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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Bild zum Artikel Gwinnerstraße, Gewerbegebiet Seckbach: Das lädt nicht dazu ein, mit dem Rad zur Arbeit zu kommen. Null Radweg, knüppelhartes Kopfsteinpflaster, alte Schienen zum Reinrutschen, Schwerverkehr
Peter Sauer

Mit dem Rad zur Arbeit – oft ein harter Job!

Es fehlt ein Konzept für nachhaltige Mobilität in den Gewerbegebieten

Wenn "mit dem Rad zur Arbeit" bildlich dargestellt werden soll, kommt dabei oft ein flott-dynamischer Jungmanager(innen)typ auf dem Rad vor der Kulisse der Hochhausskyline heraus. Dabei ist für viele das äußere Umfeld ihrer Arbeit alles andere als chic. Gewerbegebiete, die nicht so sehr von Büros, sondern von Industrie und Logistik geprägt sind, bieten normalerweise keine attraktive Aufenthaltsqualität, auch wenn sie heute gern euphemistische Bezeichnungen wie "-Park" oder "-Campus" tragen.

Wenn Industriegebiete schon nicht schön sind, sollten sie doch wenigstens gut erreichbar und durchfahrbar sein, auch mit dem Fahrrad – sollte man meinen. Wegen des hohen Anteils an Schwerverkehr sollte die Sicherheit des Radverkehrs besonders beachtet werden, separate Radwege oder geschützte Radstreifen sollten Standard sein. Daran hapert es aber nahezu überall. Auch an das Tempo des Straßenverkehrs geht bislang niemand so recht heran, obwohl gerade auf Gebiets-Erschließungsstraßen ohne Durchgangsverkehr niemand schneller als 30 unterwegs sein müsste. Wir gehen die wichtigsten Industriegebiete innerhalb Frankfurts einmal durch, von Westen nach Osten.

Industriepark Höchst
Ganz im Westen liegt gleich das größte Industriegebiet Frankfurts, der Industriepark Höchst (IPH) auf dem Gelände der ehemaligen Farbwerke Hoechst mit Hauptbetrieb Sanofi. Der IPH ist ein geschlossener Komplex mit Werkstoren und Sicherheitskontrollen. Das gilt auch für den einige Kilometer entfernten Ableger "Chemiepark Griesheim", Hauptfirma Clariant. Es gibt im IPH eine Gruppe aktiver Radfahrer:innen, sie nennen sich "Industrieparkradler", die sich um die Belange radfahrender Berufspendler und Berufspendlerinnen kümmern. Das ist schon mal sehr gut und sollte anderswo Schule machen. Radfahren ist auf dem Gelände bei gebotener Vorsicht gut möglich, die Erreichbarkeit der Werkstore von außen ist zumindest im näheren Umfeld nicht schlecht, allerdings ist der Sindlinger Kreisel vor dem IPH-Tor West nur etwas für Wagemutige.

Sonderfall Flughafen
In West-Ost-Richtung ist das nächste große Gewerbegebiet der Flughafen – ein Sonderfall, mit dessen Radverkehrsbedingungen sich seit Jahren eine eigene Arbeitsgruppe beim Regionalverband Frankfurt-Rhein/Main beschäftigt, allerdings ohne in diesem total autoorientierten Umfeld nennenswerte Infrastrukturverbesserungen für den Radverkehr zu erreichen. Immerhin soll die komplizierte Kreuzung vor dem Terminal 2 eine Fuß- und Radverkehrsbrücke in Ost-West-Richtung bekommen.

Rödelheim
Das Industriegebiet Rödelheim, größter Betrieb Continental Teves, wird hauptsächlich erschlossen vom Straßenzug Guerickestraße / Am Seedamm / Gaugrafenstraße. Es gibt an Am Seedamm / Gaugrafenstraße trotz beachtlicher Straßenbreite überhaupt keine Radverkehrs-Infrastruktur, eine geschützte oder separate schon gar nicht, und natürlich Tempo 50. An der Guerickestraße hat man sich damit beholfen, den nicht besonders breiten Bürgersteig kurzerhand zum gemeinsamen Geh- und Radweg umzudeklarieren. Bei Continental Teves ist diese unbefriedigende Situation der Personalabteilung und dem Betriebsrat schon 2018 unangenehm aufgefallen, der zuständige Ortsbeirat 7 wurde darauf angesprochen. Notorischer Problemfall ist auch die komplett radweglose und stark befahrene westliche Heerstraße, über die von Praunheim aus das Industriegebiet erreichbar ist.

Kalbach, beim Frischezentrum
Das relativ neue Gewerbegebiet Am Martinszehnten in Kalbach beim Großmarkt "Frischezentrum" wird erschlossen durch die Straße Am Martinszehnten, die auf der westlichen Seite einen Zwei-Richtungs-Radweg aufweist. Im Gebiet selbst ist die Haupt-Erschließungsstraße die sehr großzügig dimensionierte, aber trotzdem radweglose Heinrich-Lanz-Allee. Hier würde die Ausweisung der sehr breiten Bürgersteige als Gehweg – Radverkehr frei schon helfen, denn der Schwerverkehr ist dort schon erheblich. Außerdem wäre Tempo 30 angezeigt.

Nieder-Eschbach
Das Gewerbegebiet Nieder-Eschbach, direkt neben den bekannten Einkaufszielen IKEA und Hornbach, wird hauptsächlich erschlossen durch die dreiviertelkreisförmige Berner Straße. Diese hat nur auf einem kurzen Teilstück einen Radweg, und auch das nur in einer Richtung. Ansonsten ist die ganze Gewerbezone frei von jeglicher Radverkehrs-Infrastruktur. Obwohl in dieser eher tertiären Gewerbezone der Schwerverkehrsanteil nicht ganz so hoch ist wie andernorts, wären mehr Radwege oder Radstreifen nötig, um tatsächliche und subjektiv empfundene Sicherheit zu gewährleisten. Der Verkehrsdruck ist erheblich, der Straßen-Seitenraum ist komplett zugeparkt, und es gilt Tempo 50!

Preungesheim, August-Schanz-Straße
Das kleinere Gewerbegebiet August-Schanz-Straße am Nordrand von Preungesheim wird erschlossen von der acht-förmigen August-Schanz-Straße, zu der man über die Homburger Landstraße und über die Straße Am Dachsberg per Fahrrad Zufahrt hat. Zusätzlich führt ein Fußweg durch einen kleinen Park zur Siedlung auf der ehemaligen US-Housing-Area Berkersheim. Diese einzige Straße ist eine Einbahnstraße mit Tempo 50. Als erstes sollte das geändert werden – Tempo 30 und Freigabe für Radverkehr in Gegenrichtung! Zu kritisieren ist außerdem der radweglose Zustand des kurzen aber wichtigen Stücks der Homburger Landstraße von der Unterführung unter der A661 bis zur Einmündung der August-Schanz-Straße und das Fehlen einer Querungshilfe in Höhe dieser Einmündung für den Radverkehr aus Richtung Frankfurter Berg / Bonames.

Bild zum Artikel Paris-Roubaix-Anmutung an der Kruppstraße, Fechenheim-Nord: Radweg zugeparkt, Straße grottenschlecht, kryptische Beschilderung.
Peter Sauer

Der industrielle Osten
Im industriellen Osten Frankfurts liegen seit langer Zeit gleich vier Gewerbegebiete: südlich von Bahn und Hanauer Landstraße der Osthafen mit Franzius- und Intzestraße sowie der Oberhafen mit der Carl-Benz-Straße als Hauptstraße, im Osten ergänzt durch das geschlossene Betriebsgelände der Alessa-Chemie (vormals Cassella). Nördlich von Bahn und Hanauer liegen die Gewerbegebiete Fechenheim Nord mit Hauptstraße Wächtersbacher Straße und Seckbach, erreichbar über die Borsigallee. In den letzteren zwei Gewerbegebieten hat sich aus ansässigen Unternehmen eine "Standortinitiative FFN" (FrankFurter Osten Nachhaltig) gebildet, die in Zusammenarbeit mit Stadt und Wirtschaftsförderung diese Zone im Sinne von Nachhaltigkeit weiterentwickeln will, wozu dann natürlich auch ein Konzept für nachhaltige Mobilität gehören müsste. Eine treibende Kraft in dieser Standortinitiative ist übrigens das Druckhaus Zarbock, in dem Frankfurt aktuell, das Mitgliedermagazin des ADFC Frankfurt, gedruckt wird.

In allen vier Gewerbegebieten, in denen Rechenzentren des Frankfurter Internet-Knotens eine immer wichtigere Rolle spielen, gibt es in Sachen nachhaltige Mobilität viel zu tun. Das fängt mit dem baulichen Zustand an. Kopfsteinpflaster, gefühlt aus der Kaiserzeit, zermürbt die Bandscheibe. Gibt es überhaupt einen Radweg und ist dieser nicht sowieso zugeparkt, sorgen Schlaglöcher und Wurzelaufbrüche für jähe Stöße von unten. Was ein LKW locker wegsteckt an mangendem Fahrkomfort, ist auf dem Fahrrad eine Zumutung.

Auch das bloße Erreichen der Gebiete insgesamt, über die Dauerbaustelle im Riederwald oder die zwar radwegbewehrte, aber lärm- und abgasbelastete Hanauer Landstraße, traut sich nicht jede:r auf dem Rad zu. Dabei gibt es für einige Ziele in den Gewerbegebieten durchaus Alternativen für den Radverkehr. Als eine Soft-Maßnahme sollte – möglicherweise über die Standortinitiative FFN – eine Infobroschüre und eine entsprechende Webseite mit den derzeit schon bestehenden Wegealternativen an die Beschäftigten verbreitet werden. Das könnte so manchen schon aufs Rad bringen. Am Flughafen hat eine solche Karte beachtliche Wirkung gezeigt.

Dass das Fahrrad die Hauptlast einer Verkehrswende dort bewerkstelligen kann, ist unrealistisch, erst recht nicht für den Liefer- und Lastverkehr. Insgesamt sind diese Gewerbegebiete flächenmäßig groß, die einzigen dicht getakteten Schienenverkehrslinien U7/U4 auf der Borsigallee und die Straßenbahn auf der Hanauer Landstraße (die nordmainische S-Bahn dauert noch) bringen die Menschen nicht sehr dicht an ihren Arbeitsplatz. Viele Beschäftigte haben lange Pendlerwege. Ein Konzept für nachhaltige Mobilität in den Gewerbegebieten des Frankfurter Ostens müsste ein multimodaler Ansatz sein, der eine bessere ÖV-Anbindung und eine technisch ertüchtigte Verknüpfung ÖV-Fahrrad vorsieht.

Bertram Giebeler