet Verkehrsdezernent Oesterling auf der Homepage der Stadt Frankfurt. Aber bis heute wird eine der meist frequentierten Radverbindungen zwischen Frankfurt und dem Main-Taunus-Kreis ignoriert und seit dem letzten Frühjahr faktisch geschlossen. Anstatt, wie das beispielhaft beim Kirdorfer Bach an der Ostseite des Bad Homburger Golfplatzes (Foto 2) geschehen ist, die Unterführung der A66 für den Radverkehr auszubauen oder sogar eine eigenständige Brücke für den Fuß- und Radverkehr im Zuge der RTW-Bauten einzurichten (Foto 3), werden bis zu 1.000 Radfahrende täglich mit Verweis auf die Priorisierungen im Zuge der Fahrradstadt Frankfurt (!) ignoriert. Unter dem Betreff "Rad- und Fußwegeverbindungen von Sossenheim zu den angrenzenden Gemeinden verbessern" bedauert der Frankfurter Magistrat in seiner Stellungnahme vom 6.7.2020 (ST 1264), dass er sich bis auf weiteres darum nicht kümmern könne. Dieser Irrsinn kann nur dadurch erklärt werden, dass Radverkehrszuständigkeit und das Wissen um die bereits bestehende Praxis des Radverkehrs kilometerweit auseinanderklaffen. Wer sich für Stadtentwicklung und nahmobile Verkehrsplanung interessiert, der oder die müssten wissen, dass man am besten an den Wegen anknüpft, die sich die Menschen einfach nehmen (egal ob Trampelpfade oder Radrouten). Bis heute fahren also Tag für Tag Radfahrende durch die gesperrte Lindenscheidtstraße und den viel zu engen und überfüllten Rattentunnel. Vielleicht müssen wir als ADFC diese Verkehrsteilnehmenden einmal bitten, an ein und demselben Tag mit dem Auto aus dem MTK nach Frankfurt zu fahren, damit die Stadt merkt, dass ihr Verkehrsproblem in Bockenheim, Westend und Niederrad an den westlichen Grenzen entsteht. Oder eben auch nicht.

Gabriele Wittendorfer

* Diese Zahl basiert auf Zählungen der Autorin von Mai bis Juli 2020