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Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt am Main

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Artikel dieser Ausgabe

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Frankfurt

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Mangelhafte Radverkehrsführung an Baustellen, noch aus der Zeit vor Corona – Beispiele, deren Muster hoffentlich der Vergangenheit angehört.
Links: Schulradweg von Dortelweil zur Kernstadt: Hier endet er gänzlich unvermittelt.
Rechts: Umleitung eines Schulwegs über eine Straße, die auf keiner Karte verzeichnet ist.
Jochen Waiblinger

Es gibt noch reichlich Potenzial

Fahrradklima-Test 2020: Die Ergebnisse für
Bad Vilbel und Karben

Am 16. März wurden die Ergebnisse des Fahrradklima-Tests 2020 des ADFC veröffentlicht. Bad Vilbel hat sich im Vergleich mit dem Test von vor zwei Jahren beachtlich verbessert. Demgegenüber hat Karben das sehr gute Niveau der letzten Befragung von 2018 nicht wieder ganz erreicht. Es ließe sich fragen, warum die Stadt Frankfurt, die sich im bundesweiten Ranking um einen Platz verbessert hat, nach Berlin zur Vorstellung der Gewinnerstädte eingeladen wurde und Bad Vilbel bei einer Verbesserung um 135 Plätze und einer um fast zwei Zehntel besseren Gesamtbewertung nicht. Doch das nur am Rande.

Ein großer Fortschritt ...
Bad Vilbel und Karben haben sich im Kreis der Städte mit zwischen 20.000 und 50.000 Einwohnern im obersten Fünftel platziert. Das bedeutet in Hessen die Plätze 7 und 8 von 39 bzw. auf Bundesebene die Plätze 55 und 64 von 415. In dem Fahrradklima-Test haben bundesweit 230.000 Radfahrende über die Fahrradfreundlichkeit von 1.024 Städten abgestimmt.

Aus unserer Sicht ist dieses Ergebnis erfreulich und muss auch als Erfolg der langjährigen konstruktiv-fordernden Zusammenarbeit der Mitglieder unserer lokalen Gliederung des ADFC mit den politischen Entscheidungsinstanzen von Stadt und Kreis gesehen werden. Andererseits bietet es keinen Anlass zur Euphorie. Das wiederum wird deutlich, wenn man die Ergebnisse im Einzelnen betrachtet.

Jochen Waiblinger "> Bild zum Artikel

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links: Der ausgebaute "Pappelweg" verkürzt die Radstrecke nach Karben erheblich.
rechts: Ausgebaute Strecke für den (Freizeit-)Radverkehr: der Nidda-Radweg zwischen Dortelweil und Kernstadt
Jochen Waiblinger

... doch noch kein Grund zum Jubeln ...
Als besonders positiv wurde in der Umfrage die Qualität der Erreichbarkeit des Stadtzentrums und der Wegweisung für den Radverkehr bewertet. Eine große Zahl derjenigen, die an der Umfrage teilgenommen haben, hat hingegen die fehlende Kontrolle von Falschparkern auf den Radwegen, die Radverkehrsführung an Baustellen, die mangelnde Sicherheit Radelnder im Mischverkehr (das heißt in der gemeinsamen Führung von Kfz- und Fahrradverkehr auf der Fahrbahn) sowie die Ampelschaltungen als kritische Punkte für Radfahrende gesehen.

Zu den guten Ergebnissen dürfte beigetragen haben, dass unsere wiederholt vorgetragene Forderung nach einer direkten und gut ausgestatteten Strecke zwischen Karben und Bad Vilbel-Dortelweil nach mehr als 20 Jahren erfüllt und der Karbener Weg (der sogenannte Pappelweg) endlich für den Radverkehr ausgebaut wurde. Ein weiterer positiver Einflussfaktor in Bad Vilbel war die Fahrradförderung in jüngster Zeit. Damit dürften vor allem die drei im Jahr 2020 fertiggestellten und mit Landesmitteln im Hinblick auf den (entfallenen) Hessentag geförderten großen Radwegprojekte angesprochen sein. Zu beachten ist hier, dass diese Projekte, etwa der stadtseitige Nidda-Fuß-/Radweg, primär dem Freizeitradverkehr zugute kommen. Den Bedürfnissen der Berufspendler:innen und der Alltagsradelnden hingegen wird häufig noch zu wenig Beachtung geschenkt. Für Radelnde, die direkt und schnell durch die Innenstadt hoch zum Heilsberg oder weiter nach Frankfurt gelangen wollen, empfiehlt sich die Fahrt auf dem stadtseitigen Nidda-Rad- und Fußweg nur bedingt. Die zu geringe Gewichtung des Alltagsradverkehrs ist denn auch einer der Hauptkritikpunkte, die im Rahmen der Umfrage geäußert wurden.

Nicht unerwähnt bleiben sollte schließlich, dass viele der abgegebenen Bewertungen stark von den mathematischen Mittelwerten abweichen, das Gesamtbild insofern sehr uneinheitlich ist.

Die Bedeutung des Radverkehrs bzw. sein Anteil am Gesamtverkehrsaufkommen steigt seit Jahren kontinuierlich, nicht erst seit dem Beginn der Corona-Pandemie. Wir hielten es daher für verfehlt, würde die Stadt sich auf den guten Ergebnissen des jüngsten Fahrradklima-Tests oder der recht großen Resonanz auf die Kampagne Stadtradeln ausruhen. In der Radverkehrspolitik gilt dasselbe wie beim Schwimmen gegen den Strom: Sobald damit aufgehört wird, treibt man/frau zurück.

... doch immerhin einige ermutigende Perspektiven
Bei einigen wichtigen Entscheidungsträgern der Stadt Bad Vilbel scheint die fahrradpolitische Lernkurve steiler zu verlaufen als bei anderen. So werden beispielsweise die meisten Baustellen in der Stadt seit einiger Zeit regelmäßig und rechtzeitig in der Website und im wöchentlich an alle Haushalte verteilten Mitteilungsblatt der Stadt bekannt gegeben. Sofern offizielle Schulwege davon betroffen sind, werden hier auch teilweise Umleitungsempfehlungen gegeben. Bei manchen Großbaustellen – und Bad Vilbel hat zurzeit viele davon – bedarf es hierbei zuweilen noch korrigierender Maßnahmen, doch die Entwicklung ist ermutigend. Auch dass diverse weitere Verbesserungen der Radinfrastruktur in Planung sind oder schon angestoßen wurden, ist erfreulich. Dazu gehören die Beleuchtung stadtteilverbindender Rad-(schul-)wege, Radverbindungen zu den Nachbarkommunen und perspektivisch (nach Abschluss des Ausbaus der Bahngleise) eine verbesserte beidseitige Radverkehrsführung auf der Kasseler Straße.

Wir hoffen, dass die lokale fahrradpolitische Alltagserfahrung des ADFC bereits in der Planungsphase eingebracht werden kann, damit nicht hinterher teure und/oder weniger effiziente Korrekturen notwendig werden. Aus unserer Sicht gibt es noch reichlich Potenzial für (rad-)verkehrspolitische Verbesserungen. Gerne wollen wir als ADFC alle Verantwortlichen in Bad Vilbel und Karben bei der Hebung dieser Potenziale unterstützen.

Der Weg in die Zukunft ist ein Radweg!

Jochen Waiblinger