Beruf, Leidenschaft und Hobby

Sie sind die Macher: Manfred Gerth und Nermin Velagic
Dagmar Berges

Fahrradwerkstatt in Nied mit pädagogischem Anspruch

Es begann vor über 40 Jahren, erst ganz klein, heutzutage ganz groß. Zuerst in Bauwagen und gestapelten Containern, seit 2008 in einem großzügigem und architektonisch interessant gestalteten Gebäude, bietet die Projektgruppe Kind in Nied jungen Menschen Hausaufgabenbetreuung, Jugendberatung und eine große Palette von Freizeit- und Werkstattaktivitäten an. Kinder und Jugendliche aus dem Stadtteil haben die Möglichkeit, sich im Jugendhaus auf unterschiedlichste Arten kreativ zu beschäftigen oder handwerklich auszuprobieren.

Als einer der Gründer des gemeinnützigen Vereins ist Manfred Gerth schon von Anfang an dabei. Auch die Fahrradwerkstatt hat er 1989 aus dem Nichts aufgebaut. Er unterstützt heutzutage als "Minijobber" immer noch die Werkstatt, obwohl er schon seit ein paar Jahren in Rente ist. Fahrräder zu reparieren, zu schrauben und handwerklich zu arbeiten vereinen Hobby und Leidenschaft, so Manfred Gerth. Eine gewerblich-technische Fachausbildung hilft natürlich auch. Auch Nermin Velagi�c ist mit Leidenschaft dabei. Er ist hauptamtlich in der Projektgruppe Kind in Nied e. V. als Sozialpädagoge beschäftigt, u.a. betreut er neben der Jugendberatung zwei Mal in der Woche die Fahrradwerkstatt. Der "Helfer als Helfer", mit diesem Motto unterstützen sie die jungen Menschen.

Schlauch wechseln, Werkzeug richtig benutzen: Das Ziel ist auch ein pädagogisches

Sie werden bei der Fahrradreparatur angeleitet oder schauen dabei zu und lernen z. B., wie ein Schlauch gewechselt wird oder wie bestimmte Werkzeuge benutzt werden. Das Ziel ist damit immer auch ein pädagogisches, denn Beziehungen zum jungen Menschen können beim gemeinsamen "Tun" besonders gut auf- und ausgebaut werden. Der persönliche Zugang zu ihnen ist einfacher, Schwierigkeiten in der Schule, mit Freunden oder auch Eltern können vertrauensvoll angesprochen werden. Bei Bedarf werden Unterstützungs-Angebote gemacht und ggf. weiterführende Maßnahmen eingeleitet.

links: Im Ersatzteillager hängen die Felgen geordnet an der Decke
mitte: Der Schrank mit den Spezialwerkzeugen ist bestens sortiert, ...
rechts: ... was man den noch brauchbaren Schläuchen nicht sofort ansieht.
Dagmar Berges

Nermin Velagic hält seine zerrissene Arbeitshose hoch: "Hier wird immer alles recycelt. Aus dieser alten Hose werden Putzlappen für die Werkstatt." Er lacht und berichtet weiter, dass viele gespendete, nicht mehr zu reparierende Fahrräder ausgeschlachtet werden und dadurch ein großes Ersatzteillager zur Verfügung steht. Aber auch über das Fundbüro der Stadt oder die Staatsanwaltschaft landen Fahrräder im Jugendhaus, die, bei gutem Zustand, verschenkt werden. "Früher war es ganz selbstverständlich, Fahrräder nicht wegzuwerfen, alles wurde repariert oder wiederverwertet", so Manfred Gerth. Ein großer Nebenraum dient als Fahrrad- und Ersatzteillager, die Speichenräder hängen sauber geordnet unter der Decke. Alles wird am Ende verwertet, neu zusammengesetzt oder als Einzelteil verschenkt. Durch die Vielzahl der Teile und der erstaunlich großen Anzahl an unterschiedlichen Modellen und technischen Lösungen stellt dabei jedes Rad eine neue Herausforderung dar. Mit viel Kombinationsgeschick entstehen so wahre Patchwork-Kunstwerke made in Nied. Der Bedarf ist groß, so wird das Angebot der Werkstatt ca. 500 Mal im Jahr von jungen Menschen, die zwischen 13 und 25 Jahre alt sind, genutzt, manche kommen auch noch mit 30. Meist sind es Jungen und Männer, zunehmend auch Mädchen und Frauen. Einige haben sich vom Umgang mit der Technik inspirieren lassen, mit pädagogischer Unterstützung ein Berufsbild entwickelt und sich handwerkliche Ausbildungen gesucht.

Gerade im Stadtteil Nied können sich viele Menschen neue, teure Fahrräder nicht leisten. Deshalb verschenkt die Fahrradwerkstatt gute und funktionsfähige oder recycelte Räder an Besucher und benachteiligte Familien mit Kindern, inklusive einem Eigentumsbeleg.

Wer helfen möchte: Fahrradspenden werden jederzeit gerne entgegengenommen.

Dagmar Berges